Im Zeitalter des Wassermanns

Alltagskino Unser Kolumnist Mikael Krogerus hatte noch nie das Hippie-Musical "Hair" gesehen. Das musste er nachholen. Und danach hatte er viele Fragen an die Jugend von heute

Was habe ich gesehen? Hair (1979), Laufzeit: 119 Minuten.

Warum habe ich es gesehen?

Wir hören seit einem Jahr im Auto die Musik des Musicals Hair („When the mooon is in the seventh houuuse…this ist he dawning of the age of Aquarius“). Zudem ist meine Frau in einer Art Hippiekommune groß geworden. Ich hatte noch nie was von dem Film gehört. Nachhilfe.

Worum geht es?

Naiver Bauernsohn aus Oklahoma wird zum Militär eingezogen. Es ist das Jahr 1968. Vietnam. Zwei Tage vor der Musterung trifft er auf eine Gruppe Hippies in New York. Die lassen nichts unversucht, um Claude, so heißt er, vor dem Krieg zu retten: sie geben ihm LSD, wollen ihn heiraten, verkuppeln ihn mit einer Tochter aus besserem Hause – am Ende retten sie ihn mit einem sehr lustigen Trick aus dem Militärcamp. An der Stelle von Claude fliegt Berger, der Kopf der Hippiegruppe, nach Vietnam. Er kommt nie zurück.

Wie war es?

Es ist eigentlich ein Musical. Die erste Stunde oder so besteht vor allem aus Lieder, zu denen die Hippies in lustigen 1970er-Jahre-Formationen tanzen. Die Handlung bekommt dadurch nie richtig Tempo. Wenn Berger mit dem Establishment, mit seinen Eltern, mit dem Militär diskutiert – das sind die Highlights. Im Ganzen aber: ein recht langweiliger Film. In der letzten halben Stunde wird es plötzlich erst sehr lustig und dann sehr Ernst. Ein versöhnliches Ende.

Was bleibt?

Hair handelt im Kern von Jugendrevolte. Die Hippies Im Central Park nehmen Drogen, vögeln rum, diskutieren endlos mit den Eltern, tragen lange Haare (Der lustige Refrain des Titelsongs geht so: „If you can see my eyes, my hair is too short“), verbrennen ihre Einberufung zur Musterung. Frage: Wogegen rebelliert eigentlich die Jugend von heute? Und wie? Ist die Forderung, ein bilinguales Privatgymnasium besuchen zu dürfen bereits Rebellion? Intimrasur mit 14? Freeganing? Oder rebellieren sie am Ende gar nicht, weil sie mit der Welt, in der wir leben zufrieden sind?

Welches ist der beste Song?

"I'm Black" – der Song, der zeigt, dass Hippies nicht nur Spaß und Sex wollten, sondern durchaus auch die politische Dimension im Blick hatten.

Das sagt meine Frau:

„Vielleicht lebt der Film tatsächlich von der nostalgisch-verklärten Vorstellung, dass man irgendwie auf der richtigen Seite stehen kann, indem man sich gegen die Spießigkeiten, gegen die Eltern, gegen den Krieg stellt. Es ist der Kindertraum, alles anders zu machen. Das hat etwas sehr Anrührendes.“

Wer sollte es sehen?

Alt-Hippies in der Sinnkrise.

Was sehe ich als nächstes?

The Conversation von Francis Ford Coppola.

Nachdem er ein Jahr lang jede Woche ein Buch gelesen hat, sieht sich unser Kolumnist Mikael Krogerus nun jede Woche einen Film an oder auch mal eine ganze TV-Serie. Vergangene Woche sah er sich die erste Supernanny an: Mary Poppins.

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