Killer Gonzalez und das transsexuelle Bondgirl

52 Filme - 52 Wochen Diese Woche schaut sich unser Kolumnist einen alten Bond-Film an und ärgert sich über Roger Moores ironisch angehobene Augenbraue. Eine Badehose stimmt ihn versöhnlich

Was habe ich gesehen?
For Your Eyes Only – James Bond. In tödlicher Mission (1981), Regie: John Glen, Laufzeit: 120 min.

Oscarnominierungen:
1 (Sheena Easton für ihren wirklich achtzigerjahremäßigen Titelsong)

Warum habe ich es gesehen?
Ich war noch ein bisschen im 52-Bücher-in-52-Wochen-Modus und hatte heimlich ein tolles Buch gelesen: Sexual Metamormophosis – An Anthology of Transsexual Memoirs. Transsexuelle waren die Hippies der Neunziger, und völlig zu Recht sind hier endlich mal die irrsten, schönsten, traurigsten Erzählungen von Leuten zusammengefasst, die ihr Geschlecht wechselten. Die Geschichten erzählen viel davon, wie Transsexuelle von ihrer Umgebung oft jahrelang genötigt werden – das Muster ist bekannt: Wir attackieren das, was uns fremd ist, das, vor dem wir Angst haben. Aber warum haben Menschen Angst vor Transsexuellen? Vielleicht, weil sie etwas darstellen, eine Option, über die viele nicht nachdenken wollen – die Option, zu ändern, wer man ist? Aber kann man das ändern? Die Frage wird in den Biografien nicht beantwortet. Und doch, so scheint es, ist der Versuch, sein Geschlecht zu ändern auch der Versuch, eine Antwort auf die Frage zu finden, die alle Menschen verfolgt: Wer bin ich? Was bin ich?
Natürlich haben nicht alle Menschen Angst vor Transsexuellen, viele fühlen sich auch zu ihnen hingezogen. Wie auch immer – die Geschichten in dem Buch sind eigentlich Räuberpistolen. Sie erzählen von Personen, die etwas getan haben, das wir Leser nicht machen werden: den Amazonas durchschwimmen, den Mount Everest besteigen, das Geschlecht wechseln.

Aber warum erzähle ich von diesem Buch? Echte Bond-Aficionados werden es wissen: Eines der Bondgirls in For Your Eyes Only war eine Transsexuelle. Die Geschichte von Caroline Cossey, die auf dem Höhepunkt ihrer Modelkarriere als Bondgirl gecastet und anschließend von der Boulevardpresse als Transsexuelle „entlarvt“ wurde („Bondgirl was a Boy“), ist eine der berührendsten Episoden in dem Buch. Und ein guter Grund, mal wieder einen Bond zu gucken.

Worum geht es?
Britisches Spionageschiff kollidiert mit einer Seemine und sinkt vor der Küste Albaniens. An Bord: das Steuerungssystem der britischen U-Boot-Flotte – auf das die Russen scharf sind. Ein Unterwasserarchäologe soll das Schiff bergen, wird aber von einem Killer, Gonzalez, vor den Augen der Tochter (also der Tochter des Archäologen, nicht des Killers) ermordet. James Bond soll den Killer und die Hintermänner stellen. Die Reise führt ihn nach Madrid, ins schöne Cortina d’Ampezzo und schließlich nach Griechenland – für Bond-Verhältnisse ein spesenschonender Trip. Immer in seinem Schatten: die Tochter des Ermordeten, die merkwürdig ausdruckslose Melina (Carloe Bouquet), die Bond mehrfach das Leben rettet, indem sie diverse Männer mit einer Armbrust (sic!) zur Strecke bringt. Ein Schmuggler namens Kristaos soll Bond helfen und führt ihn auf die Spur von Columbo. Der Dreh: eigentlich steht nicht Columbo, sondern Kristatos hinter dem ganzen Plot. Am Schluss wird das Steuerungssystem geborgen und eine Kloster-Festung gestürmt. Ach ja, die schöne Caroline „Tula“ Cossey tritt auf in Minute 19:47 (im Bikini am Pool des Killers Gonzalez) und drei Sekunden später wieder ab. Man sollte sich darüber nicht lustig machen, denn Tula wurde eine Ikone der Szene: der lebende Beweis, dass man nach einer Geschlechtsumwandlung nicht wie ein „Ex-Mann“ aussieht, sondern wie eine Frau, die sogar in der stereotypisierten Bondwelt bestehen kann. (was das über das problematische Geschlechterverständnis von Transsexuellen aussagt – ein andermal)

Was bleibt?
Der Film läuft ein bisschen länger als zwei Stunden. Das ist recht lang. Aber seien wir fair: es geht nicht um die Länge, sondern darum, wie lang ein Film wirkt. Und James Bond – In tödlicher Mission wirkt nicht wie ein 2-Stunden-Film. Er wirkt wie ein 10-Stunden-Film.
Die Eröffnungssequenz – traditionell die beste Szene im Bond – ist langweilig, kopiert und bizarr (Blofeld lockt Bond in einen ferngesteuerten Hubschrauber, um ihn in der Luft zu töten. Bond gelingt es aber, die Kontrolle über den Hubschrauber zu gewinnen und tötet den im Rollstuhl sitzenden Blofeld, indem er ihn in einen Schornstein fallen lässt.) Was folgt sind zwei Stunden Anti-Klimax, die selbst durch absurde Gewalthandlungen (völlig unmotiviert erschießen Bond und Co. ungefähr 50 Drogenlaboranten) oder pädophile Anspielungen (die angeblich 17-jährige, aber gefühlt 12-jährige Bibi, bietet sich Bond und jedem anderen Mann mehrfach an) nicht spannender werden. Ich bin ein bekennender Fan von Roger Moore, seine Unfähigkeit aber, eine andere Mimik darzubieten als die altväterlich-ironisch angehobene rechte Augenbraue bringt einen zur Verzweiflung. Es wurmt mich, dies eingestehen zu müssen, aber Leser ich hatte Recht, als er mich vor diesem Film warnte.

Diese Figur wäre ich gern:
Am ehesten der Killer Gonzalez, der in seiner Spätsiebziger-Jahre Badehose am Pool eine recht coole Figur macht.

Das sagt meine Frau:
„Alle sind komplett austauschbar.“

Chinessiche Weisheiten:
Bond zum Racheengel Melina:
„Ein Sprichwort sagt: Bevor du Rache nimmst, schaufle lieber zwei Gräber“

Was sehe ich als nächstes?
When a Stranger Calls von Simon West.

Nachdem er ein Jahr lang jede Woche ein Buch gelesen hat, sieht sich unser Kolumnist Mikael Krogerus künftig jede Woche einen Film an. Letzte Woche: von Lee Daniels

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