Real Madrid – Mannschaft ohne Unterleib
Real Madrids desperater Großeinkauf nach der blamablen Saison (Rivale Barca gewann das Triple) beläuft sich auf über 250 Millionen Euro. Für diese Summe erhielt man den nachtaktiven Popstar unter den Panini-Bildchen, Cristiano Ronaldo (Manchester United/94 Millionen Euro). Außerdem den eleganten Kaká (AC Mailand/65 Millionen), im Angriff den jungen Karim Benzema (Olympique Lyon/35 Millionen), sowie Raul Albiol (FC Valencia/15 Millionen), Esteban Granero (FC Getafe) und Alvaro Arbeloa (Liverpool/je 4 Millionen). Was bleibt ist die nichtexistente Innerverteidigung und der völlig überschätzte Flattermann im Tor: Iker Casillas. Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb versprechen die Auftritte der neuen Galaktischen tolle Fußballabende. Prognose: Champions-League-Halbfinale.
Barcelona – beidfüssiger Angriff
Der Champions-League-Sieger hat sich mit einem genialen Deal den Sturm neu bestückt: im Tausch gegen den sanguinischen Kameruner Samuel Eto'o (plus 46 Millionen Euro) erhielt man den schwedischen Kampfstier Zlatan Ibrahimovic von Inter Mailand. Der Torschützenkönig der defensivstarken Liga A schießt beidfüssig, ist trickreich, schnell und brachial zugleich. Wie ein Radiosender, der Jazz, Rock und HipHop spielt. Hinzu kommt das brasilianische Toptalent Keirrison von Plameiras. Star der Mannschaft wird neben Messi der 19-jährige Serbo-Spanier Borjan Krkic, der im Angriff den altersmüden Thierry Henry beerben könnte. Schwachstelle bleibt – wie bei Real – die Innenverteidigung samt Torwart. Prognose: Champions-League-Finale.
Chelsea – Angriff des Altenheims
Die Großeinkäufer aus London haben trotz massiver Bemühungen, außer dem brillanten Juri Zirkhov für die Linksaußenbahn (ZSKA Moskau/20 Millionen), wenig geholt. Nicht mal Dzeko konnte sie aus dem aussichtslosen Wolfsburg weglocken. Es heißt, Chelseas finanzkrisengebeutelter Eigentümer Roman Abramowitsch wolle neues Qualitätsbewußtsein im Schlussverkauf zeigen (Spielerwechsel sind bis zum 31. August erlaubt). Achillessehne im Londoner Spiel ist die Altherren-Achse Deco-Lampard-Ballack-Schewtschenko-Drogba. Prognose: Champions-League-Halbfinale.
Manchester United – Wohlverdienter Absturz
Die betriebswirtschaftlich interessanteste Änderung machte der englische Traditionsverein: Mitte Juni entschied ihr Hardcore-CEO David Gill, auf lange Sicht keine Spieler zu erwerben, die älter als 25 sind, weil sie im Weiterkauf keinen Gewinn erbrächten. Soeben hatte man den Ballkünstler Christiano Ronaldo für 93 Millionen Euro verkauft; die neue Regelung hinderte den Trainer Alex Ferguson daran, seine Wunschspieler David Villa (27) und Franck Ribery (26) nach Manchsters zu locken. Die Probleme Manchesters sind jedem bekannt, der das CL-Finale gegen Barcelona sah: wenn Ronaldo nicht ganz da ist, lahmt das Spiel. Jetzt ist er ganz weg. Ansonsten: Wayne Rooney ist seit gefühlten 2 Jahren außer Form, der unberechenbare Carlos Tevez beim Stadtkonkurrenten City; Ronaldos Nachfolger auf Rechts soll der begabte aber abschlußschwache Ecuadorianer Luis Valencia (23) werden, an dem auch Bayern München dran war. Die Hoffnung ruht auf der Kompaktheit der Abwehr und auf den Schulten des portugiesischen Hochgeschwindigkeitsfußballers Nani. Prognose: Manchester United droht der Absturz aus der Top 3.
FC Liverpool – Favorit trotz Herztranplantation
Der ehemalige Arbeiterclub verlor sein spanisches Herz Xabi Alonso und seinen spanischen Rechtsverteidiger Arbeloa an Real Madrid. Insider vermuten, dass Stürmerstar Fernando Torres nächsten Sommer folgen wird. Zusammen mit Trainerfuchs Benitez. Es wäre das Ende eines der interessantesten Clubprojekte Europas. Seit Jahren spielt Liverpool den berauschendsten europäischen Fußball, einen tödlichen Mix aus spanischer Zärtlichkeit und britischer Härte. Eingekauft hat man dieses Jahr zielgerichtet: den soliden Johnson für Arbeloa und das römische Talent Aquilani für Alonso. Prognose: Champions-League-Gewinn.
AC Milan – weniger ist schwer
Der Berlusconi-Club hat seinen besten Spieler (Kaká) nach Spanien verloren und seinen zweitbesten (Ronaldinho) in den unergründlichen Tiefen der brasilianischen Melancholie. Eingekauft wurde praktisch nichts. Es wäre die erste Sparrunde des transferverwöhnten Clubs. Und vielleicht die Chance für Akteure wie den sensiblen Mittelfeldmann Flamini, das Spiel zu übernehmen. Prognose: Champions-League-Viertelfinale.
Und Bayern München?
Niemand glaubt ernsthaft, dass der FC Bayern in Europa noch eine gewichtige Rolle spielt, die nachfolgende Einschätzung also nur formeshalber: der entscheidende Transfer war vermutlich der nicht-Transfer von Franck Ribery zu Real Madrid. Er ist der beste Fußballer, den die Bundesliga je hatte. Stark dort, wo die Gegner schwach sind. Schwach nur dann, wenn es um nichts geht. Mit 80 Millionen wäre er noch unterbezahlt gewesen. Real wollte ihn eintauschen, gegen viel Geld und zwei Stars. Bayern blieb stur. Wären zwei hungrige Holländer (van der Vaart und Robben) unter einem holländischen Trainer (van Gaal) mehr Wert gewesen als ein bockiger Franzose? Von Riberys Laune wird Bayerns Erfolg abhängen. Ansonsten verstärkte sich Bayern auf der einzigen recht stark besetzten Position (im defensiven Mittelfeld Timoschuk), bezahlte einen völlig irrwitzigen Preis (30 Millionen) für den Schönwetterfußballer Mario Gomez und verpasste es, die größte Baustelle der Mannschaft, die rechte Abwehrseite, auszubessern mit etwa Srna (Donezk) oder Arbeloa (Liverpool). Von den anderen Zugängen (Pranjic, Braafheid) darf man Solides erwarten. Die wacklige Abwehr wurde durch den Weggang des besten Verteidigers Lucio unnötig dezimiert. Prognose: Sollte Bayern mit dieser Truppe das Viertelfinale der Champions League erreichen, wäre es als Erfolg zu verbuchen.
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