Was ist mit Afrika los?

Alltagslektüre Ausflug in die kongolesische Literatur: Mikael Krogerus lässt sich vom (bestimmt guten) Bestseller "African Psycho" von Alain Mabanckou völlig zur Verzweiflung bringen.

Was habe ich gelesen?

African Psycho" target="_blank">African Psycho von Alain Mabanckou.

Seitenzahl: 164 Seiten

Amazon-Verkaufsrang: 649.069

Warum habe ich es gelesen?


Großer Titel. Und das Buch war auf der Shortlist des wunderbaren Literaturmagazins The Believer.

Worum geht es?


Ich-Erzähler Gregoire Nakobomayo, ein Psycho mit traumatischer Pflegekind-Biographie (sein Gastbruder versuchte ihn zu vergewaltigen, woraufhin Gregorie ihm in Notwehr ein Auge ausstach), fristet sein Dasein in einem düsteren Stadteil mit dem großartigen Namen: He-Who-Drinks-Water-Is-an-Idiot. Aus bis zuletzt nicht ganz klaren Gründen fühlt sich Gregorie berufen, den notorischen Serienkiller des Landes, einen gewissen Angoulina, zu beerben und als Mörder und Sextäter in die Medien zu gelangen. Ihm gelingt es aber nur mit mäßigem Erfolg seine Opfer zu missbrauchen oder zu ermorden. In dem comic-haften Ende verschwimmt alles und man überlegt ernsthaft, ob man das Buch nicht versehentlich rückwärts gelesen hat.

Was bleibt hängen?

Was ist mit Afrika los, fragt man sich? Der Kongolese Mabanckou ist ein Bestseller-Autor. Viele Preise. Lebt heute in L.A. Aber was sind das für Bücher?! Sie sind bestimmt gut. Ich verstehe sie einfach nicht. Ein Versuch: African Psycho schien mir bei allem pechschwarzen, comic-haften Humor eigentlich eine zutiefst moralische Geschichte. Der Ich-Erzähler begeht ein paar üble Verbrechen, gut, aber seine grausamste Tat (die Attacke gegen seinen Pflegebruder) war eindeutig Notwehr, im Kontext sogar: nachvollziehbar und klug. Und am Ende, so meine ich, gewinnt auf irgendeine dostojewskische Art das Gute im Bösen.

Aber Mabanckou hat eine bewundernswert merkwürdige Art all das zu erzählen. Seine Hauptperson ist von einer fast schon faszinierenden Charmelosigkeit und das Motiv derart unerklärlich, dass man völlig verzweifelt Seite auf Seite runterliest in der Hoffnung, dass sich irgendwie doch noch ein Sinn ergibt. Vielleicht habe ich aber auch einfach zu wenig (gar keine!) aktuelle kongolesische Literatur gelesen, um zu verstehen, dass hier ein Meister am Werk ist. Während ich das schreibe, muss ich an jenen Abend vor 15 Jahren denken, als ich unwissend und zufällig in einem Berliner Club einem DJ-Set von zwei Österreichern namens „Kruder Dorfmeister“ lauschte und mir sicher war, dass aus denen nichts werden wird.

Wie liest es sich?

Ein bisschen, als hätte Dostojewski im Tropenfieber angefangen sehr umgangssprachlich zu schreiben.

Das beste Zitat?

Gleich der erste Satz des Buches:
„I have decided to kill Germaine on December 29.“

Was lese ich als nächstes?

Der Begriff des Politischen, Carl Schmitt

Die Alltagslektüre: In seiner Kolumne unterzieht Freitag-Autor Mikael Krogerus jede Woche ein Buch seinem persönlichen Lese-Check. Zuletzt: War meine Zeit meine Zeit von Hugo Loetscher.

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