Die Beziehung zwischen Zigarette und Frau ist schon oft entflammt und wieder erloschen. Erlaubt, nicht erlaubt, gern gesehen, verpönt: Die quarzende Frau ist in den vergangenen 150 Jahren immer wieder Gegenstand von Diskussionen gewesen. Von Hannah Arendt, Virgina Woolf und Frida Kahlo wissen wir, dass sie selbstbewusst und emanzipiert geschmaucht haben. Und heute? Noch rauchen mehr Männer als Frauen, aber weltweit steigt der Anteil an Frauen. Ist es heute noch feministisch und rebellisch, zu rauchen?
Die Glimmstängel sind unter Beschuss. Seit dem 1. Januar 2008 ist das Rauchen in deutschen Restaurants fast überall verboten. In Ungarn wird erstmals ein Gesetz diskutiert, demzufolge Menschen, die nach dem 1. Januar 2020 geboren werden, nicht mehr rauchen dürften. Vergangenes Jahr wurde in Berlin ein Gesetz verabschiedet, das ein komplettes Rauchverbot auf Kinderspielplätzen festlegt.
Ich frage eine Freundin und bekennende Pro-Smoke-Aktivistin, die auch Mutter ist, was sie davon hält. „Ich habe mich mega geärgert. Das ist übergriffig. Auf diesen Spielplätzen hängen die meiste Zeit 90 Prozent nur Mütter rum“, ein Verbot also, das vor allem Frauen betrifft.
Um ihre Wut zu verstehen, ist es wichtig, den Zigarettenkonsum zu kontextualisieren. Was wir zu uns nehmen und kaufen, ist in unserer kapitalistischen Gesellschaft stark verknüpft mit unserer persönlichen und kollektiven Identität. Wir positionieren uns über unseren Konsum und stellen für uns und andere richtig, mit welcher sozialen Gruppe wir uns identifizieren. Eine Pro-Smoke-Aktivistin will als Mutter nicht von der Gruppe der Rauchenden ausgeschlossen werden. Die Teilhabe an der sozialen Gruppe der Hedonist*innen wird Müttern aus ihrer Sicht mit einem Rauchverbot auf Kinderspielplätzen partiell abgesprochen. Deshalb empfindet sie die Entscheidung als übergriffig.
Schnupfende Schwestern
Am Anfang hat es gefunkt. Als der Tabak aus Südamerika nach Europa kam, haben Frauen diesen ebenso konsumiert wie Männer. Bäuerinnen, die Pfeife rauchten, sowie Tabak schnupfende Frauen aus der Oberschicht und in Ordensgemeinschaften waren im 17. und 18. Jahrhundert nicht selten. In der Zeit des aufstrebenden Bürgertums im 18. Jahrhundert wurde dann das Rauchen als ein „typisch männliches“ Verhalten definiert. Es galt als unschicklich, wenn Frauen rauchten. Die Raucher- und Herrenzimmer waren für das weibliche Geschlecht nicht betretbar. Mit der ersten Frauenbewegung des 19. Jahrhunderts wurde das Schmauchen zu einem widerständigen Akt.
Während des Ersten Weltkriegs wurden 70 Prozent der heimischen Zigaretten an der Front an die Soldaten verteilt. Die Tabakfabriken kamen mit der Produktion kaum hinterher. Dementsprechend weniger wurden sie von Frauen konsumiert. In der Zwischenkriegszeit griffen wieder beide Geschlechter gleichermaßen zum Glimmstängel.
Edward Bernays, Neffe von Freud und Vater der Public Relations, entwickelte eine Strategie, Bedürfnisse zu schaffen, wo noch keine sind. Er wusste, dass die Konsumierenden Dinge kaufen, um sich selbst darzustellen, und er versuchte, durch eine berühmte Kampagne das Bild der rauchenden Frau zu etablieren. Bernays beauftragte 1929 eine Gruppe von Frauen, sich als Suffragetten zu verkleiden und für die Osterparade durch die New Yorker Fifth Avenue zu marschieren. Als sie von Journalisten fotografiert wurden, zündeten sie Zigaretten an und deklarierten diese als „Torches of Freedom“ (Fackeln der Freiheit). Beklemmend ist, dass dieser Symbolakt, in dem Frauen den Widerstand gegen das Rauchen brechen und damit für die weibliche Emanzipation demonstrieren, von einem Mann initiiert wurde. Im Auftrag eines Konzern – Lucky Strike –, um dessen Verkaufszahlen hochzutreiben. Damit wurde den Frauen die Entscheidung, wie emanzipatorisch oder nicht emanzipatorisch das Rauchen ist, abgenommen. Der Kampf um gleiche Rechte wurde instrumentalisiert.
Im Zweiten Weltkrieg rauchten wieder fast nur die Soldaten an der Front. Die Nationalsozialisten führten in den dreißiger und vierziger Jahren die stärkste Anti-Raucher-Bewegung der Welt an. Jungen Frauen wurde das Rauchen verboten, weil es als eine Gefährdung des Erbgutes betrachtet wurde, weil das Rauchen die sogenannte Volksgesundheit schädige. 1942 erhielten jedoch auch Frauen Raucherkarten, mit denen sie sich Zigarettenpackungen kaufen konnten.
Frage ich meine Großmutter, die direkt nach dem Krieg geboren wurde, ob Frauen während ihrer Kindheit an der Zigarette gezogen haben, erzählt sie von ihrem Vater, der Tabak angebaut hat. „Meine Mutter hat dann immer gesagt: ‚Mann, da kannst du doch auch was anderes anbauen.‘ “ Großmutter erinnert sich, dass in ihrer Familie nur die Männer geraucht haben. „Später dann, als die Amerikaner zu uns in die Stadt gekommen sind, da haben sie Kaugummis und auch Zigaretten mitgebracht. Das wurde dann eingetauscht.“ Nach dem Krieg haben nach und nach immer mehr Frauen zum Glimmstängel gegriffen. Und eine Generation später hatte sich das Verhältnis zwischen Frau und Fluppe sichtlich intensiviert.
Verqualmte DDR
Von meiner Mutter erfahre ich per Whatsapp: „Frauen haben zu DDR-Zeiten genauso ungezwungen geraucht wie Männer, in der Hochschule, in Kneipen, beim Laufen. Es war früher sogar weniger verpönt als heute.“ Darunter setzt sie einen Smiley mit Brille und Hasenzähnen. Weil es keinen mit Kippe gab, schreibt sie.
Die westliche postindustrielle Gesellschaft hat in den letzten Jahrzehnten immer mehr die Gesundheit als Thema für sich entdeckt. Die urbanen, fitten, sich selbst optimierenden Konsument*innen sehen darin den eigentlichen Wert des Lebens. Was das für den weiblichen Körper bedeutet, beschreibt die Medizinhistorikerin Barbara Duden. In ihrem Buch Der Frauenleib als öffentlicher Ort. Vom Missbrauch des Begriffs Leben geht sie der Frage nach, wann der Frauenkörper, vor allem der einer Schwangeren, zu einem Ort geworden ist, über den die gesamte Gesellschaft bestimmt. Moderne Techniken des Vermessens und Hineinschauens, wie das Ultraschallbild, nähmen der Frau die Hoheit über das Innere, so Duden. Das, was vorher unsichtbar war, trete nun ins Licht, könne nun erforscht werden. Und die Schwangere werde zur Patientin degradiert und beratungsbedürftig.
Seitdem der Fötus im Bauch vor der Geburt betrachtet werden kann, nimmt auch die Ratschlagliteratur zum Thema Schwangerschaft zu. Gleichsam setzt sich die allgemeine Annahme durch, eine Frau habe dieses und jenes zu tun. Wir wissen mittlerweile, dass Rauchen für Frauen schädlicher ist als für Männer. Dass es die Fruchtbarkeit beeinträchtigt und Schäden an Embryonen anrichten kann. Immer mehr Frauen nehmen sich dieses Wissen auch zu Herzen. Aus dem Drogen- und Suchtbericht 2018 der Drogenbeauftragten der deutschen Bundesregierung geht hervor, dass sich der Anteil der Mütter, die während der Schwangerschaft rauchen, in den letzten zehn bis 15 Jahren halbiert hat.
So schwierig auch der Paternalismus ist, dem Schwangere ausgesetzt sind, wie es Duden beschreibt – sie tragen die Verantwortung für einen anderen Körper. Ein Kampf gegen die Ratschläge zum Nichtrauchen ist nicht feministisch, sondern richtet sich gegen das Kind.
Was früher als Akt der Emanzipation angesehen war, gilt heute, fast 100 Jahre später, als gesundheitsgefährdend. Grauen Qualm auszustoßen, war früher vielleicht mal rebellisch und sogar feministisch. Denn an das Rauchen waren soziale Normen und Geschlechtszugehörigkeiten gebunden. Heute hingegen haben sich Konnotation und Kontext so gewandelt, dass das Rauchen, nicht zu Unrecht, als gesundheitsgefährdend, selbstzerstörerisch, manchmal auch egoistisch eingestuft wird. Aber auch hier spielt das Geschlecht weiterhin eine Rolle. Frauen werden heute immer noch etwas mehr für ihre Entscheidung, rauchen zu wollen, gescholten. Nicht nur, wenn sie schwanger sind, sondern auch in ihrer Rolle als Mutter. Eigentlich sollte jeder Mensch, egal welchen Geschlechts, selbst entscheiden können, wann er oder sie sich welchen Giftstoffen aussetzt. Dabei sollte er oder sie nur keinem anderen schaden. Das gilt für Mütter auf dem Spielplatz, aber genauso für werdende Väter, die neben ihrer schwangeren Freundin rauchen.
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