Von fast allen Seiten prasselt derzeit Kritik hernieder auf den Berliner Senat, der einen mehr oder minder radikalen Mietendeckel plant. Ein Argument machen die Kritikerinnen dabei besonders stark: Private Kleinvermieter wären demnach die Hauptleidtragenden des Gesetzes. Denn im Unterschied zu Großanlegern investieren sie ihr Geld, um ihr Einkommen aufzubessern und Altersarmut zu verhindern. Der Mietendeckel könnte also die Finanzplanung dieser Kleinvermieter gewaltig durcheinanderbringen.
Doch stimmt das? Wie groß ist eigentlich die Zahl der Privatvermieterinnen, die von einer solchen Maßnahme getroffen würden? Und in welchem Ausmaß wären ihre ursprünglichen Rendite-Erwartungen oder sogar ihre Altersvorsorge in Gefahr?
Zunächst: Beim Mietendeckel handelt es sich um eine landesrechtliche Regelung. Bislang liegt nur in Berlin ein Gesetzentwurf vor. Darum können Aussagen über die möglichen Auswirkungen des Mietendeckels nur auf die Struktur des Berliner Mietmarkts bezogen sein. Generell fällt jedoch auf, dass Kleinvermieter in großen Städten unterrepräsentiert sind, weil Wohnungsgesellschaften dort ihre Größenvorteile besser ausnutzen können.
In Berlin macht der Anteil privater Kleinvermieter an allen privaten Haushalten nur rund fünf Prozent aus, eine signifikant niedrigere Quote als bei den westdeutschen Flächenländer im Durchschnitt (10,31 Prozent). Börsennotierte Wohnungsunternehmen haben einen Marktanteil von etwa zwölf Prozent am Berliner Mietwohnungsbestand (bundesweit liegt ihr Marktanteil nur bei circa 3,8 Prozent). Der Anteil der Kleinvermieter im Mietwohnungsbestand dürfte zwischen 40 und 50 Prozent liegen – allerdings sind das immer noch lediglich rund fünf Prozent aller privaten Haushalte in Berlin, die diese Wohnungen besitzen.
Jene börsenplatzierten Wohnungsunternehmen sind zum Großteil aus Private-Equity-Gesellschaften entstanden, die in den frühen 2000er Jahren Wohnungsbestände von Industrieunternehmen, von privaten Eigentümern und von der öffentlichen Hand aufkauften.
Strich durch die Rechnung
Letzteres geschah übrigens mithilfe der damals mitregierenden Linkspartei, die mit Gregor Gysi (2002) und Harald Wolf (2002 – 2011) jahrelang den Posten des Wirtschaftssenators einnahm. Auf diese Weise entstanden Wohnungsgesellschaften wie die Vonovia mit knapp 400.000 Wohnungen, die Deutsche Wohnen mit mehr als 160.000 Wohnungen und die LEG mit rund 130.000 Wohnungen.
Heute strömen deutsche und internationale Investmentgesellschaften (wie etwa Blackstone) in deutsche Großstädte. Sie erwerben Kaufhäuser, Bürogebäude und Wohnungsbestände. Laut Immobiliendienstleister JLL flossen allein 2018 3,11 Milliarden Euro an institutionellen Investitionen in den Berliner Wohnungsmarkt, europaweit das höchste Transaktionsvolumen.
Dieser Strom von Großinvestorinnen hat einen Beitrag geleistet zu den Mietpreissteigerungen der vergangenen Jahre. Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft zeigt, dass es seit 2013 besonders starke Mietpreiszuwächse bei privaten Eigentümern gibt. Mieten in kommunalen Wohnungen sind dagegen kaum gestiegen.
Zugleich gibt es Kleinvermieterinnen, denen der Mietendeckel einen Strich durch die Rechnung machen wird. Menschen, die in den vergangenen Jahren eine Wohnung zu den aktuell hohen Kaufpreisen erworben und mit Mieten von zehn Euro pro Quadratmeter und mehr gerechnet haben, werden voraussichtlich umdisponieren müssen, falls das Gesetz in Kraft tritt.
Zwar können Eigentümer einen Härtefallantrag stellen, wenn die zulässige Miete auf Dauer zu Verlusten auf Seiten der Vermieterinnen oder Substanzgefährdung der Mietsache führt. Allerdings sind alle Gründe, die im Verantwortungsbereich der Vermieter liegen, von dieser Regelung ausgeschlossen. Das bedeutet, dass auch die aus dem Abbezahlen eines Kredits entstandenen Probleme, die wohl viele Vermieter betreffen würden, nicht unter die Härtefallregelung fallen. Es wird also Verlierer unter den Kleinvermieterinnen geben.
Auch wenn es dramatisch klingt, lohnt es sich auch hier, weiterzufragen: Wer sind diese Kleinvermieter, die in den vergangenen Jahren Wohnimmobilien in Berlin erworben haben? Und haben sie ein Recht auf Rendite aus dem Wohnungsmarkt?
Auf die erste Frage gibt es keine klare Antwort. Mit Blick auf die Preisentwicklung ist aber anzunehmen, dass Menschen, die in den letzten Jahren eine oder mehrere Wohnungen in Berlin gekauft haben, über finanzielle Mittel verfügen und sich zusätzlich für Fremdfinanzierung qualifizieren.
Wohnung als Kapitalanlage
Wenn sie Wohnungseigentum nicht zur Selbstnutzung, sondern als Kapitalanlage erworben haben, mussten sie aufgrund der hohen Kaufpreise mit Mieterträgen kalkulieren, die mit den alten Bestandsmieten nichts zu tun hatten.
Das hat zur Verdrängung von bisherigen Mieterinnen geführt und die Gentrifizierung beschleunigt. Ein Vorgehen, das auf potenziellen Neuvermietungsmieten oder Mietsteigerungen basiert, geht immer ein Risiko ein, denn es gibt keine Garantie für Höchsterträge. Außerdem erscheint fraglich, ob die Alterssicherung der einen mit den oftmals kleinen Löhnen und Renten der anderen finanziert werden sollte.
Ist Wohneigentum als Altersvorsorge überhaupt sinnvoll? Eine selbstgenutzte Eigentumswohnung kann, wenn sie abbezahlt ist, Menschen mit niedrigen Renten finanziell entlasten. Allerdings ist auch das Wohnen in einer selbstgenutzten Immobilie mit Kosten für Hausgeld, Grundsteuer oder Instandhaltung verbunden.
Der Mietendeckel ist für die Altersvorsorge also irrelevant, wenn keine Miete zu zahlen ist. Das Gegenteil ist der Fall, wenn Mieteinnahmen ein zusätzliches Einkommen im Alter einbringen sollen. Das Argument für Wohneigentum als Mittel gegen Altersarmut beruht auf einer Dichotomie, die eine neoliberale Marktlogik reproduziert. Zudem basiert der Erfolg dieser investitionsgetriebenen Altersvorsorge auf der ständigen Wertsteigerung der Anlage, was wiederum über Miet- und Kaufpreissteigerungen und daraus resultierende räumliche Polarisierung wachsende gesellschaftliche Ungleichheiten bewirkt.
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