Fragile Menschlichkeit

Holocaust Ja, Deutschland hat zuletzt vieles richtig gemacht, aber nun ist es an der Zeit, unsere Rituale des Erinnerns zu überdenken
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 04/2020
Erinnerungskultur ist auch in Deutschland längst Identitätspolitik
Erinnerungskultur ist auch in Deutschland längst Identitätspolitik

Foto: Sean Gallup/Getty Images

Im „Dritten Reich“ war Menschlichkeit eine Schwäche, die es zu überwinden galt. „Wir werden die letzten Schlacken unserer Humanitätsduselei ablegen“, versprach Fritz Sauckel, Gauleiter in Thüringen und Generalbevollmächtigter für Millionen nach Deutschland verschleppter Zwangsarbeiter. Sauckel gehörte zu den Hauptkriegsverbrechern von Nürnberg, wo auf Initiative des Völkerrechtlers Hersh Lauterpacht „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ geahndet wurden. Lauterpacht selbst hatte fast seine ganze Familie verloren.

Menschlichkeit musste in Deutschland nach 1945 erst wieder erlernt werden, ebenso wie das Verständnis darüber, was ein Verlust derselben bedeutet. Vor vier Jahren erklärte die Literaturwi