"Die Debatte erreicht ein anderes Niveau"

Deutsche Slutwalks Künstlerin Ulrike Rosenbach, die sich seit den Siebziger Jahren mit dem Bild des Frauenkörpers in der Öffentlichkeit beschäftigt, sieht in den Slutwalks eine Chance

Seit Wochen gibt es Diskussionen, Streits und Gespräche über sogenannte Slutwalks (Schlampenmärsche), neue Ansichten und alte Reflexe wurden ausgetauscht, viele Fragen konnten noch nicht abschließend geklärt werden. Am morgigen Samstag nun ist es soweit: Slutwalks werden durch verschiedene deutsche Städte ziehen. Geplant sind die Demonstrationen gegen Vergewaltigungsmythen und Victimblaming unter anderem in Berlin, Bremen, Frankfurt, Hamburg, Köln, Leipzig, München, Stuttgart und den Ruhrgebiet. Der Großteil der Demonstrationen startet um 15 Uhr, in Berlin ist der Startpunkt am Wittenbergplatz. Alle Orte, Treffpunkte und Zeiten, genauere Informationen und Links finden sich auf der Übersichtsseite zum SlutwalkUnited.

Viel wurde über Sinn und Unsinn eines solchen "Schlampenspaziergangs" gesprochen. Die Künstlerin und Professorin für Medienkunst Ulrike Rosenbach hält dies "für eine sehr spaßige Form des Protests, die die ganze Debatte auf ein anderes Niveau bringt", sagte sie dem Freitag. Rosenbach, geboren 1943, beschäftigt sich seit den siebziger Jahren mit dem Bild des Frauenkörpers in der Öffentlichkeit. "Das enthebt das ganze der Agitation, wie sie in den Siebziger Jahren üblich war. Dieses Konzept 'Mein Körper gehört mir und ich kann damit machen was ich will' stammt ja aus der Girlie-Bewegung in den neunziger Jahren und darauf scheint auch dieser Protest zu beruhen. Unsere Gesellschaft ist so konditioniert, dass den Körper zu zeigen immer auch sexuelle Bereitschaft signalisiert. Eine Bewusstmachung und vielleicht auch Dekonditionierung zu erreichen, wäre doch ein tolles Ziel, das auch erreicht werden kann.”

Sicher ist: Ein Slutwalk kann keine Lösung sein, sondern nur einen Stein ins Rollen bringen. Was sich daraus dann ergibt, wird sich zeigen, offenbar ist jedoch, dass bisher ein recht einseitiges Bild von Zielen und Form des Protestes gezeichnet wird. Ein großer Teil der Debatten, auch beim Freitag offenbart, dass vielen bis jetzt nicht klar ist, wofür konkret die Demonstranten und Demonstrantinnen auf die Straße gehen.

Das liegt zu einem großen Teil an der bisherigen Berichterstattung. Sieht man fast ausschließlich Bilder von halbnackten Frauen, ist es leicht zu denken, dass es in erster Linie um ein Recht auf Sexyness geht. Doch statt einem “Walk” von Schlampen, leichtbekleideter Frauen mit "loser Sexualmoral", handelt es sich vielmehr um eine Demonstration, die sich auf das Konzept der Schlampe bezieht, darauf, dass Frauen als solche gebrandmarkt werden. Es gibt weder eine Kleiderordnung, noch werden ausschließlich junge Frauen angesprochen. Auch Männer sind nicht nur erlaubt, sondern eindeutig erwünscht, ist es doch auch in ihrem Sinne, nicht nur auf triebgesteuerte Tiere reduziert zu werden, die “gar nicht anders können”, als sich auf leichtbekleidete Frauen zu stürzen. So sind die Demonstrationen, die im April in Toronto ihren Anfang genommen haben und seit dem in verschiedenen Städten auf der ganzen Welt stattfanden, genau so bunt, wie jeder andere, zu jedem anderen Thema, mit Teilnehmern in Alltagskleidung und Slogans auf Protestplakaten.

Rosenbach hält die einseitige mediale Darstellung für ganz normal: “Natürlich stürzen sich die Medien weniger auf die Inhalte als eben auf das gebrochene Tabu und zeigen vor allem Bilder von leichtbekleideten 'Schlampen'.”
Ob das nicht dem ganzen Protest schadet? "Dass es als billige Provokation missverstanden wird und somit vielleicht sinnlos ist, ist natürlich immer die Gefahr." Auch daran ist in ihren Augen die Wertekonditionierung schuld. Davon solle sich aber niemand vom Demonstrieren abhalten lassen: “Wenn die Teilnehmerinnen Spaß an der Sache haben, es also einen inneren Wert hat, dann ist es richtig das zu tun.”

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Geschrieben von

Sarah Rudolph

neugierig, laut, wirr. // chaotic as usual

Sarah Rudolph

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