Und Huntington hatte Recht ...

Anti-Islam-Film Sie zerstören. Sie brennen nieder. Sie töten. Die Massen in Libyen, dem Sudan, in Afghanistan und Tunesien laufen Amok

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Sie lassen dabei eins erkennen: ihre selbstverschuldete Unmündigkeit. Anstatt sich gegen die Tötung der Religionsbrüder in Syrien zu stellen, lässt sich ein gesamter Kulturkreis gegen den Westen aufhetzen. Huntington hatte also Recht.

„Das Leben des Brian“ hatte 1979 im Westen viel Kritik unter jüdischen und christlichen Vertretern hervorgerufen. Diese äußerte sich in mahnenden Worten und Aufrufen zum Boykott des Kinofilms. Sie blieb gewaltfrei. Das war und ist der Kern von Kritik. Denn Kritik ist ein zentrales Ergebnis rationalen Denkens, im Endeffekt ein Kind der Aufklärung. Und so kann man den Film auch als billig, geschmacklos, unpassend, ehrverletzend oder einfach schlecht kritisieren.

Doch der Mob in den islamischen Ländern, angeführt von den Imamen, übt keine Kritik. Er will Bestrafung. Bestrafung für einen Film, der – produziert auf der anderen Seite der Erde – gegen totalitäre und unaufgeklärte Grundsätze im islamischen Kulturkreis verstößt. Bestraft werden dafür vor allem Unbeteiligte durch Selbstjustiz. Das totalitäre Denken, das im islamischen Kulturkreis stark verbreitet ist, widerspricht damit einem Kern der westlichen Kultur: der Meinungsfreiheit in Wort, Bild und Schrift. Das ist die Differenz zwischen den beiden Kulturkreisen, die von naiven Akademikern und ZEIT-Lesern immer wieder abgestritten wird.

Die selbstverschuldete Unmündigkeit

Es sind eben nicht nur die Extremisten gewesen, die Salafisten oder Dschihadisten, die die Botschaften stürmten und Flaggen verbrannten. Es waren ganz normale Bürger in Jeans und Turnschuhen, denen eingeredet wurde, sie müssten sich gegen ein YouTube-Filmchen wehren und dazu zur Waffe greifen. Sie wurden aber nicht benutzt, sie sind keine Opfer, wie es die Medien – beispielsweise Jakob Augstein in seiner neuesten Kolumne – schreiben. Sie haben sich benutzen lassen. Sie haben sich nicht aus ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit befreit. Ganz im Gegenteil sogar: immer mehr unterwerfen sie sich einem totalitären Diktat religiöser und politischer Führer. Die Freiheit, die der arabische Frühling ihnen brachte, haben sie nicht genutzt.

Während also in der islamischen Welt Diktatoren ihre Völker abschlachten, beschäftigt sich der Großteil dieser Welt damit, sich anhand eines Amateurfilms im Internet vom Westen abzugrenzen und die eigene Identität zu bilden. In diesem Zusammenhang werden dann weitere Abgrenzungen gegenüber der westlichen Welt mit in den Topf geschmissen. Symptomatisch dafür war die öffentliche Anschuldigung des sudanesischen Außenministeriums, dass die deutsche Kanzlerin es zuließe, dass „Pro Deutschland“ bei Aufmärschen Mohammed-Karikaturen zeigen dürfe. Die Zerstörung der deutschen Botschaft in Karthum ist darauf zurückzuführen. Immer weiter wird so ein WIR gegen DIE auf Kosten des Westens konstruiert.

Es gibt keine Universalkultur

Und immer mehr müsste dem Westen dabei bewusst werden, dass es keine universelle Weltkultur gibt, wie Huntington es schon feststellte. Demokratie, Menschen- und Frauenrechte, die Meinungsfreiheit inbegriffen, sind Errungenschaften des Westens. In anderen Kulturkreisen sind sie nicht oder nur sehr selten anwendbar, weil sie mit dortigen – meist unaufgeklärten – Grundsätzen und Gesetzen kollidieren. Aber wie sollen wir uns dann in unserer globalisierten Welt verhalten?

Wenn wir Menschenrechte gut und wichtig finden, dann können wir andere Staaten dafür kritisieren, dass sie diese verletzen. Wenn wir unsere Aufklärung gut finden, dann können wir auch andere Menschen dafür kritisieren, dass sie sich nicht aus ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit befreit haben. Wenn wir allerdings denken, diese Kritik sei arrogant, weil nur aus unserem Blickwinkel gerechtfertigt, dann sehen wir die Welt ja von vorne herein in verschiedene Kulturkreise eingeteilt. Dann verbietet sich allerdings auch eine Einmischung durch Entwicklungshilfe oder eine militärische humanitäre Intervention. Denn es wäre ja arrogant, in Libyen oder Syrien einzugreifen, nur weil wir denken, wir wüssten, wer von den Konfliktparteien im Recht ist.

Trotzdem haben wir eine Meinung. Das Normative wohnt uns inne. Wir wissen, wie wichtig die Achtung der Menschen- und Frauenrechte ist, wie toll es ist, an politischen Prozessen teilzuhaben. Deshalb wollen wir auch, dass andere Menschen das erleben können. Und umso mehr sollten wir unsere Errungenschaften seit der Aufklärung bei uns selber verteidigen und uns nicht von Gewalt einschüchtern lassen. Denn Anlässe für Wut und Hass sind immer subjektiv, vor allem die religiösen Gefühle der Menschen. Wo fängt Provokation und Hetze an, wo hört Meinungsfreiheit auf?

Meinungsfreiheit versus Hetze

Im Westen gibt es nach den satanischen Versen von Salma Rushdie, dem Leben des Brian und den Karikaturen in Dänemark eigentlich einen common sense: Die Meinungsfreiheit geht sehr weit. Denn die Gläubigen müssen das Buch ja nicht lesen, den Film nicht gucken. Wenn die Bundeskanzlerin also meint, der Film kann nicht wegen Volksverhetzung verboten werden, sollte sie es auch nicht anderweitig tun. Wenn sie es wegen der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit tut, kapituliert sie vor der Gewalt.

Doch diese Gewalt ist eine unaufgeklärte, totalitäre Gewalt, die zur Identitätsbildung des islamischen Kulturkreises, der Abgrenzung zum Westen dienen soll. Die naive Entschuldigung von Gewalttaten in anderen Ländern dieser Erde mit Verweis auf ihre kulturellen Eigenheiten, wie sie von Politikern und Medien betrieben wird, führt in eine Sackgasse. In einer zivilisierten Kultur kann Gewalt nie ein Mittel der Konfliktbewältigung sein. Da wir uns darin einig sind, sollten wir sie uns auch nicht von anderen Kulturkreisen aufzwingen lassen. Wenn der Westen also zu seinen Werten, ja zu der Aufklärung stehen will, muss er eine klare Antwort geben. Die kann nur lauten: sapere aude!


Der Artikel ist zuerst erschienen auf Theatrum Mundi

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Geschrieben von

MisterManta

Vordenker, Nachdenker, Blogger und Mitglied der EU

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