Wir Habsburger

Europa Er war Österreicher, sprach Tschechisch und Deutsch, lernte fleißig Hebräisch und schwärmte auf Jiddisch. Ist Kafka der Erzähler für die EU von heute?
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 12/2019
Wir Habsburger

Illustration: Susann Massute für der Freitag

Wer an der Grunewaldstraße 23 im Berliner Stadtteil Steglitz vorbeikommt, wird stutzig werden bei der Tafel an der Fassade des Gebäudes mit den dunkelgelben Klinkersteinen. Sie erinnert an einen prominenten Bewohner: „Der österreichische Dichter Franz Kafka“, kann man da lesen, „wohnte in diesem Hause vom 15. November 1923 bis zum 1. Februar 1924.“ Kafka, ein Österreicher?

Falsch ist das nicht: Kafkas Geburtsstadt Prag war bis zum Ende des Ersten Weltkriegs 1918 Teil der Habsburgermonarchie. Die Hauptstadt des Königreiches Böhmen, deren Staatsoberhaupt Kaiser Franz Joseph I. war. Kafkas Namenspatron, sagt Kafka- Biograf Reiner Stach.

Kafka lebte den längsten Teil seines Lebens in einem Vielvölkerstaat. Erst 1918 wurde er Tschech