Die Krise als Neuorientierung

Corona Eine Vision für eine Zeit nach der Corona-Krise

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Ich habe die Vision von einem Land, in dem wir durch Vogelgezwitscher und nicht durch Autolärm geweckt werden. Von einem Land, in dem die Luft, die wir atmen, wieder sauber und nicht von Smog geschwängert ist. Von einem Land, in dem Fische in die Kanäle der Städte zurückkehren. Ich habe die Vision von einem Land mit weniger Flugzeugen und mehr freiem Himmel, auf dem nur die Wolken ziehen, ohne Kerosin auszuschütten.

Ein neues Miteinander

Ich habe die Vision von einem Land, in dem die Nachbarn von Balkon zu Balkon miteinander reden. Von einem Land, in dem aufeinander zu schauen wichtiger ist als persönliche Bequemlichkeit. Von einem Land, in dem Obdachlose freie Betten in Hotels angeboten bekommen. Ich habe die Vision von einem Land, in dem wir Ältere, Kranke und Hilfsbedürftige unterstützen und in dem Nachbarschaftsinitiativen blühen. Ich träume von einem Land, in dem wir miteinander singen statt über die Grenze des Gartenzauns vor Gericht zu ziehen.

Ein neues Wirtschaften

Ich habe die Vision von einem Land, in dem ein Weniger an Konsum nicht gleichzusetzen ist mit einem Verlust an Lebensqualität. Von einem Land, in dem die Bedeutung von regionaler Landwirtschaft stärker ins gesellschaftliche Bewusstsein rückt. Ich träume von einem Land, in dem auch kleine Unternehmen Wertschätzung erlangen, ohne dass sie besonders viel zum staatlichen Steuersystem beitragen. Doch sie sind die Stütze für unser Bedürfnis nach Kunst und Kaffeehauskultur, nach ganzheitlicher Gesundheit und Sport.

Ich habe die Vision von einem Land, in dem die Regionalität der Wirtschaft und die regionale Versorgung zumindest mit den alltäglichen Grundbedürfnissen wieder ins Zentrum des Denkens rückt. Glokalität wird in meiner Vision zu einem neuen Weg: Lokalität in der Globalisierung.

Eine neue Gesellschaft

Ich habe die Vision von einem Land, in dem Wirtschaftswachstum und neoliberale Globalisierung nicht die einzige gesellschaftliche Mitte ist. Von einem Land, in dem Politik Verantwortung und Dienst am Gemeinwohl – und nicht Wahlergebnisse und Populismus – bedeutet. Ich träume von einem Land, in dem die Supermarktkassiererinnen, die Krankenschwestern, die 24-Stunden-Pflegerinnen, die Erntehelfer und die Müllabfuhr wirklich in unseren Fokus rücken und wir unsere Gesellschaft so gestalten, dass sie für alle ein würdevolles Leben ermöglicht.

In diesem Land leben wir jetzt. Wollen wir auch nach der Corona-Krise in einem solchen Land leben?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Melanie Lanner

Soziologin, Master in Gender Studies

Melanie Lanner

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden