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Bayern Horst Seehofer ist seit fast fünfzig Jahren in der Politik – jetzt fällt ihm auf, dass dort mit harten Bandagen gekämpft wird. Seine Reaktion: Selbstmitleid

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Horst Seehofer vermisst zuweilen Samthandschuhe
Horst Seehofer vermisst zuweilen Samthandschuhe

Foto: Joerg Koch/Getty Images

Was passiert, wenn ein Mann mit hauchdünner Haut Bundesinnenminister und Vorsitzender einer 140.000-Mitglieder-Partei ist, lässt sich dieser Tage aus erster Reihe besichtigen. Aufgeführt wurde dieses Schauspiel zum Beispiel letzte Woche im oberbayrischen Töging am Inn, als sich Horst Seehofer in rustikaler Atmosphäre unter anderem über die Berichterstattung über ihn mit dem Tonfall eines Mannes erboste, der zum ersten Mal in seinem Leben eine Kränkung erfahren hat.

Zur Erinnerung: Seehofer, der mit der Einwanderungspolitik der Kanzlerin so überhaupt gar nicht einverstanden war, hat Anfang Juli einen derartigen Krawall veranstaltet, dass die eiligeren Experten das Ende der aktuellen Koalition schon am Horizont erblickten. Zurückgetreten ist der Minister zwischendurch auch mal, war aber alles gar nicht so gemeint. Das Echo, das Seehofer nicht nur aus den Medien zu seinem elefantengleichen Durchmarsch durch den Porzellanladen namens Bundesregierung erhielt, war fatal. Seitdem wird geschmollt.

Zwischendurch wahlkampft der Parteiminister (oder Innenvorsitzende) in Bayern umher und dem geneigten Beobachter stellt sich nicht erst jetzt die Frage, warum man das Bundesinnenministerium nicht schon in Kleinteilen auf einen Schwertransporter geladen und in Ingolstadt wiederaufgebaut hat. Die Ministergattin würde bestimmt Semmeln und Spezi rausbringen und nach Feierabend könnten die Beamten die ministeriale Modelleisenbahn Runden drehen lassen, die so endlos sind wie das Meer aus Selbstmitleid, in dem der Besitzer eben jener Miniatur gerade ein mehrwöchiges Bad nimmt.

Bei seinem Auftritt in Töging stellte er sich als der vor, den man „den bösen Seehofer, Mörder, Terrorist und Rassist“ nenne, von einer „Kampagne“ gegen sich hatte er schon Wochen vorher in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen gesprochen. So virtuos spielt der 1,93-Mann momentan die kleinste Violine der Welt - man könnte glauben, Beaker aus der Muppetshow wäre am Kabinettstisch zuständig für Geheimdienste und Polizei. Als Breitseite gegen alle Medien möchte er seine Äußerungen natürlich nicht verstanden wissen, sondern nur gegen die, die ihn „diffamierten“. Wozu auch die Ankündigung passt ganz gut passt, dass der Minister in naher Zukunft, was sollte da schon schiefgehen, einen eigenen Twitter-Account erhalten wird.

Dort könnte er dem interessierten Bürger dann auch seine neuesten Erkenntnisse zum politischen Betrieb in Deutschland präsentieren: Im Rampenlicht wird man nicht immer mit Samthandschuhen angefasst, Medien berichten bisweilen kritisch, Politik ist nicht immer fair. Wie schön, dass Horst Seehofer nur 47 Jahre CSU-Mitgliedschaft, drei Bundesministerposten und eine fast zehnjährige Amtszeit als Parteivorsitzender und Ministerpräsident gebraucht hat, um das zu bemerken.

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Geschrieben von

Mo Eckert

Schreibt und studiert in Berlin. Bisher u. a. Tagesspiegel und TONIC-Magazin.

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