Drei Deutschlandreisen

Bücher Zur Vorbereitung aufs oder als Alternative zum Wandern.

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Bücher über Wanderungen durch Deutschland gibt es wie Wanderwege in diesem wanderfreudigen Land: an jeder Ecke schon einen, und trotzdem werden jeden Monat neue eröffnet. Aber drei dieser kürzlich erschienenen Bücher habe ich mir mal für Euch angesehen.

Der ZEIT-Journalist Henning Sußebach hat es sich in Deutschland ab vom Wege zur Aufgabe gemacht, abseits der Städte und sogar abseits von Straßen von Nord nach Süd zu wandern. Was wie ein ökologisch motivierter Trip auf der Suche nach unversiegelter, unbetonierter Fläche beginnt, wird zu einer Entdeckungsreise des flachen Landes, der Provinz und der Menschen in diesen Dörfern.

Hier begegnet Sußebach den Menschen, die ansonsten nie als Einzelpersonen, sondern als Protestwähler, Abgehängte oder Jammerossis auftauchen. Beeindruckend, erhellend und auch motivierend finde ich, wie offen Sußebach für die Sichtweisen von Menschen ist, mit denen er politisch oder weltanschaulich nicht viel gemein hat. Niemals ist er abwertend, nicht einmal bewertend.

Von Nord nach Süd wird Deutschland etwas unfreundlicher und in Bayern dann regelrecht kommerziell. Wo man Wanderer als Touristen gewöhnt ist, scheint es nicht (mehr) üblich zu sein, Fremde einfach so zum Abendessen hereinzubitten oder ihnen gar ein Bett anzubieten.

Ein ruhiges, nachdenkliches, schönes Buch, das mir Lust darauf gemacht hat, auch mal unsere deutsche Provinz kennenzulernen. Und wieder habe ich gemerkt, dass ich den Osten Deutschlands weniger kenne als viele andere Länder.

Auf die wichtigste Frage, die ich nach der Lektüre von Deutschland ab vom Wege hatte, antwortete der Autor übrigens prompt - aber leider negativ:

Eingebetteter Medieninhalt

Trotzdem bleibe ich ein eifriger Spaziergänger, teils aus Notwendigkeit, weil ich kein Auto habe, aber auch, weil ich gemerkt habe, dass es die intensivste Art ist, die Umwelt zu beobachten. Uli Hauser, Journalist beim Stern, sieht es zudem als "Widerstandsakt gegen eine Form von Ungeduld und Geschwindigkeit, die mir zunehmend auf den Geist geht".

Auch er ging von Nord nach Süd: von Hamburg nach Rom. Sein Buch Geht doch! handelt etwas weniger von dem durchwanderten Land, als vielmehr von der positiven Wirkung des Gehens selbst, wie schon der Untertitel Wie nur ein paar Schritte mehr unser Leben besser machen verrät.

Der anfängliche Rat des Autors könnte meiner Anleitung entnommen sein: "Gehen ist keine Zauberei: Man braucht dafür keine Warnweste und keine bunten Schuhe, auch keine Extrahose mit Leuchtstreifen." Leider wird Hauser dann zunehmend besessen, was seinen Gang und die Gehwerkzeuge angeht, und verbringt immer mehr Zeit bei Schuhmachern, in Schuhgeschäften, bei Orthopäden und bei Gehtrainern, schreibt über Klumpfuß, Stoßdämpfung, Faszien und Einlegesohlen. Das nimmt einen zu breiten Raum im Buch ein. (Wer davon überrascht ist, dass Gehen die Füße beansprucht und dass eine Wanderung von mehr als 1000 km anstrengend ist, sollte diese Überraschung vielleicht besser für sich behalten. Bei Sußebach kann ich mich nicht daran erinnern, dass er einmal gejammert hätte. Andere Schriftsteller gingen durch ganz Europa, ohne sich einmal dazu herabzulassen, über eine Blase oder eine wundgelaufene Ferse zu schreiben.)

Dennoch gebe ich auch für Geht doch! eine Empfehlung ab. Schon allein wegen der Sprache. Genauso pedantisch, wie Hauser gerne den perfekten Schuh entwerfen würde, hat er an diesem Buch geschliffen, bis jeder Satz sitzt und jedes Wort wirkt. Außerdem sind einige der thematischen Ausflüge durchaus interessant, zum Beispiel auf der Altstraßenkarte von Professor Dietrich Denecke, die noch Standorte von Galgen oder die Orte zum Pferdewechseln markiert, oder dem "Raißbüchlin", dem ersten deutschen Reiseführer von 1563.

Das dritte Buch gehört keinesfalls mit auf die Wanderung. Nicht weil es schlecht wäre, sondern weil es ein 1,6 kg schwerer, prächtig gestalteter Band ist, den man eher kapitelweise während der Winterpause vor dem Kamin liest: Das Buch der Deutschlandreisen.

Mit dieser Anthologie reist man nicht nur geographisch, sondern auch historisch durch Deutschland, von Cäsar und Tacitus über Montesquieu, Hume, Stendhal, Twain und Fermor bis zu Frisch, Forsyth, Noteboom und Stasiuk. Auch unbekanntere Autoren sind dabei, bzw. Menschen, die eher für anderes als für ihre Deutschlandbeobachtungen bekannt sind, wie der Schah von Persien (es geht um den Besuch von 1873, nicht den von 1967) oder John F. Kennedy (es geht um seine Deutschlandreise als Student, nicht als Präsident). Aber allesamt sind es Ausländer, die als Besucher auf unser Land blicken.

Das Buch ist opulent gestaltet und hochwertig verarbeitet, mit Karten, Zeichnungen, Stichen oder Fotos auf fast jeder Seite. Ein Genuss für Bibliophile und perfekt zum Schmökern. Dabei geht es keineswegs nur um das romantische Schloss- , Schwarzwald- und Wanderdeutschland, sondern auch um Kriege, Politik und die Berliner Mauer.

Aufgrund des Preises von 48 Euro ist Das Buch der Deutschlandreisen wohl eher etwas für Geburtstage oder Weihnachten. Aber wenn Ihr es verschenken wollt, bestellt es sicherheitshalber ein paar Monate vor dem Fest, um ausreichend Zeit für die eigene Lektüre zu haben.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Andreas Moser

Nach Abschlüssen in Jura und Philosophie studiere ich jetzt Geschichte, ziehe um die Welt und schreibe darüber.

Andreas Moser

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