Gefängnis für Schriftsteller

Rumänien Eine andere Art der Literaturförderung

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Blogger schreiben nicht deshalb nicht, weil ihnen nichts einfällt. Wenn dem so wäre, wären sie nie auf die Idee verfallen, die nichtsahnend durchs Internet streunende Restbevölkerung mit ihren ungefragt geäußerten Gedanken zu behelligen. Sie schreiben deshalb nicht, weil sie keine Zeit, keine Ruhe oder kein Geld haben. Der Mangel an letzterem führt nämlich dazu, seine Zeit anderweitig verkaufen zu müssen und statt für den Bachmannpreis für querulatorische Mandanten schreiben zu müssen.

Wenn Schreibende der nicht fest bezahlten Art sich treffen, fällt früher oder später der Satz „Man müsste mal ein halbes Jahr im Gefängnis sitzen, um ungestört schreiben zu können.“ Als jemand, der tatsächlich schon in einer dieser Einrichtungen war – wenn auch nur eine Woche, in der ich außerhalb der Verhöre keinen Zugang zu Papier und Stift hatte, und die Zeit deshalb nicht dergestalt nutzen konnte -, fand ich das immer etwas unangemessen.

Aber Rumänien hat diesen Schriftstellertraum wahrgemacht und gibt sogar noch Anreize zu sich schriftlich äußernder Kreativität. Wer in rumänischen Gefängnissen einsitzt, kann seine Haftzeit verkürzen indem er schreibt und publiziert. 30 Tage Haftverschonung pro wissenschaftlicher Arbeit. Und die Gefangenen schreiben tatsächlich. Im Jahr 2014 wurden 76 Bücher von Inhaftierten veröffentlicht, oftmals mehrere vom gleichen Autor. Plötzlich werden die Betrüger, Geldwäscher, Bestecher und Bestochene also kreativ.

Wenn Betrüger kreativ werden, geht das aber erwartungsgemäß über das eigentliche Schreiben hinaus. Wie schon bei der Anfertigung ihrer Diplom- und Doktorarbeiten heuern sie Ghostwriter an, die Monat für Monat ein Buch raushauen. Auf Qualität kommt es dabei übrigens gar nicht an, denn es zählen nur Umfang und Anzahl der Veröffentlichungen. Der Inhalt wird nicht kontrolliert. So verwundert es nicht, dass hauptsächlich Politiker und Manager, die in Rumänien zuhauf – aber immer noch nicht ausreichend – im Gefängnis sitzen, von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Sie haben das Geld, um „wissenschaftliche Mitarbeiter“ zu beschäftigen. Ein Teil der anderen Gefangenen kann hingegen nicht einmal richtig lesen und schreiben.

Bei aller Kritik an diesem ungerechten System: Anders als unter Ceausescu wandern heute wenigstens nicht mehr die Schriftsteller ins Gefängnis, sondern Kriminelle kommen als Schriftsteller aus dem Gefängnis. Und vielleicht ist ja doch einmal ein gutes Buch dabei. Rumänien bringt nämlich literarische Talente aus den unerwartetsten Ecken hervor, wie der frühere Wirtschaftsminister Varujan Vosganian mit seinem Buch des Flüsterns bewiesen hat.

Ich schreibe diese Zeilen im Park in der Bolyai-Straße vor dem Gefängnis in Targu Mures, habe aber nicht genug Kreativität, um mir eine Straftat auszudenken, die ich spontan begehen könnte, die niemandem wirklich schadet, die bei meinem lausigen Vorstrafenregister schon zu einer Haft- anstatt einer Geld-, jedoch noch nicht zur Todesstrafe führt. Etwas Besonderes sollte es auch noch sein, denn genauso wenig wie man eine langweilige Schnulze hinrotzen will, möchte man eine Allerweltsstraftat begehen. In die Abendnachrichten oder das rumänische Äquivalent der NStZ sollte ich es schon schaffen. Zum Geburtstag wünsche ich mir ein rumänisches Strafgesetzbuch, um meine Kreativität anzuregen.

(Mehr Artikel des Autors über Rumänien.)

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Andreas Moser

Nach Abschlüssen in Jura und Philosophie studiere ich jetzt Geschichte, ziehe um die Welt und schreibe darüber.

Andreas Moser

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden