"Tyll" von Daniel Kehlmann

Literatur Naja. Ich kann den Hype nicht ganz verstehen.

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Daniel Kehlmann versetzt den bekannten Schalk Tyll Ulenspiegel, der eigentlich im 14. Jahrhundert lebte, in seinem neuen Buch Tyll in den Dreißigjährigen Krieg.

Das klingt nach einer interessanten Idee, historische Romane mag ich grundsätzlich, und die Rezensionen in Presse und Rundfunk waren sich einig voll des überschwenglichen Lobes: Brilliant, tiefgängig, vielschichtig, Realismus mit magischen Einschlägen, meisterlich, Erzählkunst, Neuerfindung des historischen Romans, sprachmächtig, sachkundig, packend, triumphal u.s.w.

Nur, bei mir stellte sich bei der Lektüre keine Begeisterung ein. Zum einen istTyll nur bei großzügiger Anwendung des Begriffs Roman ein solcher. Vielmehr ist jedes Kapitel eine Episode, in der historische Personen (Friedrich V., Elisabeth Stuart, der Jesuit Tesimond) in historischen Zusammenhängen (Hexenprozess, Schlacht bei Zusmarshausen, Prager Fenstersturz) eingeführt werden, die in der nächsten Episode dann aber getrost vergessen werden können und auch im weiteren Verlauf keine Rolle mehr spielen.

Ich habe mich durch die ersten Kapitel gemüht, aber richtige Spannung oder ein Interesse für den weiteren Verlauf entsteht nicht. Dass der angebliche Hexer hingerichtet wird, kann man sich schließlich schon im Moment der Anklage denken. Die anderen Figuren kommen eben durch das Ende des ihnen gewidmeten Kapitels um. So bleibt nicht viel Zeit – und auch kein Anlass -, eine Beziehung zu den Akteuren herzustellen.

Nur der namensgebende Klamaukbruder umklammert die Episoden lose. So lose, dass man nicht von einem Faden, schon gar nicht von einem roten sprechen kann. Vielleicht hätte dieses Konzept mit einer sympathischeren Figur funktioniert, aber Tyll Ulenspiegel ist stellenweise ein ziemlicher Kotzbrocken.

Entsprechend meiner Maxime, keine Zeit mit mir nicht zusagenden Büchern zu vergeuden, habe ich die Lektüre nach dem dritten Kapitel abgebrochen.

Vielleicht wollte Daniel Kehlmann an den Erfolg seines historischen Romans Die Vermessung der Weltanknüpfen, aber in dem gab es eine durchgehende Handlung, sympathische Personen und Humor – ein wahrliches Lesevergnügen. Von Tyllwürde ich hingegen die Finger lassen. Ich kann mir vorstellen, dass sogar einige Sachbücher über den Dreißigjährigen Krieg spannender sind.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Andreas Moser

Nach Abschlüssen in Jura und Philosophie studiere ich jetzt Geschichte, ziehe um die Welt und schreibe darüber.

Andreas Moser

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