Was machst Du an Silvester?

Leben Was soll an diesem Tag so besonders sein?

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Es scheint wieder diese Jahreszeit zu sein, in der nach den Kalendarien mancher Kulturen die Welt zu einem Ende kommt. Nein, ich meine nicht so dramatisch wie im fehlinterpretierten Maya-Kalender. Ich beziehe mich auf jene Kalender, die nur 12 Monate aufweisen und von denen man sich dann einen neuen kaufen muss. Das Unternehmen, das diesen so begrenzten Zeitraum in seinen Kalendern am 31. Dezember enden lässt, scheint besonders viele Kunden zu haben, denn gerade jetzt bekomme ich wieder häufiger die Frage gestellt: „Was machst Du an Silvester?“

Dabei habe ich noch nie verstanden, was an jenem Tag so besonders sein soll. Am Tag darauf ist auch ein Tag, genauso lang oder kurz, kalt oder warm wie der Tag zuvor.

Wie eingeengt muss ein Leben sein, in dem man das, was man machen will, auf den letzten Tag des Jahres aufschiebt? Oder geht es eher um die Langweiligkeit des Lebens? In einem halbherzigen Versuch, dieser zu entkommen, denken Leute, die 364 Tage das selbe machen, dass sie am 365. Tag mal was anderes machen sollten. Dann kommen sie auf super-spannende Aktivitäten wie sich mit Freunden treffen oder in ein Restaurant gehen. Na, das ist aber kreativ! So etwas gab es ja noch nie.

Vielleicht ist die Art, wie Menschen Silvester verbringen, doch ein gutes Symbol für ihr übriges Leben. Und so treffen sich Jahr für Jahr die gleichen Leute mit den gleichen Freunden am gleichen Ort für die gleichen Aktivitäten. Ein Jahr voller Routine klingt aus mit Routine, bevor es am nächsten Tag mit Routine weitergeht. Wenn Ihr dieses Jahr mit Euren Freunden an Silvester zusammensitzt, holt doch Eure Terminkalender für 2018 und 2019 heraus und verabredet Euch schon für die kommenden identisch zu verbringenden Jahresenden.

Was mache ich also am 31. Dezember 2017? Ich weiß nur, dass ich irgendwo in Montenegro sein werde. Was ich genau mache, kann ich zwei Wochen vorher unmöglich sagen. Ich weiß ja noch nicht einmal, wie das Wetter sein wird; geschweige denn wie ich mich fühlen werde. Vielleicht verpasse ich das angebliche Jahresende sogar, denn manchmal sehe ich einige Tage gar nicht auf den Kalender oder auf die Uhr. Wenn alle anderen um Mitternacht den Himmel und sich selbst die Birne vollknallen, schlafe ich oft schon.

Es geht mir nicht nur um die Absurdität, sein Leben von einem vor Jahrhunderten arbiträr festgesetzten Datum regulieren zu lassen. Vielmehr besorgt mich das Gesellschaftsbild, das von den Neujahrsfeiernden propagiert wird. Seine Individualität aufzugeben, blind der Masse zu folgen, immer nur das gleiche zu machen wie alle anderen – so fängt es immer an. Wer heute feiert weil alle feiern, macht morgen gedankenlos beim Völkermord mit. Heute Fasching, morgen Faschist.

Wehret den Anfängen!

Übrigens ergeben auch Neujahrsvorsätze keinen Sinn. Wenn Ihr etwas ändern wollt, könnt Ihr das genauso gut im Mai oder im Oktober machen.

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Geschrieben von

Andreas Moser

Nach Abschlüssen in Jura und Philosophie studiere ich jetzt Geschichte, ziehe um die Welt und schreibe darüber.

Andreas Moser

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