Es vergeht kein Tag, an dem man sich in der deutschen Medienlandschaft nicht über die „explodierenden“ Staatsschulden empört und auf die baldige Einhaltung der Schuldenbremse pocht. Am besten solle der Staat ohnehin nur mit dem auskommen, was er über Steuern auch einnimmt, und seine Verschuldung durch regelmäßige Tilgung langfristig zurückführen. Aber ist das überhaupt notwendig und sinnvoll? Wer sich ein wenig mit der Materie auseinandersetzt, bemerkt schnell, dass solcherlei Forderungen vollkommen unsinnig sind und der gesamten Volkswirtschaft eher schaden als nützen.
1) Staaten tilgen ihre Schulden nicht, sondern lösen auslaufende Kredite einfach durch neue ab. Die Bundesrepublik Deutschland hat seit ihrer Gründung nach dem Zweiten Weltkrieg in lediglich fünf von 71 Jahren ihre nominale Staatsverschuldung durch Tilgung faktisch verringert – in allen anderen Jahren stieg das Staatsdefizit. Auch die USA haben seit 1914 in so gut wie jedem Jahr (mit Ausnahme jeweils der ersten Nachkriegsjahre) nominal neue Schulden aufgenommen und seit 1950 keinen einzigen Kredit mehr getilgt. Wenn eine steigende Staatsverschuldung statistisch gesehen also etwas vollkommen Gewöhnliches ist – warum tun wir dann so, als ob sie aus volkswirtschaftlicher Sicht eine Anomalie darstellen würde?
2) Die relative Staatsschuldenquote, die durch den Vertrag von Maastricht eine so herausgehobene Stellung in der europäischen Wirtschafts- und Finanzpolitik erhalten hat und eigentlich stets weniger als 60 Prozent des BIP betragen sollte, ist eine bloße Zahl ohne wirkliche Aussagekraft. Als Ergebnis der Division des nominalen Staatsdefizits durch das jeweilige Bruttoinlandsprodukt sinkt die Schuldenquote, wenn sich die Zahl über dem Bruchstrich (die in absoluten Zahlen ausgedrückten Verbindlichkeiten) verringert – oder aber die Zahl unter dem Bruchstrich (das BIP) in Folge eines wirtschaftlichen Aufschwungs erhöht. Um die Staatsschuldenquote zu drücken, brauchen die nominalen Schulden also nicht notwendigerweise getilgt zu werden, sondern es genügt, die jährliche Neuverschuldung geringer zu halten als den jährlichen BIP-Zuwachs. Auf diese Weise lässt sich die relative Staatsverschuldung reduzieren, obwohl die nominale Staatsverschuldung niemals verringert wird. In den USA ist aus diesem Grund die öffentliche Schuldenquote von 1950 bis 1974 von rund 90 Prozent auf fast 30 Prozent des BIP gesunken, obwohl die US-Regierungen in diesem Zeitraum niemals einen Kredit zurückgezahlt haben.
3a) Da sich in einer Volkswirtschaft die Vermögens- bzw. Schuldensalden der vier Sektoren Staat, Privathaushalte, Unternehmen und Ausland aus logischen Gründen immer zu Null addieren müssen (jemand kann Geldvermögen bzw. eine Forderung nur dann haben, wenn jemand anderes eine Verbindlichkeit bzw. Schulden hat), ist ein Staatsdefizit gleichbedeutend mit einem Vermögensüberschuss des Privatsektors. Einem Staat ohne Staatsdefizit fehlen daher die logisch notwendigen Voraussetzungen, um seiner eigenen Bevölkerung (= Privatsektor) die Bildung von Geldvermögen zu ermöglichen. Dass der Staat sich bereitwillig Jahr um Jahr verschuldet, ist also eine wesentliche Bedingung dafür, dass sich Wohlstand in Form von zunehmendem Geldvermögen überhaupt unter den Privathaushalten und Unternehmen verteilen kann. Spart der Staat trotz dieser sinnvollen und wichtigen Ausweitung seines Defizits und will sich (unnötigerweise) entschulden, so muss er anderen Sektoren wieder Geldvermögen entziehen. Das geht mit immensen Nachteilen einher:
b) Versucht der Staat, durch Kürzung seiner Ausgaben oder durch Steuererhöhungen einen Haushaltsüberschuss zu erzielen, so vermindert er entsprechend die Einnahmen und das Geldvermögen des Privatsektors. Dadurch sinkt die Kaufkraft der Privathaushalte, wodurch sie weniger Güter und Dienstleistungen von den Unternehmen nachfragen können, was zu Umsatzeinbußen, Gewinnrückgängen, Entlassungen, Arbeitslosigkeit und dadurch zu einer weiteren Reduzierung der allgemeinen Kaufkraft und Nachfrage führt. Spart der Staat zudem an Investitionsausgaben, so nehmen die entsprechenden Unternehmen ebenfalls weniger ein, während die öffentliche Infrastruktur (wie etwa Schulen, Krankenhäuser, Straßen, Schienennetze, Energieversorgung) mehr und mehr verkommt, wodurch die Privathaushalte im Ausleben ihrer Freiheitsrechte und die Unternehmen in ihrem Geschäftsbetrieb behindert werden. Anstatt die Wirtschaft wie erhofft zu beleben, führt ein sparender bzw. sich entschuldender Staat seine eigene Volkswirtschaft also direkt in die Rezession, wie man an der international erzwungenen Sparpolitik in Griechenland seit 2010 erkennen kann.
c) Die abnehmende Binnen- und Staatsnachfrage nach Gütern und Dienstleistungen des eigenen Unternehmenssektors führt dazu, dass das Ausland als Handelspartner der Privatwirtschaft an Bedeutung gewinnt. Die Nachfrage des Auslands nach inländischen Gütern führt daher automatisch zu einem Exportüberschuss, wie er in Deutschland (trotz der traditionell exportorientierten Industrie) noch einmal verstärkt seit den 2000er Jahren zu beobachten ist. Ein zu hoher Exportüberschuss aufgrund einer unausgeglichenen Außenhandelsbilanz allerdings entzieht dem Ausland langfristig Kaufkraft, denn durch die vielen Exporte fließen mehr Geldvermögen bzw. Forderungen aus dem Ausland ins Inland als umgekehrt – das Ausland verliert also an Geldvermögen und verschuldet sich. Seit 2012, kurz nach der Einführung der Schuldenbremse, sind sowohl der deutsche Staat als auch der deutsche Privatsektor zu sogenannten Nettosparern geworden (ihre Einnahmen übersteigen also ihre Ausgaben), sodass das Ausland den einzigen noch übriggebliebenen Sektor bildet, der das für diesen Geldvermögenzuwachs notwendige Defizit bereitstellt. Das deutsche Wirtschaftswachstum und die damit einhergehenden Wohlstandszuwächse des vergangenen Jahrzehnts waren also nur deshalb möglich, weil sich andere Volkswirtschaften uns gegenüber verschuldet haben. Es ist daher kein Wunder, dass der nach wie vor anhaltend hohe Exportüberschuss Deutschlands international massiv kritisiert wird.
4) Statt also – wie jüngst von SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz angekündigt – die Einhaltung oder gar eine Radikalisierung des staatlichen Spar- und Entschuldungskurses zu fordern, wäre es im Gegenteil eher angebracht, diejenigen Ausgaben der öffentlichen Hand zu erhöhen, die die Kaufkraft des Privatsektors und damit das Wirtschaftswachstum direkt positiv beeinflussen. Dazu gehören etwa die Anhebung des ALG II, der Sozial- und Obdachlosenhilfe sowie des gesetzlichen Rentenniveaus, die Einführung einer staatlichen Jobgarantie, die dauerhafte Absenkung oder Abschaffung der Mehrwertsteuer, höhere Tariflöhne sowie Neueinstellungen im öffentlichen Dienst (insbesondere in Verwaltung, Pflege und dem Bildungswesen), Investitionen in die öffentliche Infrastruktur (etwa für die Energiewende, die Sanierung von Schulen und die Beschleunigung des Breitbandausbaus), die Anhebung der kommunalen Zuschüsse von Bund und Ländern sowie die Entlastung geringerer und mittlerer Einkommen durch eine Absenkung der Sozialabgaben. Solange die dadurch ausgelösten Kaufkraftsteigerungen das Produktionspotenzial der deutschen Volkswirtschaft nicht übersteigen (und bei rund 3,6 Millionen Personen ohne Arbeit ist noch reichlich Platz nach oben), braucht man sich dabei auch nicht vor einer allzu hohen Inflation (geschweige denn vor der historisch überhöhten Hyperinflation) zu fürchten. Außerdem fordert niemand, dass der Staat all diese Maßnahmen augenblicklich umsetzen muss; das kann er auch gar nicht, denn manche Dinge (wie etwa bauliche Großprojekte) müssen geplant werden, benötigen Personal und zeitlichen Vorlauf. Aber wenn der Staat sein jeweils vorgesehenes Budget jedes Jahr um beispielsweise 45 Milliarden Euro erhöht (das sind ca. 1,4 Prozent des BIP von 2020) und der Zusatzetat nur für diese Maßnahmen ausgegeben wird, dann lassen sich langfristig massive positive Effekte für die gesamte Volkswirtschaft erzielen.
5) Woher kommt aber all das Geld, mit dem diese sozialstaatlichen Wohltaten (man hüte sich vor denen, die „Sozialstaat“ als Schimpfwort begreifen) bezahlt werden sollen? Es kommt von der Europäischen Zentralbank, denn als Währungshüterin der Eurozone sorgt letztlich sie dafür, dass Staaten überhaupt mit dem gesetzlichen Zahlungsmittel namens Euro bezahlen können. Dafür gibt die EZB dem europäischen Bankensektor zunächst einen Kredit und schreibt ihm elektronisches Zentralbankgeld gut; dieser wiederum verkauft das Zentralbankgeld an die europäischen Staaten, mit denen sie jetzt ihre Ausgaben tätigen können, und erhält von ihnen im Gegenzug Staatsanleihen, also staatliche Schuldentitel. Wenn der Bankensektor die Staatsanleihen nun im Rahmen der häufig missverstandenen Anleihenkaufprogramme wiederum an die EZB verkauft, so wird dem Bankensektor lediglich weiteres Zentralbankgeld gutgeschrieben – an der Menge des in der Realwirtschaft umlaufenden Geldes ändert sich jedoch nichts. Die Kaufkraft des Privatsektors bleibt also durch den vermehrten Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB unverändert, weshalb es logischerweise auch nicht zu einem dauerhaften Anstieg der Verbraucherpreise kommen kann, obwohl sich die deutschen Medien nicht zu schade sind, die unbegründete Angst davor immer wieder zu reproduzieren.
6) Im Eurosystem gelangen die Staaten also über den Umweg „der Kapitalmärkte“ (das heißt des Bankensektors) an Geld, um die Gehälter im öffentlichen Dienst, soziale Transferleistungen oder in Anspruch genommene Dienstleistungen von Unternehmen zu bezahlen. Solange die „Kreditwürdigkeit“ eines Staates vom Bankensektor als ausreichend befunden wird, können sich die EU-Staaten daher fortwährend refinanzieren und haben so Zugriff auf prinzipiell unbegrenzte Liquidität. Sobald aber die Bonität eines Staates (wie etwa im Fall Griechenlands) als unzulänglich befunden wird, kann der Bankensektor die Zinsaufschläge für die Annahme von Staatsanleihen massiv erhöhen und dem in Ungnade gefallenen Staat den Geldhahn unter Umständen sogar komplett zudrehen. Ist das demokratisch und gerecht? Nein. Ist das ökonomisch notwendig? Nein. In Kanada zum Beispiel wird seit Begründung der Zentralbank im Jahre 1934 regulär ein Teil der jährlichen Neuverschuldung direkt von der kanadischen Zentralbank finanziert und kann prinzipiell sogar vollständig von ihr übernommen werden, weshalb der kanadische Staat niemals zahlungsunfähig werden kann. Auch das Federal Reserve System, quasi die US-amerikanische Zentralbank, ist seit seiner Gründung im Jahre 1914 in der Lage, den Staat durch den direkten Ankauf von Staatsanleihen zu finanzieren und tut das in Teilen noch heute. Trotz dieser in der EU politisch verbotenen und verpönten Praxis der „monetären Staatsfinanzierung“ existieren die US-amerikanische und die kanadische Volkswirtschaft bis heute, insbesondere der kanadische Dollar zählt zu den stabilsten Währungen der Welt, und die Inflationsrate in beiden Ländern ist nicht höher als in anderen Industriestaaten auch. Die aus der neoklassischen Theorie hergeleitete Warnung vor einer explodierenden Inflation im Falle einer Staatsfinanzierung durch die Notenbank entpuppt sich damit als Ammenmärchen, das – im Gegensatz zur Modern Monetary Theory – mit empirisch überprüfbarer Wissenschaft nichts zu tun hat, wohl aber die politische Vormachtstellung des internationalen Finanzsektors und Großkapitals schützt und verfestigt. Eine weniger beengte universitäre Ausbildung von Studierenden der Wirtschaftswissenschaften wäre vor diesem Hintergrund höchst wünschenswert.
7) Ein moderner Staat mit eigener Zentralbank finanziert sich zusammengefasst also nicht über Steuern, sondern über Schulden. Steuern „steuern“ Verhalten und können in Form von Steuererhöhungen zur Bekämpfung einer zu hohen Inflationsrate verwendet werden (das hatte der US-Ökonom Beardsley Ruml bereits 1946 festgestellt) – die Funktion der Finanzierung eines Staatswesens mit modernem Geldsystem dagegen haben sie noch nie übernommen. [1] Ein Staat mit Fiatwährung kann sich daher, wenn es denn die selbst gegebenen politischen Regelungen erlauben, prinzipiell unbegrenzt refinanzieren, da die potenzielle Staatsverschuldung durch rein ökonomische Faktoren nicht limitiert wird. Griechenlands aufgezwungene und katastrophale Sparpolitik war (trotz aller gegenteiligen Bekundungen europäischer und vor allem deutscher Politiker) ökonomisch somit nicht alternativlos – sie war politisch und moralisch gewollt. Ebenso vorgeschoben und fadenscheinig ist auch die Behauptung, der deutsche Staat könne sich seine Sozialausgaben nicht mehr „leisten“. Ehrlicher wäre es, zu sagen: Er kann sie sich sehr wohl leisten, aber manche wollen eben nicht. Dann aber drängt sich die Frage auf: Warum ist Wohltätigkeit, die man sich problemlos leisten kann, etwas moralisch Verwerfliches?
8) Nicht die Finanzierung öffentlicher Aufgaben ist also das eigentliche Problem, sondern die Bereitstellung der Ressourcen (Arbeitskraft, Rohstoffe, Wissen), die für die Erfüllung dieser Aufgaben nötig sind. Ein abschließendes Beispiel: Gesteht man sich ein, dass die BRD das gesetzliche Rentensystem auch rein durch die Ausweitung ihres Staatsdefizits finanzieren könnte, dann ist die Zukunftsfähigkeit des gesetzlichen Rentensystems unproblematisch. Oftmals stellt man sich das Konzept der Umlagefinanzierung so vor, dass ein Teil der Bevölkerung (die heute Arbeitenden) in eine Art Sammeltopf einzahlt und das so zusammengekommene Geld dann vom Staat unter einem anderen Teil der Bevölkerung (den ehemals Arbeitenden) wieder aufgeteilt wird. Diese puristische Vorstellung ist aber falsch, denn die Beiträge der arbeitenden Bevölkerung haben noch nie ausgereicht, um die Gesamtheit aller Rentenzahlungen vollständig zu finanzieren; von Anfang an musste der deutsche Staat sogenannte Bundeszuschüsse beisteuern, um allen Rentenansprüchen nachzukommen. Wenn also die Idee eines Sammeltopfes, der von den Arbeitenden vollständig befüllt wird, noch nie stimmig war – warum sollte der Staat dann nicht an die Stelle seiner Bevölkerung treten und von vornherein den Rententopf vollständig durch Neuverschuldung befüllen können? Im geldpolitischen Setting der nordamerikanischen Staaten etwa wäre das problemlos möglich. Auch in einem solchen Finanzierungskonzept wären sozial- bzw. rentensystembezogene Steuerabgaben dennoch weiterhin sinnvoll, denn sie wirken nachfragehemmend und somit inflationsbekämpfend und geben der öffentlichen Dienstleistung „Rente“ einen für alle sichtbaren Preis. [2] Nicht die Finanzierung des gesetzlichen Rentensystems ist somit die große Herausforderung, sondern die Frage: Kann unsere Volkswirtschaft genügend Ressourcen bereitstellen (das heißt genügend Wohnraum, eine angemessene Mobilitäts- und Gesundheitsversorgung, regionale und ökologisch erzeugte Lebensmittel, ausreichend Freizeit- und Kulturangebote), um den in Deutschland lebenden RenterInnen ein gutes und materiell unbeschwertes Leben zu ermöglichen? Wir sollten also das Geldsystem als Hilfsmittel begreifen, um gesellschaftlich relevantes Sachvermögen herzustellen und es zusammen mit der in der Bevölkerung vorhandenen Arbeitskraft so gerecht und effizient wie möglich zu verteilen. Wenn es daher zu wenig Personal im Pflege-, Gesundheits-, Bildungs- und Erziehungssektor gibt, wenn es zu wenig Wohnraum, Mobilitäts- und Freizeitangebote gibt, die für den Großteil der Bevölkerung erschwinglich sind, dann ist das kein Finanzierungsproblem, sondern ein Verteilungsproblem realwirtschaftlicher Ressourcen. Die Staaten Europas leiden in Wahrheit also an einer massiven Ungleichverteilung öffentlicher Güter – und eben nicht an einer notorisch knappen Staatskasse.
Es ist ein ausgetretener und sogar wissenschaftlich anerkannter Allgemeinplatz, dass wir in unserer modernen Überflussgesellschaft von allem zu viel haben. Die wichtigste Frage überhaupt lautet daher: Warum sollten wir ausgerechnet einen Mangel an staatlicher Liquidität haben und uns weiter freiwillig am Mythos der Geldknappheit orientieren, obwohl das volkswirtschaftlich unsinnig und nicht notwendig ist? Aufgrund der aktuellen Regelungen können die Eurostaaten gerade dann nicht Geld ausgeben, wenn sie es für nötig halten – das ist ein massives Problem für die demokratische Legitimation und monetäre Souveränität gewählter Regierungen, sodass man sich schon fragen muss: Sind die Regeln der Eurozone überhaupt dafür geeignet, ein demokratisch organisiertes Staatswesen zu tragen? Schulden waren also nie das Problem, sondern die Lösung. Wir alten weißen Europäer sind nur zu verbohrt, um das zu begreifen.
[1] Dass der Staat für seine Refinanzierung nicht auf Steuern angewiesen ist, heißt nicht, dass er vollkommen auf sie verzichten sollte. Die Versteuerung etwa von Einkommen und Vermögen kann, sinnvoll eingesetzt, zu große Unterschiede der politischen Einflussnahme innerhalb des Privatsektors verringern. Andere Steuerarten hingegen, wie etwa die Gewerbe- und die Körperschaftssteuer, lenken Unternehmen von ihrem eigentlichen Geschäftszweck ab („Steueroptimierung“) und führen aufgrund ihrer Eigenschaft als Kostenfaktor dazu, dass entweder die Preise höher oder aber die Gehälter von Beschäftigten geringer ausfallen, als sie es eigentlich müssten. Es gibt mit Ruml gesprochen daher gute Gründe, für eine vollständige Abschaffung von Unternehmenssteuern einzutreten und die vertikale sozialpolitische Umverteilung allein über die Einkommens-, Vermögens-, Erbschafts- und Schenkungssteuer zu bewerkstelligen.
[2] In der neoklassischen Theorie ist eine der wichtigsten Maßnahmen zur Bekämpfung von Inflation die Arbeitslosigkeit, genauer die „nicht-inflationstreibende natürliche Arbeitslosigkeit“ (kurz NAIRU, engl. für non-accelerating inflation rate of unemployment). Da arbeitslose Personen insgesamt weniger Kaufkraft zur Verfügung haben als arbeitende, konstruiert die Neoklassik daraus ein wünschenswertes Vorhandensein von Arbeitslosigkeit, um ein Anziehen der Inflationsrate zu verhindern; die ökonomische Theorie, die maßgeblich die Eurozone prägt, nimmt also bewusst das Leiden und die Armut einer Vielzahl von Menschen in Kauf, um das wirtschaftliche Ziel der Preisstabilität zu erreichen. Es gibt also tatsächlich eine strukturelle und systematisch gewollte Arbeitslosigkeit, die mit den wirtschaftspolitischen Zielen der Vollbeschäftigung und des „Wohlstands für alle“ offensichtlich unvereinbar ist. Dennoch sehen sich unfreiwillig Arbeitslose nach wie vor massiven Vorurteilen und Ausgrenzungserfahrungen ausgesetzt, da man die Schuld für ihre Situation ungerechtfertigterweise bei ihnen selbst sucht.
Kommentare 14
Danke !
Man kann nicht oft genug darauf hinweisen, dass uns geldpolitisch immernoch Ammenmärchen aufgetischt werden.
Herzlichst-
Sehr gerne gelesen mit interessanten Links versetzt. Das Joch der Schwarzen Null muss ein Ende haben.
Merci und Gruß
Natürlich sind die Zinsen in Europa auch deshalb niedrig, damit sich Staaten mit hoher Schuldenquote wie Griechenland weiter refinanzieren können, obwohl das die EZB offiziell bestreitet. Aber die Schuldenquote Griechenlands ist eben auch deshalb so hoch, weil die international aufgezwungene Sparpolitik das griechische BIP von 352 Mrd. Euro (2008) auf 193 Mrd. Euro (2016) um insgesamt 45 Prozent massiv eingebrochen ist. Schaut man sich die Chronologie der Finanz- und Schuldenkrise an, so ist das ständig wiederkehrende fundamentale Problem, dass die EZB - anders als in Kanada und den USA - den Euroländern keine direkten Kredite vergeben darf:
1) Die Pleite von Lehman Brothers 2008 führt zur europäischen Bankenkrise. Die Staaten schnüren große "Rettungspakete" und entschulden eine Vielzahl von Banken, die in den Jahren zuvor bewusst immer höhere Risiken bei der Kreditvergabe eingegangen sind. Auf diese Weise gehen die Schulden des Bankensektors auf die Euroländer über, aus privaten Schulden werden staatliche Schulden? Die Begünstigten dieser Maßnahmen sind in so gut wie allen Fällen die Gläubiger der rekapitalisierten Banken, meist selbst internationale Finanzinstitute. Da sich die Staaten in der Eurozone nur über den Bankensektor refinanzieren dürfen, hatte man die Angst vor einer Pleitewelle europäischer Banken verbreitet, wodurch das ganze Eurosystem zusammenbrechen würde. Könnten sich die Euroländer aber direkt über die EZB refinanzieren, so wären die Insolvenzen einiger Banken egal gewesen, und sie wären auch marktkonform gewesen, denn: Zu einer Marktwirtschaft gehört auch die Insolvenz von privatwirtschaftlich geführten Unternehmen, die sich verspekuliert haben. Statt "Bankenrettungen" wären also eigentlich Schuldenschnitte und -erlasse zulasten der Großgläubiger (bail-in) zu vereinbaren gewesen.
2) Im Zuge der staatlichen Umschuldungsmaßnahmen vom Bankensektor auf den Staat stiegen die Staatsschuldenquoten massiv an, sodass Ende 2009 die Bonität Griechenlands aus der Perspektive des Finanzsektors herabgestuft werden musste. Da die Euroländer durch den Maastricht-Vertrag dazu gezwungen werden, sich beim Bankensektor zu verschulden, führte das zur griechischen Staatsschuldenkrise, in deren Zuge die Troika aus Europäischer Kommission, IWF und EZB sich entschied, nun den griechischen Staat mit staatlichen Kreditprogrammen zu "unterstützen", während die EZB durch die ersten Kaufprogramme von Eurostaatsanleihen deren Ausfallrisiko quasi abschaffte. Es folgen Jahre beispielloser Erpressungspolitik, die den demokratischen Willen der griechischen Bevölkerung systematisch umgeht, den Aufstieg der rechtsextremen "Goldenen Morgenröte" begünstigt und die Suizidrate in Griechenland massiv erhöht. Was man stattdessen hätte tun können: Den Staatsbankrott Griechenlands ausrufen, wodurch es wiederum zu einem (sehr wahrscheinlich tragbaren) Schuldenschnitt zulasten des europäischen Bankensektors gekommen und Griechenland schon sehr viel früher wieder auf die Beine gekommen wäre. Die größte Sorge damals war eher, dass der griechische Staat nach erfolgter Sanierung vom Bankensektor kein Geld mehr bekommen würde, was ja auch stimmt, da die EZB die Staaten eben nicht direkt finanzieren darf.
3) Da sich die Staatsschuldenquote Griechenlands durch all diese Maßnahmen (überraschenderweise?) nicht verringert, sondern im Gegenteil von 127 auf rund 180 Prozent des BIP erhöht hat, gilt der griechische Staatshaushalt nach wie vor als angespannt. Vom nominal 340 Mrd. Euro betragenden Staatsdefizit Griechenlands (Stand 2019) stammen 278 Mrd. Euro aus den internationalen "Rettungspaketen" - man könnte Griechenland jetzt also helfen, indem man den ursprünglich vertagten Schuldenschnitt zwischen Banken und Gläubigern nun zwischen Staat und Staatengemeinschaft durchführt. Am einfachsten wäre das durchzuführen, indem die EZB die in ihrer Bilanz befindlichen Staatsanleihen einfach abschreibt und auf diese Weise das nominale Defizit aller europäischen Staaten verringert. Das will man aber nicht machen, da das ganz deutlich zeigen würde, dass die EZB (in Übereinkunft mit der Modern Monetary Theory) tatsächlich das Geld bereitstellt, mit dem sich die Euroländer refinanzieren. Das politische Verbot des Maastricht-Vertrags widerspricht damit fundamental den technisch-ökonomischen und in Kanada und den USA problemlos beobachtbaren Gegebenheiten.
4) Da also für eine Entschuldung der Euroländer über einen Schuldenschnitt durch die EZB der politische Wille fehlt, und die Staaten sich weiterhin beim Bankensektor verschulden müssen, um an Geld zu gelangen, muss die EZB durch die Fortsetzung ihrer Anleihenkäufe die "Kreditwürdigkeit" Europas weiterhin manipulieren. Dadurch wächst die im europäischen Bankensystem befindliche Zentralbankgeldmenge zu einer Überschussliquidität an, die den reibungslosen Ablauf des wichtigen Interbankenmarktes stört. Um die funktionalen Probleme des Interbankenmarktes zu beheben, müsste die EZB die dortige Überschussliquidität verringern und die zuvor aufgekauften Staatsanleihen wieder an den Bankensektor verkaufen. Das kann sie aber nicht machen, da dadurch die Zinsen auf Staatsanleihen wieder ansteigen und die Euroländer wieder größere Probleme bei ihrer Refinanzierung haben würden. Die EZB könnte die Überschussliquidität also nur dadurch verringern, indem sie von den Banken Zentralbankgeld ohne den Verkauf von Staatsanleihen zurücknimmt und vernichtet. Damit wären wir dann wieder bei 3) angekommen, da auf diese Weise deutlich würde, dass die EZB die in ihrer Bilanz befindlichen Staatsanleihen problemlos für alle Zeit internalisieren kann und sich die Euroländer (eben genau wie Kanada und die USA) also prinzipiell unbegrenzt refinanzieren können.
Aber all das wollte und will man politisch nicht, da eine Abkehr von Maastricht bedeutet, dass der europäische Bankensektor (in Deutschland vertreten durch die Bietergruppe Bundesemissionen) seine in den letzten Jahrzehnten aufgebaute Macht wieder abgeben muss. Finden Sie es denn überhaupt nicht merkwürdig, dass ein paar privatwirtschaftliche Unternehmen darüber entscheiden dürfen, wie ein demokratisch organisiertes Staatswesen volkszuwirtschaften hat?
"Finden Sie es denn überhaupt nicht merkwürdig, dass ein paar privatwirtschaftliche Unternehmen darüber entscheiden dürfen, wie ein demokratisch organisiertes Staatswesen volkzuwirtschaften hat?
Super erklärt Herr Maximilian Runge, ich finde das nicht nur merkwürdig sondern skandalös,
danke ...
Toller Artikel, der auf den Grundannahmen der MMT (Modern Monetary Theory) basiert. Nur der letzte Satz erstaunt mich! Ich denke, die wirtschaftlichen und finanzindustriellen Eliten haben all dies wohl begriffen , haben aber nicht das geringste Interesse daran, ihre durch Deregulierungen und Steuersenkungen errungene Macht an einen souveränen Staat mit Zentralbank wieder abzugeben. Praktizierte MMT würde ja sofort dazu führen, dass der jetzt so "schlanke Staat" den Primat der Politik wiedererlangen könnte und würde. Die neoliberalen Kampfbegriffe wie "Schuldenunion" und "ausufernder Sozialstaat" verhindern im Übrigen, dass überhaupt ernsthaft und unbefangen über diese Zusammenhänge debattiert wird. Der Ökonom Heiner Flassbeck kämpft seit Jahren einen aussichtslosen Kampf gegen den Wahn der deutschen Exportüberschüsse und den Wahnsinn der "Schwarzen Null". Die Frage ist, wie bringt man diese nicht ganz trivialen - aber enorm wichtigen - geldpolitischen Ansätze wirkungsvoll in die Öffentlichkeit? Diese Überlegungen werden ja auch meist sofort von den konservativen Leitmedien und Politikern im Keim erstickt. Olaf Scholz spricht auch nicht mehr vom sogenannten "Hamilton-Moment", der durch das 750-Milliarden-Wiederaufbau-Programm für Europa realisiert worden sei. Wie könnte eine Kampagne aussehen, bei der die Vordenker dieser so wichtigen alternativen Geldtheorie in D wie Herr Ehnts, Herr Höfgen und Herr Runge diese unter die Leute bringt? Wenn wir die so wichtigen Zukunftsfragen (Klima, Pandemie, soziale Frage usw.) wirklich lösen wollen, kommen wir an diesen elementaren Finanzierungsinstrumenten nicht vorbei. Ignorieren wir sie und kehren zu alten Verhaltensmustern zurück (wie CDU, FDP, SPD und Teile der Grünen es ja schon fordern) ist das Scheitern programmiert.
Außerdem müsste in diesem Zusammenhang das gesamte Euro-Design geändert werden. Die damit einhergehende Vertiefung der EU (Stichwort: Fiskalunion) wäre zwar vernünftig, wird aber aus den o.a. Gründen nicht nur verhindert sondern heftig bekämpft.
Vielen Dank für das Lob, aber Gott bewahre: Autoren wie Dirk Ehnts, Maurice Höfgen und Michael Paetz sind die deutschsprachigen Vordenker der MMT, nicht ich. Ich beschäftige mich lediglich als interessierter Philosoph mit volkswirtschaftlichen Zusammenhängen und reproduziere aus der Vielzahl der theoretischen Zugänge dasjenige, was mir am einleuchtendsten und logisch nachvollziehbarsten erscheint. Ich kann nichts dafür, dass mich die gängigen neoklassischen Konzepte des Geldschöpfungsmultiplikators, der geldmengenverursachten Inflation und des ausgeglichenen Staatshaushaltes nicht überzeugen. Wenn diese argumentativ schwachen ökonomischen Modelle wirklich alles sind, was unsere liberal-demokratische Hochkultur an wirtschaftlichem Verständnis hervorgebracht hat, dann ist das ein intellektuelles Armutszeugnis. Aber zum Glück ist die Ökonomik ja eine wertneutrale, weitgefächerte und ohne jedes Vorurteil belastete Wissenschaft, in der es einzig und allein um die Beobachtung der Wirklichkeit und ihrer schlüssigen Beschreibung geht ;-)
Die obige Diskussion zeigt doch sehr deutlich, dass in Europa (Eurogruppe) so ziemlich alles schief läuft, was schief laufen kann. Ein gemeinsamer Währungsraum funktioniert nicht ohne gemeinsame Anleihen und damit einen Gemeinschaftsanleihenmarkt. Diese "Eurobonds" würden uns im Übrigen von den Weltfinanzmärkten aus der Hand gerissen. Das fragwürdige Spekulieren dieser "Märkte" (auf der Basis von fragwürdigen Ratings von fragwürdigen Ratingagenturen) gegen einzelne Länder würde komplett entfallen. Dass dann einzelne Länder - mit geringerer Bonität - von anderen Ländern - mit höherer Bonität - profitieren, wäre nicht nur sinnvoll sondern entspräche auch dem europäischen Versprechen von gemeinsamem Wohlstand und ähnlichen Lebensverhältnissen
Sie schreiben manches Mal auch nicht gerade wenig, das setzt die Messlatte ein wenig höher ;-)
Ich weiß nun nicht genau, was Sie an Italien kritisieren, aber was dieses Land angeht, so schrieb Jens Berger vor drei Jahren auf den NachDenkSeiten einmal etwas sehr Kluges:
"Hätte Italien von 2008 (Beginn der Eurokrise) bis heute kein Null-Wachstum, sondern ein normales Wirtschaftswachstum von 2,0% vermelden können, würde es heute keine Staatsschuldenquote von 133%, sondern eine Quote von 102% aufweisen und damit seinen ,Konsolidierungskurs' fortsetzen, der um die Jahrtausendwende herum begann. Italien hat kein Schulden-, sondern ein Wachstumsproblem."
Und viele andere Euroländer haben dasselbe Problem, weil die Staaten aufgrund einer fragwürdigen Vorstellung von Wirtschaftlichkeit, die auf der fragwürdigen Konstruktion des Eurosystems fußt, viel zu wenig investieren. Dabei gibt der Staat sein Geld doch nicht als Selbstzweck aus! Investiert er, so schafft er damit echtes volkswirtschaftliches Sachvermögen wie Häuser, Straßen, Schienen und Brücken, die Unternehmen in ihrer Geschäftstätigkeit unterstützen und noch von unseren Kindeskindern benutzt werden; zahlt er Löhne und Sozialleistungen, so schöpft er Kaufkraft, die größtenteils als Nachfrage von Gütern und Dienstleistungen zurück in den Wirtschaftskreislauf fließt und damit für Wachstum und Prosperität sorgt. Wenn der Staat Geld ausgibt, kommt das also prinzipiell der gesamten Volkswirtschaft zugute.
Warum macht man das also nicht einfach? Weil die fiskal- und geldpolitischen Regeln der Eurozone diesen Maßnahmen zum Nutzen aller im Wege stehen. Dennoch weigern sich viele ÖkonomInnen und WirtschaftsjournalistInnen in Deutschland, anzuerkennen, dass die Übernahme etwa des kanadischen oder des US-amerikanischen Geldregimes, wo die Zentralbank regulär oder notfalls einen Teil der Staatsanleihen direkt erwerben darf, nicht den Zusammenbruch des Wirtschaftsraumes bedeutet. Da muss man sich doch die Frage stellen: Hängt das womöglich mit einer zu einseitigen und verengten universitären Ausbildung an den betriebs- und volkswirtschaftlichen Fakultäten in Deutschland zusammen?
"Wenn die von Ihnen geforderte Fiskalpolitik funktionieren soll: Warum sind da nicht schon andere, gerne auch Entwicklungsländer drauf gekommen? Sind die so doof oder gibt es da doch noch andere Gründe?"
Diese umfangreiche Frage haben bereits andere Leute beantwortet, daher verlinke ich lediglich die entsprechenden Texte auf den Seiten der Pufendorf-Gesellschaft und der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Die wichtigsten Gründe scheinen mir zu sein:
- die internationale "Entwicklungshilfe" führt häufig zu einer Verschuldung in Fremdwährung
- die eigenen Währungen werden häufig fest an den US-Dollar gekoppelt und sind somit nicht souverän
- die mit der Entwicklungshilfe einhergehenden Strukturreformen propagieren einseitig neoklassische Konzepte volkswirtschaftlicher Zusammenhänge
- Entwicklungshilfe und Strukturreformen zielen nicht auf eine Stärkung des Binnenmarktes ab, sondern auf die Ermöglichung der Expansion ausländischer Konzerne
Wenn ein Staat keine souveräne Währungspolitik mehr machen kann, weil er gezwungen ist (aufgrund der Importlastigkeit) sich in Fremdwährung(en) zu verschulden, dann hängt dieser Staat am Tropf der externen Geldgeber. Und die setzen dann ihre Vorstellungen durch, wie sich dann dieser Staat intern so aufstellen soll, damit die Gläubiger ihre Zins- und Tilgungsleistungen sicher erhalten.
Dazu bedarf es nicht mal der Gelder über die Entwicklungshilfe, sondern ist das Ergebnis der fehlenden Konkurrenzfähigkeit der Entwicklungsländer, die zum Aufbau ihrer Wirtschaft eben keinen Freihandel vertragen können und entsprechende Schutzzölle einführen müssten. Dann allerdings werden jenen die 'Daumenschrauben' angelegt, also Maßnahmen angedroht, die noch ärgere Folgen hätten.
Was also Deutschland einst gegenüber Großbritannien praktizierte und dann auch völlig unerwartet zum "Made in Germany" geführt hat, wird den armen Ländern verweigert. Man will an den profitablen Ausbeutungsverhältnissen festhalten können, ohne Mitverantwortung zu übernehmen, wie es aktuell mit Radikal verwässert: Das neue Lieferkettengesetz zu lesen ist. Das Gesetz in der Fassung ist quasi von der Industrie durchgereicht worden. Übrigens in der letzten Anstalt behandelt und sehenswert.
Erst einmal vielen Dank für Ihr Lob!
Ob es denn aber wirklich sinnvoll ist, dass Griechenland wichtige Teile seiner eigenen Infrastruktur verscherbeln musste, bleibt m. E. höchst fraglich. Vor allem, weil diese als "Privatisierung" getarnten Verkäufe de facto keine Privatisierungen waren: Der Hafen von Piräus ging an den chinesischen Staatskonzern Cosco, die TrainOSE ging an den italienischen Staatskonzern Ferrovie Dello Stato Italiane, 14 griechische Flughäfen (darunter diejenigen von Rhodos, Korfu und Lesbos) gingen an die zu 52 Prozent der öffentlichen Hand Deutschlands gehörende Fraport AG. Die Gewinne aus dem laufenden Betrieb dieser kritischen Infrastrukturen wären im Kontext des aktuellen Geldregimes für Griechenland extrem wichtig gewesen, um sich langfristig sanieren zu können; aber die Plünderung dieses von den Griechen ursprünglich erschaffenen Sachvermögens ist halt der Preis dafür, wenn man auf die Hilfe der "Wertegemeinschaft" Europas angewiesen ist.
Die Erlöse dieser "notwendigen" Privatisierungen gingen dann teilweise direkt in den Einkauf von Rüstungsgütern, die den Griechen von der Troika ausdrücklich erlaubt wurden. Merkwürdig? Nein - so funktionieren neoliberale Regime.
"Die Erlöse dieser "notwendigen" Privatisierungen gingen dann teilweise direkt in den Einkauf von Rüstungsgütern, die den Griechen von der Troika ausdrücklich erlaubt wurden. Merkwürdig? Nein - so funktionieren neoliberale Regime."
Genau, so wurden diese Erlöse als Subvention der Rüstungsindustrie zugute gebucht, damit die Nato-Partner Griechenland und Türkei wohl "gerüstet" ihren Gaskrieg im Mittelmeer austragen können.
Im klassisch neoliberalen Sinne - ein WinWin Situation ...