In Persona reden?

Blogbeitrag In der „Nachfolge des Meisters“, wie es heißt, gilt es als Ziel, so zu reden wie der Meister selbst. Ist das realistisch?

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Im folgenden sollen einige Themen und Fragen angesprochen und diskutiert werden, die sich bei einem Blick auf den Weg der Kirche stellen können. Ausgangspunkt ist dabei das Stichwort Friede. Wenn jemand nichts mit dem Christentum am Hut hat oder haben will, kann er oder sie den Beitrag auch einfach als eine intellektuelle Gedankenübung lesen. Der Gedankengang folgt den allgemeinen Sprachregelungen. (Das ist jedenfalls der Anspruch.) So dass man als Beteiligter wie als Unbeteiligter eine Übereinstimmung oder Widersprüche in der Argumentation finden kann.

Ich werde im Verlauf einige Schriftstellen zitieren. Wie z.B.: Glücklich/Selig sind die Frieden stiften. Unterbrechen Sie mich bitte, falls ich dabei zu sehr in eine Art Kirchenslang verfalle. Oder in eine Art Slang der „Sprache Kanaans“. Es ist nämlich gar nicht so einfach, hier immer die Balance zu halten. Andererseits ist für einen Nachvollzug kirchlicher Rede ein leichter Bibelslang vermutlich gar (nicht vermeidbar und) nicht schlimm – solange es sich in Maßen hält. Schließlich ist das ja die Sprache aus der das Ganze entspringt.

In Persona reden?

In der „Nachfolge des Meisters“, wie es heißt, ist es ja sogar ein Ziel, möglichst so zu sein, so zu denken und so zu reden wie der Meister selbst. Ein Ziel, das vom kleinsten Nachfolger bis zum heiligsten Apostel alle teilen!

Besonders eindringlich wird manchesmal von denen erwartet, die vorne in der Kirche reden, dass sie wie der Meister reden. Seien es die auf der Kanzel oder im Altarraum, seien es die, die in der „Struktur“ weit vorne sind. Es gibt auch die Forderung (oder den Anspruch)in Person des Meisters zu reden, lateinisch: „in Persona“. Was bedeutet das? Wie könnte das gehen? Und: Wie lässt sich jeweils überprüfen, ob es stimmt?

In der Sprachschule des Meisters

Lassen wir dabei einmal beiseite, ob und in welchem Grade jemand, der vorne steht, mehr und besser die Sprache des Meisters sprechen soll als die anderen Nachfolgen sollen sie ja beide –, eines ist klar: Um zu sprechen wie der Meister, muss man sich in seine Sprachschule begeben. Und um in Persona des Meisters zu reden (oder um den Inhalt der Rede zu überprüfen) muss und sollte man wohl wissen, wie und wer die Person des Meisters war und ist! Damit sind wir wieder bei der Bedeutung des „Bibelslangs“ oder besser: der einzelnen Schriftstellen von denen schon die Rede war, sowie insgesamt der Schrift.

Denn: Wie könnte man besser lernen, so wie der Meister zu reden, als wenn man die Worte und die Reden des Meisters kennt und sie studiert? Und woher sollte man besser wissen, wer und wie die Person des Meisters war, als aus den frühesten Berichten erster Hand? Und, ja, es gibt eine Urkunde von beidem. Diese Ur-kunde liegt vor in den Schriften des Neuen Testaments.

Die Person des Meisters

Was lesen wir über die Person des Meisters? Nun, zum Beispiel folgendes: Dass er Sachen über Gott sagte. Das ist für Sie jetzt vielleicht trivial. Eigentlich weiß ja jeder, dass dieser Jesus von Nazareth irgendwie irgendetwas über Gott sagte1. Andererseits ist es ganz und gar nicht selbstverständlich. Schließlich sagt nicht jeder Sachen (und vor allem nicht solche!) über Gott. Er war da also etwas besonderes. Er sprach zum Beispiel recht schlicht vom Wort Gottes, das wie Weizen ist (Mk 4,26; vgl. Mt 13,31; Joh 12,24). Er sprach vom schlichten Vertrauen und von Zuversicht, die schon genügen und Unglaubliches bewegen, wenn sie in Senfkorngröße vorkommen (Lk 17,6). Er sagte das scheint schon etwas anspruchsvoller –, bei Gott ist es wie bei der Geschichte vom Samariter (Lk 10,30-37).

Stellen wir uns nun zwei kleine Dorfkanzeln vor. Auf der einen redet jemand und sagt, ich rede in Person des Meisters, der sagte: „Glücklich sind, die Frieden stiften.“ Und auf der anderen sagt jemand, ich rede in Person des Meisters, der sagte: „Glücklich sind, die Wattekugeln in den Himmel werfen“. Wonach wird man entscheiden, wer Anspruch darauf machen kann, richtig zu reden? Richtig: Man schlägt in der Ur-Kunde nach und schaut, was da geschrieben steht.2

Das Thema Friede ist ja sehr vielschichtig.3 Denn der Meister gibt „Frieden“ (ja) nicht nach dem bekannten Schema der Welt, wie es an einer Stelle heißt, sondern auf neue Weise. Es geht dabei theologisch insgesamt um eine Neuqualifikation dessen, was zurecht als „Friede“ bezeichnet werden kann. Das taucht zum Beispiel auf, wenn das Stichwort „Osterfriede“ Verwendung findet.4

Der Geist des Meisters

Nun bauen wir noch eine dritte Dorfkanzel. Dort redet jemand und sagt, es ist so: Mit Friede ist hier ein innerer Friede gemeint, nicht ein äußerer Friede… Wie soll man uns jetzt raten?5Wie ist, wie war es wirklich gemeint? Antwort: Das können wir nur erfahren und herausbekommen, wenn wir denselben „Geist“ der Worte in Erfahrung bringen, der den ursprünglichen Worten eigen war.6 Und richtig, wir ahnen das7 schon: Um das in Erfahrung zu bringen, ist es nötig, sich eben in die besagte Sprachschule des Meisters zu begeben.8

Der Text und seine Bedeutung

Zuletzt: Was jedoch ist die mindeste Voraussetzung, um den Inhalt und die Sprache eines Textes zu verstehen? Logisch: Dass man den Text selbst kennt! Wer schon den Text nicht hat, nicht kennt, sich nicht damit beschäftigt, der kann auch nicht darauf hoffen, dessen genuine Sprache und ihren Inhalt zu verstehen ..., das leuchtet ein.

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Anmerkungen

1 Darum geht es generell in der Theo-logie: Theo logie bedeutet ja genaugenommen Rede/Wort von Gott (griechisch: theos = Gott, logos = Rede, Wort, Verständnis, Sinnverstand...).

2 Daraus leitet sich ab, und ist sicher jedem einsichtig, dass „die Schrift“ eine so große Bedeutung und Autorität in der Kirche hat. Deshalb ist es bedeutsam, dass mindestens einem US-Bischof die „Autorität der Schrift“ ein großes Anliegen ist. Das ist auch deshalb bedeutsam, weil, wie man hört, dort besonders wichtig ist, den inhaltlichen Streit über Lebensrechte (am Anfang und am Ende des Lebens), über den man ja zurecht streiten kann, weil es um sehr ernste Fragen geht, nicht militant in Straßenkämpfen oder mit Psychoterror zu führen, sondern nach Recht und Gesetz, mit Worten und mit Widerrede, nach dem (nach Möglichkeit und menschlichem Ermessen) besten Argument (also friedlich)…

3 Man könnte zum Beispiel einen Frieden erster Ordnung und einen Frieden zweiter Ordnung unterscheiden. Statt am Beispiel „Friede“ ließe sich Vielschichtigkeit auch an manchen anderen Themen zeigen, wie z.B. „Geschenk des Lebens“ (vgl. die biblische Aussage „Was hast Du, dass Du nicht empfangen hättest?“, 1Kor 4,17) oder „Weisheit“ (Wort und Weisheit, vgl. etwa die Sprüche Salomonis).

4 Wie das vereinzelt in Europa zu hören ist. In einer einschlägigen Erzählung taucht dasselbe auf, wenn zum Beispiel bei seinem Einzug nach Jerusalem berichtet wird, dass der Meister umjubelt auf einem Esel (!) dort einzieht. Theologisch ist damit unter anderem gesagt, dass er sich zwar eben auch auf eine Art Triumphzug versteht, wie üblicherweise durchaus die Mächtigen, Herren und Könige der Welt. Er kommt aber als ein Anti-König. Die bekannten Herrscher und Herrschaftsweisen lässt er (oft) weitgehend unangetastet, hat damit gar nicht viel zu tun. Er ist ein König auf eine andere Weise, in einer anderen „Dimension“.

5 Bevor wir das klären, haben wir jedenfalls schon so viel dazugelernt: Es reicht bei weitem nicht, einzelne Schriftstellen aufzuzählen. Oder einzelne Worte aneinander zu reihen. Sondern es kommt auch auf das jeweilige Verständnis der Worte an (wie sie in ihrem Kontext begegnen, usw.). In klassischer Bibelsprache gesagt: Es kommt auch auf den richtigen „Geist“ an.

6 Im Ablauf des Kirchenjahres kommt das darin zum Ausdruck, dass nach dem Osterereignis erst das Pfingstereignis eintreten, erst Pfingsten werden muss, um die volle Bedeutung zu erfassen. (So dass und damit man nicht die Worte nach dem eigenenvielleicht sich arg täuschendenVerstand/Verständnis, sondern nach dem ursprünglichen (richtigen) Verstand auffasst, auslegt, und versteht.) Und in theologischer Rede ist das darin aufgenommen und enthalten, dass man um das richtige Verständnis und den richtigen Geist, immer wieder neu erst bitten soll und darf.

7 In der jüngsten Kurienreform des Vatikans ist durch Reihenfolge, Strukturierung und Rangfolge der Behörden, Person und Geist des Meisters sichtlich eine vorrangige Bedeutung eingeräumt und zugedacht. Gewiss ist unsicher, wie viel Strukturen als solche aussagen und bewirken, aber jedenfalls geben sie einen Fingerzeig und eine Ahnung wie etwas gemeint ist, worauf man besonders achten soll, was besonders wichtig ist.

8 Die Worte in ihrem Sinn wollen sich manchmal eben nur langsam erschließen. Oft ist es auch ganz klar. Um die Worte richtig zu verstehen, um in und mit ihnen zu denken, dann auch diese selber richtig zu sprechen, dafür eben gibt es und begibt man sich in die besagte Sprachschule des Meisters (s.o.).

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

m.schuetz

Hobby-Intellektueller, angehender Humorist, (jetzt auch Spaßblogger, Aktivist und Bürgerrechtler), twittert hier nicht

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