Der Dortmunder Kirchentag 2019

Rückblick Unter dem Motto „Was für ein Vertrauen“ fand vom 19.-23. Juni in Dortmund der 37. Evangelische Kirchentag statt.

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Immer wenn Kirchentag ist, schlägt bei der taz die Stunde der Volontärinnen und Volontäre. Dann werden Nachwuchsjournalisten ausgesandt, diesmal neun, um das Ereignis journalistisch zu begleiten. Vier Sonderseiten der 'Kirchentaz' erscheinen an vier Tagen. „Die taz und das Christentum, passt das denn zusammen? Ja, klar. Viele unserer LeserInnen sind in kirchlichen Initiativen aktiv.“, heißt es zur Erklärung.

Und was soll man sagen? Der taz-Nachwuchs hat, wie manche im Jugendjargon formulieren würden, tatsächlich „etwas auf dem Kasten“: Da ist durchaus das ein oder andere lesbare Stück dabei. (Und wohl aus Gründen der Generationengerechtigkeit durften dann auch ältere Semester schreiben.) Man kann der taz Panter Stiftung daher nur gratulieren, dass sie in der Lage ist, grundsätzlich zu erkennen, dass beim Kirchentag viele „typische taz-Themen“ verhandelt werden; weil das ja manchmal bezweifelt wird.

Während wir den stupenden Befund hier unkommentiert lassen, wenden wir uns einer weiteren bemerkenswerten Kirchentags-Nachricht zu.

Ethik der Digitalisierung

Eigentlich hätte der Dortmunder Kirchentag schon am 20. Juni wieder schließen können. Denn mit der Grundsatzrede zur Digitalisierung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am ersten Tag war schon so viel wichtiges und richtiges gesagt, dass man sich die nächsten zwei Jahre mit fast nichts anderem mehr befassen müsste.

Die Rede enthält viele Formulierungen, die schon jetzt als 'klassisch' betrachtet werden können, eine klassische Beschreibung anstehender Aufgaben: „Nicht um die Digitalisierung der Demokratie müssen wir uns zuallererst kümmern, sondern um die Demokratisierung des Digitalen!“ Es wird die „Rückgewinnung des politischen Raumes“ gefordert und entschieden gewarnt vor der „alltäglichen Manipulation durch vermeintlich kostenlose, bunt blinkende und attraktive Dienstleistungen, die uns hinterrücks ausleuchten und unsere Daten absaugen“!

Wie schon in früheren Reden des Staatsoberhaupts wird das alles unter dem Stichwort „Ethik der Digitalisierung“ vorgebracht. „Die digitale Welt ist bislang in erster Linie um uns herum und ohne unser Zutun gestaltet worden. Die digitale Welt von heute dient [...] den Interessen derer, die unsere Geräte voreinstellen, unsere Anwendungen programmieren, unser Verhalten lenken wollen.

Doch die Digitalisierung müsse nicht wie ein monströses Naturereignis hingenommen werden.

Deshalb brauchen wir den Mut, das Spiel zu unterbrechen und die Spielregeln zu überprüfen. Was einmal gestaltet worden ist, kann auch neu gestaltet werden! Was programmiert wurde, kann neu programmiert werden! Also: Trauen wir uns, und ändern wir das Programm! Unsere Ethik der Digitalisierung beginnt mit einer politischen Unabhängigkeitserklärung – gegen digitale Fremdbestimmung“.

Das Echo auf die Rede war weitgehend positiv und zustimmend, einschließlich BVDW (Bundesverband Digitale Wirtschaft) und VDI (Verband Deutscher Ingenieure). Da kann man nun entschlossen nachlegen.

Echo auf den Kirchentag

Auch das mediale Echo auf den Kirchentag insgesamt wusste dem Treffen die eine oder andere positive Seite abzugewinnen. Natürlich bleibt der Kirchentag einerseits ein herausforderndes, ein kritisches, auch ein umstrittenes Großevent. Andererseits sind die vielfachen Impulse in die verschiedensten Kontexte hinein kaum von der Hand zu weisen.

Dass der Kirchentag ein Ort war, an dem Vertreter der Politik untereinander und im Dialog mit interessierten Bürgern abseits von Parteitagszwängen sprechen konnten (ausnahmsweise und wenn es sein musste auch mal ganz unkontrovers), hat sich wieder als recht wohltuend erwiesen, und die Themensetzungen auf den Podien und bei den Vorträgen hat wieder eine Vielzahl aktueller Fragen abgebildet und bearbeitet.

Indem es möglich war, auch journalistische Vertreterinnen wie Anja Reschke und Dunja Hayali, aber auch Vertreter wie Georg Mascolo oder Jörg Thadeusz (sowie ZEIT-Chefredakteure, Video-Kolumnisten der Süddeutschen Zeitung, u.a.), als Teilnehmer mit der Kirchentagswirklichkeit zu konfrontieren, aber auch umgekehrt Kirchentagsbesucher mit realen Exemplaren der nägelkauenden Pressezunft, besteht vielleicht ein wenig Hoffnung, dass zumindest manche der ideologischen Zerrbilder früherer Äonen ein Stück weit verblassen könnten und zunehmend oder partiell eher überwunden werden oder doch an ihnen gerüttelt wird. (Es ist eben nicht so, dass unter einem Kirchendach einfach per se nur tumbe Gestalten zu finden sind.)

Und vielleicht sollte überlegt werden, ob auch für Kirchentagspräsidenten, sofern sie Journalisten sind und Leyendecker heißen, eine zweite Amtsperiode eingeführt werden könnte.

Presseschau: Stimmen zum Kirchentag

„… eine Großveranstaltung, bei der sich in dieser thematischen Vielfalt Politik, Kirchen, zivilgesellschaftliche Organisationen und ein breiter Querschnitt der Bevölkerung begegnen und in konstruktiver Weise austauschen, gibt es in Deutschland und vielleicht auch Europa nicht ein zweites Mal.“ (Westdeutsche Zeitung)

„… gleich mehrere Beiträge des Treffens der deutschen Protestanten ragen so sehr aus dem Normalniveau heraus, dass sie wohl auch in den nächsten Wochen und Monaten weiter diskutiert werden. Das gilt zuallererst für die Grundsatzrede, die Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vor Tausenden begeisterten Besuchern hielt. Denn völlig zu Recht forderte das Staatsoberhaupt eine "Ethik der Digitalisierung". (Rheinische Post)

Der nächste Kirchentag ist 2021 in Frankfurt am Main.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

m.schuetz

Hobby-Intellektueller, angehender Humorist, (jetzt auch Spaßblogger, Aktivist und Bürgerrechtler), twittert hier nicht

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