Die Verantwortung der Medien

Kommentar In der beginnenden Aufarbeitung der Coronakrise könnte auch eine Chance zur Weiterentwicklung journalistischer Standards liegen.

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Wenn es jetzt also an die Aufarbeitung der „Coronakrise“ geht, wird gewiss auch die Rolle der Medien auf den Prüfstand kommen müssen. Wie konnte es soweit kommen? Wodurch wurde die Krisenstimmung, die keinerlei Rückfragen erlaubte, herbeigeschrieben? Der Kommunikationswissenschaftler Mathias Kepplinger hat in mehreren Studien herausgearbeitet, welche Mechanismen zu einer verzerrten öffentlichen Wahrnehmung von Sachverhalten führen. Das bewusste Weglassen von Informationen zum Beispiel (Totschweigen). Sowie die gezielte Konzentration auf Einzelfälle, die verfälschend als ein überbordendes Generalproblem dargestellt werden, obwohl sie das gar nicht sind (Skandalisieren). Beides lässt sich in der Coronakrise feststellen.

Ein halbes Jahr lang Zimmerarrest allein wegen der Presse

Nun gab es in der Geschichte immer wieder einmal aufgebauschte Überreaktionen, über die sich nach ein, zwei Wochen jedoch kaum noch jemand aufregte. Warum sollte es diesmal anders sein?

Weil gerade eine ganze Generation Kinder und Jugendlicher heranwächst, die genau weiß und wissen wird, dass sie ein halbes Jahr lang in Wohnungen und Zimmer eingesperrt saßen offensichtlich ohne triftigen Grund allein wegen einer Sachverhalte aufbauschenden Presse!

Auch einige der aufgeweckteren Eltern werden sich bestimmt noch länger daran erinnern, was über ein halbes Jahr in den Familien stattgefunden hat. Doch Kinder sind keine Treiber von Corona-Infektionen (tagesschau: Oktober 2020, t-online: Juni 2021). Kinder erkranken an Corona selbst so gut wie nie (schwere Erkrankungen eine extreme Seltenheit“, so die ärztliche Fachgesellschaft DGPI).

Der jetzt avisierte Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags könnte also einiges zu tun bekommen. Für den Medienanalysten Stephan Russ-Mohl waren es vor allem die Medien, die mit einem „grotesken Übersoll an Berichterstattung“ eine aufgeheizte Stimmung Richtung Lockdown erzeugten, dem sich „Regierungen in Demokratien kaum entziehen“ können.

Gleichzeitig gab es eilfertige Regierungsstellen, die diese Sogwirkung nur allzu betriebsam gefüttert haben. Eine rückkoppelnde distanzierte Kritik oder Überprüfung staatlicher Maßnahmen durch die sog. Vierte (Kontroll-)Gewalt“ im Staate fand im weiteren Verlauf so gut wie nicht mehr statt!

Vorschreiben der Berichterstattung nicht nötig

Es kursiert ja diese Unterstellung, dass in manchen Medien regelmäßig Regierungsmitglieder anrufen und diktieren, was diese zu berichten haben. In Wahrheit kommt das wahrscheinlich wirklich nur recht selten vor. Der Punkt ist, dass in Deutschland dergleichen an vielen Stellen eben gar nicht nötig ist! Weil die Medien (oft) schon von selbst ganz staatsergeben berichten...

Beweis? Monatelang berichteten damals Nachrichtensendungen und Zeitungshäuser (falls Sie sich erinnern) täglich und an erster Stelle eins zu eins unhinterfragt als bare Münze (!), was ein tendenziell weisungsgebundenes bundeseigenes Institut (das RKI) im Auftrag eines Ministeriums veröffentlichte! Und behandelten monatelang allen Ernstes eine sog. „Inzidenz“ als belastbaren wissenschaftlichen“ Wert. Obwohl jeder weiß, dass es sich um eine vollständig oder weitgehend beliebig festgelegte politische Zahl handelt, zudem abhängig von der jeweiligen Testhäufigkeit, -strategie usw. (die je nach Tagesform und Verhandlungsstand als Grenzwert mal auf 50, mal auf 25, dann auf 100, mal (was hatten wir noch nicht) auf 200 taxiert wurde). Sicher kein wissenschaftliches Verfahren, was jeder Wissenschaftler eingestehen muss, der in der Fachwelt ernstgenommen werden will (SWR).

Jetzt wird in Medien gefragt, ob die „Bundesbremse“ unnötig war (so Die ZEIT vom 10. Juni 2021). Jetzt wird im Nachhinein berichtet, dass die Zahlen der „Intensivregister oft nicht stimmten (ZDF, MDR). Dass die genaue Wirkung des Lockdowns fraglich ist. Erinnern Sie sich noch an die von Medien erzeugte Stimmung gegenüber unbescholtenen Bürgern, die schon während der Hochphase des Lockdowns ganz einfach intuitiv Zweifel anmeldeten? Erinnern Sie sich noch an die Zeiten, als fraglich war, ob man, ganz eventuell, nicht staatliche Maßnahmen auch einmal in Frage stellen müsste, um vor Schlimmerem zu bewahren?

Es ist davon auszugehen, dass demnächst auch noch andere Betroffenengruppen als Kinder und Jugendliche und deren Eltern sich zu Wort melden. Manche Medien waren besonders aktive Lockdown- und Krisentreiber! (Und gegenüber Fragestellern unerbittlich!) Es gab eine Zeit, wo man medial an den Pranger gestellt wurde, wenn man die Wirkung und Verhältnismäßigkeit von Schulschließungen auch nur diskutieren wollte (Augsburger Allgemeine).

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

m.schuetz

Hobby-Intellektueller, angehender Humorist, (jetzt auch Spaßblogger, Aktivist und Bürgerrechtler), twittert hier nicht

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