Evangelisch sein ist einfach

Kirche Beobachtungen aus der ökumenischen Soziologie.

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Protestanten haben es nicht leicht. Sie werden einmal im Jahr gezwungen, Reformationstag zu feiern und sich daran zu erinnern, dass ihr Leben und ihr Glaube ein Geschenk ist, dass sie nichts leisten müssen, und dass sie trotz aller Unbill der Zeitläufte „fröhlich und getrost“ sein dürfen.

Doch katholisch sein ist auch nicht einfach. Ständig wird man gefragt, warum man sich auf eine zweitausend Jahre alte Geschichte zurückzieht, statt mit dem schnellen Mainstream mitzuschwimmen, warum man sich auf alte (Schrift-)Traditionen beruft und die „Evangelisierung“ des eigenen Lebens für so wichtig hält.

Reformationstag ökumenisch

Evangelisch – Katholisch: Heutzutage findet ja vieles in ökumenisch gemeinsamer Gesinnung statt. Wie sich immer wieder an den Feiern zum Reformationstag zeigt. Denn was den Anlass des Reformationstags angeht, sind sich beide Seiten heute ja ganz einig, wie schon oft betont wurde: Niemand in der heutigen katholischen oder protestantischen Kirchenwelt vertritt die Ansicht, dass man Ablässe für Geld verkauft. Genau das war aber der Auslöser der Reformation im 16. Jahrhundert. Den Reformationstag können im Blick auf diese Frage Protestanten und Katholiken daher ganz entspannt gemeinsam begehen. Auch in vielen anderen Fragen gibt es viel Gemeinsamkeit, z.B. ob man Gottesdienste in der jeweiligen Landessprache halten kann. Und auch bei anderen theologischen Kernfragen ist man heute weiter.

Trotzdem gibt es natürlich weiterhin offene Fragen. Ein Punkt ist die Priesterehe. Wenn man sich anschaut, welchen ungeheuren „Wirbel“ die dreiwöchige Amazonas-Synode dieser Tage in Rom verursacht hat, allein durch die Frage, ob in sehr entlegenen Regionen in einigen Ausnahmefällen ältere „bewährte Männer“ heiraten dürfen („Viri probati“), dann kann man sich etwas besser vorstellen, welche ungeheuren Umwälzungen die Reformation vor 500 Jahren bedeutet hat, als sie – als nur einen Neben-Punkt von vielen – eben die Priesterehe durchsetzte.

Natürlich werden Protestanten heute die Bischofsentscheidungen zur vorsichtigen Öffnung der Regelungen für Viri probati, die die Amazonas-Synode ergeben hat, mit viel Sympathie verfolgen. Und man wird Papst Franziskus sicher wünschen, dass er an dieser Stelle den Bischofsempfehlungen folgt. Andererseits ist es für Evangelische eben nur ein Punkt unter vielen, und sicher nicht der wichtigste. Für die Reformatoren war es jedenfalls eher ein „Nebeneffekt“, als man sich darauf besann, wieder zu den Ursprüngen zurückzukehren, wieder zu Petrus zurückzukehren (der ja verheiratet war, wie man in den Evangelien, im Neuen Testament lesen kann.)

Mit Sympathie werden Evangelische daher sicher, wenn auch nicht alle, so doch viele Überlegungen verfolgen, die die deutsche katholische Kirche auf ihrem jüngst vereinbarten „Synodalen Weg“ angehen will. Man wird sich dabei natürlich weitgehendst heraushalten, weil man ja nicht als vermeintlich „besserwisserischer Zaungast am Rand dazwischenquatschen“ oder so erscheinen will. Und doch ist es höchst spannend zu sehen, wie nun also laut der gestern veröffentlichten Satzung (Download PDF) in einem verbindlich vereinbarten Rahmen zu zentralen Themen- und Handlungsfeldern wie „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche – Gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag“ oder „Priesterliche Existenz heute“ u.a. gesprochen werden soll. Anspruchsvoll sind auch die Vorgaben zur Beschlussfassung der Synodalversammlung: Ihre Beschlüsse erfordern eine Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder, die eine Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz enthält.“ (Artikel 11)

Zu jedem Beschluss finden mindestens zwei Lesungen statt. Spätestens ein Monat vor der ersten Lesung und spätestens zwei Monate vor der zweiten Lesung wird die Vorlage allen Mitgliedern vorgelegt und auch veröffentlicht. Die Beratungen werden über einen Zeitraum von 2 Jahren hinweg stattfinden. Symbolischer Beginn ist am 1. Advent (1. Dezember diesen Jahres), die erste Zusammenkunft dann Ende Januar 2020. Anschließend ist nach drei Jahren eine Evaluierung geplant. Bindend sind die Beschlüsse soweit sie weltkirchliche Belange betreffen dabei nicht, sondern werden dann dem Papst in Rom zur weiteren Prüfung vorgelegt.

Evangelisierung“: ursprünglich evangelisch sein ist leicht

Nicht ganz verständlich ist aus protestantischer Sicht, warum bei diesem Procedere sog. „konservative Kreise“ in der katholischen Kirche Sorgen haben. Denn gerade aus Rom und von Papst Franziskus kommen ja eindeutige Signale, beim synodalen Prozess alles Gewicht zuallererst auf die „Evangelisierung“ oder „Neuevangelisierung“ der Kirche, der Teilnehmer und aller Kirchenmitglieder zu legen. Das ist ein zutiefst „Evangelisches“ Anliegen, in dem sich katholische und protestantische Christen sicher in nichts nachstehen. Denn Evangelisch sein im ursprünglichen Sinn ist ja ganz einfach, wenn man so will. Auch wenn es immer wieder Mühe macht, sich solchen im ursprünglichen Sinn reformatorischen“ Rückkehrprozessen zum Ursprung zu unterziehen.

Haupthinderungsgrund für solche Rückkehrprozesse scheint heutzutage ja weniger der Papst in Rom, als vorallem wie schon seit Jahrhunderten die in Rom „sesshaft“ gewordene Kurie zu sein. Eine Einrichtung, die weder Petrus noch sein Meister jemals erwähnt oder gekannt hat. Doch wie zu hören ist, wird dieser Tage eine Kurienreform auf den Weg gebracht. Alle evangelisch katholisch römisch Gesinnten sollten um der Ökumene willen diese wichtige „Evangelisierung“ einer in die Jahre gekommenen Institution beherzt und in Gebeten unterstützen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

m.schuetz

Hobby-Intellektueller, angehender Humorist, (jetzt auch Spaßblogger, Aktivist und Bürgerrechtler), twittert hier nicht

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