Informatiker verlassen Facebook

Notiert Die digitale Welt macht wieder mit vielen Negativ-Schlagzeilen auf sich aufmerksam.

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Zum heutigen 15. Mai schließt die Vereinigung der deutschen Informatiker (GI) ihre Facebookpräsenz. Als Grund werden die demokratiegefährdenden Potenziale der Plattform, die offensichtliche Unfähigkeit, Datensicherheit zu bewerkstelligen, und die Verfolgung von Kritikern via GPS-Ortung genannt. Ein Vorgang, der zu einem wichtigen Wendepunkt in der bislang noch kurzen digitalen Entwicklung werden könnte. (Besonders wenn er viele Nachahmer findet.) Immerhin haben hier Leute, von denen man erwarten darf, dass sie die technischen Möglichkeiten einigermaßen durchschauen und in ihrer Tragweite abschätzen können, ein klares Urteil abgegeben.

Politik der offenen Klotüre

Unterdessen machen weitere Schreckens-Meldungen die Runde. Der Facebook-Ableger Whatsapp wurde gehackt und mit Spysoftware infiltriert. Die Software soll unter anderem dazu in der Lage sein, von außen einen Zugriff auf das Mobiltelefon zu erlauben. Es genügte, einen Anruf an ein beliebiges Smartphone zu simulieren, um die Schadsoftware zu installieren. Dabei war nicht nötig, dass der Anruf entgegengenommen wurde. Ähnliche Software-Werkzeuge bieten die Funktion, dann die Mikrofone und Kameras am Handy von externer Seite freizuschalten. Außerdem Bewegungsprofile zu erstellen oder Nachrichten mitzulesen.

Nachdem bereits im März bekanntgeworden war, dass man sich selbst bei der uhrwerkspräzisen Schweizer Armee Sorgen hinsichtlich der informationellen Integrität machen muss, konnte auch die Nachricht keine wirkliche Überraschung mehr darstellen, dass (ebenfalls im März 2019) ein großes Datenleck in China mit 364 Millionen Datensätzen den dortigen Umfang staatlicher Überwachungstätigkeiten offengelegt hat.

Gleichwohl gilt natürlich der alte Hackergrundsatz: Nur der unentdeckte Hackerangriff ist ein guter Hackerangriff. Welche heimlichen Datenabflüsse in China, in der Schweiz oder anderswo stattfinden und stattgefunden haben, wird die Öffentlichkeit vielleicht erst später oder nie erfahren.

Interconnection auf dem Vormarsch

Vermutlich ist auch das ein Grund, warum viele Unternehmen sich zunehmend vom öffentlichen Internet verabschieden und sich verstärkt auf private Netzwerke der „Interconnection“, quasi ein privates Internet, aus Sicherheitsbedenken heraus verlegen. Ein expandierender Markt, bei dem sich Firmen ein von der Außenwelt abgeschottetes z. B. Glasfasernetz errichten. Was das alles für das vielgepriesene 5G-Projekt bedeutet, steht wohl in den Sternen. Dass jedenfalls der Privatverbraucher von 5G bis auf Weiteres und in der Mehrzahl kaum Vorteile haben dürfte, kann ebenfalls ein weiterer Anlass zum Grübeln werden. Bricht das bisherige All-in-one-Internet auseinander? Und wäre das nicht eigentlich zu begrüßen?

Gut immerhin, dass wir in diesen Tagen auch das einjährige Jubiläum der Datenschutzgrundverordnung DSGVO feiern. Eine echte Erfolgsgeschichte der Politik und der EU, die über manche Negativmeldung beinahe hinwegtröstet.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

m.schuetz

Hobby-Intellektueller, angehender Humorist, (jetzt auch Spaßblogger, Aktivist und Bürgerrechtler), twittert hier nicht

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