Symbol der Veränderung

Zölibat Kann es in der katholischen Kirche Veränderungen geben? Ja, wie das Pflichtzölibat beweist.

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Aus alt mach neu? Ursprungstreue oder Tradition? Jeder lebendige Organismus steht immer wieder vor der Frage, wie er sich gegenüber Veränderungen hält. Vollziehen sich (sei es im Äußeren oder Innern) Veränderungen, kann er mit Anpassung reagieren oder mit festem Ruhen in Beständigkeit.

Veränderungen kann es in der Kirche gar nicht geben“, sagen manche, die als Traditionalisten gesehen werden.

Im Folgenden soll darum am Beispiel „Priesterzölibat diskutiert werden, ob es in der Kirche Veränderungen geben kann. Die Frage selbst wird dabei (natürlich) nicht entschieden. Es sollen nur verschiedene Argumente nebeneinander gestellt werden. Es wird in dieser kleinen Abhandlung auch sicher nicht abschließend oder erschöpfend alles angeführt, was zum Thema zu sagen ist. Es sollen nur einige Gesichtspunkte benannt werden.

Zuerst ist nochmals zu betonen, dass die Frage selbst wirklich offen bleiben wird. Es geht einfach um ein Abwägen, um die Sache klarer vor sich zu haben. Laut dem Erzbischof von Wien handelt es sich beim Zölibat auch nur um ein „Sächlein“, also eine relativ unbedeutende Sache.

Das Blog wird zudem natürlich auch keine wissenschaftliche Abhandlung im eigentlichen Sinn. Nur einige neutestamentliche Schriften sollen herangezogen werden, weil sie für die Angelegenheit eine gewisse Rolle spielen. Und einige Positionen aus der Geschichte. Andere mögen mit mehr Akribie und Scharfsinn etwas Ausführlicheres und Eingängigeres zu Wege bringen. Hier geht es nur um anfangshaftes Zusammentragen von Stimmen, Meinungen und Gründen, die allgemein zu hören sind. Manches wäre dabei wohl noch genauer nachzuprüfen oder prägnanter darzulegen. Es ist das alles noch ein wenig ungeschützt, testweise, ins Blaue gesagt.

Gleich zu Beginn zu betonen ist, dass zölibatäres Leben eine Vielzahl positiver Auswirkungen, „Früchte“ und Argumente für sich aufzuweisen hat. Nun gibt es etliche, die sagen, der Zölibat sei geradezu eine Heilsfrage. Das wiederum ist sicher überstilisiert, wie sich gleich zeigen wird. Es ist gewiss nicht die Hauptsache oder das Wichtigste, worum es in der Kirche geht. Wichtiger sind (eigentlich) ganz andere Fragen. Da die Zölibatsfrage aber unter vielen Fragen auch eine Frage ist, ist sie auch zu diskutieren.

Schließlich ist also vorab noch zu betonen, dass es wirklich legitim ist, so zu fragen. Nicht nur dass es durch die Jahrhunderte immer wieder Diskussionen darum gab: In und außerhalb der Kirche als eine weitläufige kollektive Frage. Doch auch jeder Priesteramtskandidat muss individuell, für sich persönlich ja diese Frage klären. Es ist daher nicht nur legitim, sondern geradezu erforderlich, sich diesem Fragenkomplex immer wieder neu zu stellen.

Kirchenrechtlich

Fragt man einen katholischen Kirchenjuristen, so wird dieser antworten: Die Frage nach dem Zölibat ist variabel zu beantworten. Eine unabweisbare Zölibatspflicht besteht nicht. So können etwa römische Instanzen einen Dispens vom Zölibat erteilen. Es gibt heutzutage katholische Priester, die verheiratet sind. Wenn etwa ein evangelischer Pfarrer mit Familie zum Katholizismus übertritt, kann er auch als katholischer Priester verheiratet bleiben. In den Jahren des Pontifikats von Benedikt XVI. wurde Vergleichbares für übertretende anglikanische Geistliche eigens eingerichtet. Das sind nun Ausnahmeregelungen.

Systematisch-theologisch

Auch ein Blick in die Dogmatik ergibt, dass die Zölibatsfrage so oder so beantwortet werden könnte. So heißt es im theologischen Fachlexikon LThK (Lexikon für Theologie und Kirche) in renommierter Herausgeberschaft: „Es besteht Einigkeit darüber, dass ein notwendiger Zusammenhang zwischen Priestertum und Ehelosigkeit nicht erwiesen werden kann.“ (Art. Zölibat, Bernhard Fraling). Das bestätigt, dass das Zölibat einerseits keine notwendige, andererseits aber eine mögliche Entscheidung ist.

Das alles mag nun teilweise ein wenig weitläufig oder „sophisticated“, wenn nicht „sophistisch-wortklauberisch-geklügelt wirken, die Frage wird freilich häufig auch sehr weitläufig und mitunter recht „subtil“ diskutiert.

Erstes Zwischenfazit

Bevor wir im Weiteren noch einen Blick auf das Neue Testament und in die Kirchengeschichte werfen, kehren wir zuerst noch einmal zu unserer eigentlichen Fragestellung zurück. Wie gesagt, soll die Zölibatsfrage hier ja unentschieden bleiben. Unser Hauptanliegen ist nur die Frage, ob es generell und prinzipiell in der Kirche Veränderungen geben kann.

Denn oft begegnet in Diskussionen wie gesagt das Argument, dass es in der Kirche keinerlei Änderungen geben könne. Besonders in den Kirchen der Reformation wird darauf abgehoben, dass die ursprüngliche Gestalt des Christentums normativen Charakter habe. Änderungen gelten als Verwässerung. (Hier wird dann besonders auf die ersten Schriften hingewiesen, die dann zum „Neuen Testament“ kanonisiert wurden. Diese stammen aus dem 1. Jh. oder je nach Schule auch aus dem 2. Jh. n.Chr.).

Etwas anders die Katholische Kirche: Diese nimmt für sich in Anspruch, dass es auch nach der ursprünglichen „Offenbarung“ weitere Lehrentwicklungen geben kann. Das ist das sog. Traditionsprinzip. Die Katholische Kirche hat davon im Laufe der Jahrhunderte auch vielfach Gebrauch gemacht. Aus Sicht der Reformationskirchen („Re-formation“ d.h. Rück-formung, Rückkehr zum Ursprünglichen) wurden daher stets die Katholiken als die „Neuerer“ angesehen, die gegenüber dem Urchristentum (und der alten Kirche) Neues eingeführt haben. Für manchen überraschend, sind also die protestantischen Kirchen an dieser Stelle ganz „konservativ“ und die katholische Kirche steht auf der Seite der „Neuerung“.

Damit nähern wir uns auch bereits der ersten Konklusion: Kann es in der Kirche Veränderungen geben? Laut Katholischer Kirche eindeutig: ja.

Ein einschlägiges Beispiel dafür ist just das Zölibat. Was nun zu zeigen ist.

Kirchengeschichtlich

Sucht man ein Datum, wann das Pflichtzölibat erstmalig festgeschrieben wurde, so kommt man in das Jahr 1139. Es gibt dafür ein einschlägiges Kirchendokument. (Es waren damals auch wohl nicht wenige Laien, die an ihre Priester die Erwartung der Ehelosigkeit herantrugen.) Doch schon indem auf diese Kirchenbestimmung hingewiesen wird, ist unsere Frage ja beantwortet. Denn, wurde der Zölibat erstmalig im Jahr 1139 festgelegt, folgt ja unweigerlich: Vorher gab es diese Festlegung so nicht. Es gab hier folglich eine maßgebliche Veränderung.

Nun sagen manche, nein, in der Praxis gab es zölibatäre Priester ja schon vorher. Und auch die Jünger Jesu waren Männer, die unverheiratet waren, oder ihre Familien verlassen haben. Bevor wir dieses Argument im Neuen Testament zu bestätigen suchen, bleiben wir noch kurz in der Kirchengeschichte.

Denn schaut man in die große Ostkirchliche Tradition, die „Orthodoxen Kirchen“, die sich getrennt von der Westkirche entwickelt haben, so zeigt sich, dass diese durch die Jahrhunderte einen Pflichtzölibat nicht kennen (bzw. nur für Bischöfe). Von Priestern wurde im Gegenteil sogar erwartet, dass sie verheiratet sind. So ist auch hier leicht zu sehen, dass der röm.-kath. Westen eine Neuerung und Veränderung gegenüber früheren Traditionen eingeführt hat.

Und schaut man genauer hin, so gibt es sogar reguläre, ostkirchlich geprägte Kirchen (katholische Unierte Kirchen), die vollgültige Teilkirchen der röm.-kath. Kirche sind, in denen verheiratete Priester die Regel sind. Das sind nun keine Ausnahmeregelungen, wie oben, das sind regelhaft nonzölibatäre katholische Priester.

Damit ist auch deutlich, dass die Frage Zölibat oder Nicht-Zölibat keinerlei Auswirkung auf etwa die Gültigkeit oder die Wirkung von priesterlichen Diensten oder Tätigkeiten haben kann (also keine „ontologische“ oder eine Art magischer Seinsveränderung dabei eine Rolle spielt). Denn sonst wären ja die Priestertätigkeiten in den Unierten Kirchen ungültig und unwirksam.

Es handelt sich, wie in der Regel auch offen eingestanden wird, also v.A. um eine funktionelle Begründung für den Zölibat. So wird etwa gesagt, dass die Priesterexistenz die ungeteilte Aufmerksamkeit der Person erfordere (für pastorale, seelsorgerliche Tätigkeiten mag das ggf. einleuchtend sein, für „Tätigkeiten“ am Altar wohl kaum. Denn die Wirkung hängt ja nicht von der Konzentration oder der aktuellen Ergriffenheit des Priesters ab, das wäre ja ganz „subjektivistisch“ gedacht und beinahe ein „sekundärer“ Synergismus). Andere Argumente sind rituelle Reinheitsvorstellungen, beides legt aber letztlich ein donatistisches Missverständnis nahe. (Stichwort Donatismus: Neben den großen, einschlägigen altkirchlichen Abgrenzungen gegen Pelagianismus, Semi-Pelagianismus oder Gnostizismus bedeutet die Ablehnung von Donatismus, dass die Priestertätigkeiten unabhängig von der jeweiligen Integrität der Person des Priesters volle Wirkung und Gültigkeit besitzen.) Teilweise wird freilich dennoch so getan, als ob der Zölibat geradezu heilsnotwendig oder unabdingbar wäre. Das ist aber, auch schon kirchenrechtlich, systematisch-theologisch sowie kirchengeschichtlich betrachtet, s.o., nicht der Fall.

Manche sagen auch, Kirchen, in denen es keinen Pflichtzölibat gibt, hätten auch nicht mehr „Erfolg“. Nun, andererseits, was heißt hier „Erfolg“? Für eine Entscheidung zum Zölibat, die wir wie gesagt, hier nicht treffen wollen, dürfte ausschlaggebend sein, was sachgemäß und richtig ist. Es geht nicht um (wie auch immer zu bewertende) „Erfolgsmeldungen“, Mehrheitsmeinungen oder um Wünsche von Laien oder Geistlichen. Zölibatäres Leben hat viele Vorteile und viele Nachteile. Gleiches lässt sich von nichtzölibatärem Leben sagen.

Neutestamentlich

Bleibt der Blick in das Neue Testament. Manche sagen zwar, das sei unerheblich. Wenn nur genügend Leute der Meinung sind, es solle so oder so sein (Mehrheitsenscheidungs-Prinzip), dann würde es eben so gemacht so sollte doch einzig entscheidend sein, was der Sache von ihrem Wesen und ihrem Ursprung her angemessen ist!

Hier sagen nun manche, wie schon erwähnt, dass alles darauf ankomme, wie Jesus von Nazareth, als der Meister, die ersten Jünger oder Priester ausgewählt, eingesetzt, auf Dauer „institutiert“ habe.

Wollen wir also einmal sehen. So erfahren wir in den Evangelien (vgl. Mk 1,30) davon, dass Simon Petrus, der „erste Stellvertreter“, eine Schwiegermutter hatte. Nun: Hatte er eine Schwiegermutter, so hatte er wohl auch eine Frau. Petrus als der „erste Stellvertreter“ war also verheiratet. Das mag etwas bedeuten.

(Im ersten Schreiben des Petrus (1. Petrusbrief) steht übrigens einiges über den Zusammenhang des Priesterdienstes und der Taufe.)

Nun sagen manche: Ja, er war zuerst verheiratet, hat dann aber als Jünger in oder während der Nachfolge seine Frau verlassen. Das lassen wir einmal undiskutiert wer schon einmal eine kleine Wanderung um den See Genezareth im flächenßig doch überschaubaren Land Israel gemacht hat, kann sich gut vorstellen, dass bei einer ein- oder auch dreijährigen Wanderzeit des Wanderpredigers in Galiläa und Umgebung mit der Jüngerschar, es durchaus nicht undenkbar erscheint, als Jünger dazwischen oder dann auch danach die eigene Familie regelmäßig aufgesucht zu haben. (Sprich: Was heißt „verlassen“?)

Können wir also wissen, ob Petrus, als die Vorbildfigur für die Nachfolger, auch dann, als der „Meister“ nicht mehr da war, verheiratet war? Ja, das können wir. Wie gesagt, über die Frage haben sich die Generationen durch alle Jahrhunderte Gedanken gemacht: Schon in den Apostelbriefen des Paulus (verfasst ab ca. 50 n. Chr.) findet sich ausdrücklich die Frage formuliert: „Haben wir denn nicht das Recht, eine Ehefrau mit uns zu führen, wie die anderen Apostel und die Brüder des Herrn und wie Kephas?“ (1. Kor 9,5) Kephas/Fels freilich ist nur ein anderer Name für: Petrus. Ungefähr im Jahr 54 n. Chr. (Abfassung des 1. Korintherbriefes) haben wir also eine eindeutige Aussage von hoher Autorität, dass Petrus eine Ehefrau hatte, und dass das auch bei anderen Aposteln bzw. Jüngern nicht ungewöhnlich war (Sie hatten nach Paulus dazu „ein Recht“).

Während Petrus und die ersten Apostel also nicht zölibatär lebten, setzen die späteren „Nachfolger Petri“ auf das Zölibat. Quod erat demonstrandum, was zu beweisen war“: Maßgebliche Änderungen in der katholischen Kirche sind folglich möglich.

Fazit

Am Beispiel der Zölibatsfrage die wir hier unentschieden lassen hat sich gezeigt, dass in der (katholischen) Kirche selbst gegenüber neutestamentlichen und kirchengeschichtlich frühen Setzungen immer wieder maßgebliche Neuerungen eingeführt wurden. Veränderungen in der katholischen Kirche sind also bis heute immer wieder möglich.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

m.schuetz

Hobby-Intellektueller, angehender Humorist, (jetzt auch Spaßblogger, Aktivist und Bürgerrechtler), twittert hier nicht

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