Themen der Reformation: Öffentlichkeit

Geschichte Was zuvor im Osten teilweise Synoden, im Westen lateinische Briefnetzwerke herstellten, schuf die Reformation im breiten Maßstab: Strukturierte Öffentlichkeit.

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Noch bis vor Kurzem konnte einem in Diskussionen das Argument begegnen, dass so etwas wie eine Öffentlichkeit erst mit der Zeit der „Aufklärung“ entstanden sei mit literarischen Salons, mit Lesezirkeln des Bildungsbürgertums. Die Kundigeren unter den Historikern weisen aber schon länger darauf hin, dass das nur teilweise richtig ist. Es ist jetzt ein bleibendes Verdienst der Ausstellung des Deutschen Historischen Museums (Berlin) „Von Luther zu Twitter“, die vor einigen Wochen zu Ende ging, im allgemeinen Bewusstsein verankert zu haben: dass schon in der Reformationszeit eine sehr breite und qualifizierte Öffentlichkeit errungen wurde.

Entstehung der Öffentlichkeit

Als Martin Luther damit begann, seine Thesen an verschiedene Adressaten zu verschicken, wünschte er, damit eine Diskussion anzustoßenund bittet „diejenigen, die nicht anwesend sein und sich persönlich vor Ort mit uns unterreden können, dies in Abwesenheit schriftlich zu tun.“ Was sich daraus entwickelte, ist dann das erste große Medienereignis der europäischen Geschichtegenannt worden. „In den ersten acht Jahren der Reformation sollen in Deutschland drei Millionen Flugschriften im Umlauf gewesen sein“, zitiert der Kurator der Ausstellung. Durch die Nutzung von Gutenbergs Erfindung der Druckerpresse mit beweglichen Lettern ist so eine literarische und publizistische Öffentlichkeit in einem Umfang entstanden wie kaum je zuvor.

Diese Öffentlichkeit war, was die Beteiligung verschiedenster Schichten betrifft, wohl zudem etwas weiter und breiter strukturiert als die spätere im 17. und 18. Jahrhundert. Kennzeichen ist etwa, dass diese Öffentlichkeit in der Landessprache existierte und somit nicht nur Gelehrten offenstand. Auch die Adressaten „fühlten sich oftmals ermutigt, aktiv an der öffentlichen Diskussion teilzunehmen“ (Von Luther zu Twitter, Medien und politische Öffentlichkeit, 10.9.2020 bis 11.4.2021). Flugblätter der Reformationszeit verfassten auch Studenten, Stadtschreiber, einfache Handwerker.

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Geschrieben von

m.schuetz

Hobby-Intellektueller, angehender Humorist, (jetzt auch Spaßblogger, Aktivist und Bürgerrechtler), twittert hier nicht

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