Über Zahlen (3)

Statistiken Ob Facebook nicht notorisch überbewertet wird?

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Warum regen sich so wenige über die Facebook-Skandale auf? Als die Vorgänge rund um Cambridge Analytica, um geklaute Daten und um die ungebremste Datensammelwut bekannt wurden, stellte mancher diese Frage. Dabei scheint die Antwort einfach. Es gibt in Deutschland schlicht nur sehr wenig Facebook-Nutzer.

Der Medienfachdienst MEEDIA hat gestern und heute eine umfängliche Analyse zur Facebook-Nutzung veröffentlicht. Die Zahlen sind wirklich sprechend. Da wird berichtet, dass auf den untersuchten 1.500 führenden Medienportalen im Oktober 2018 insgesamt 56,8 Millionen getätigte Facebook-Interaktionen zu zählen waren.

Als Aktionen zählen dabei Kommentare oder „Shares“– aber auch schon einfache „Likes“.

Mit Verlaub! Was sind 60 Millionen Interaktionen dieser Art im Laufe eines Monats? Gäbe jeder Nutzer innerhalb von 30 Tagen nur genau dreimal ein Like, dann wäre hier von einer Nutzung von 20 Millionen Menschen auszugehen. Drei Likes! In einem Monat!

Leute, die man als aktive Facebook-Nutzer verstehen will, dürften etwas öfter auf den Like-Button drücken oder kurze Kommentare schreiben: Die wahre Nutzung liegt also weit darunter.

Tatsächlich geht die ARD/ZDF Online-Studie 2018 davon aus, dass es gerade einmal 13 Millionen User sind, die Facebook intensiv nutzen (in welcher Weise immer). Das ist beinahe auf einem ähnlich niedrigen Niveau wie bei der Tagesschau (die knapp 80-90 Prozent der Bundesbürger nicht gucken.)

Oft wird einem vermittelt, halb Deutschland sei bei Facebook. Das ist nicht der Fall.

Facebook ist notorisch überschätzt

Dabei befindet sich das „Soziale Netzwerk“ in einem steilen Sinkflug: Laut MEEDIA-Analyse haben sich die Interaktionen auf den untersuchten Medienportalen von 122,5 Millionen auf dem Allzeit-Hoch im März 2017 auf die 56,5 Millionen im Oktober 2018 mehr als halbiert.

Das mag zum Teil auf Umstellungen im Algorithmus zurückgehen, zum Teil auf Account-Löschungen aufgrund des skandalträchtigen Geschäftsgebarens (s.o.) – niedrig bleiben die Zahlen so oder so.

Nocheinmal: 3-5 „Likes“, in einem vollen Monat, auf 1.500 unterschiedlichen Portalen. Das ist (beinahe) nichts!

Die lauen Zahlen sind umso erstaunlicher, als Facebook seit Jahren von sämtlichen Portalen hofiert wird, wie kaum ein anderes Medium.

Das ist eine klare Schieflage in der medialen Aufmerksamkeits-Verteilung.

Zum Vergleich: Der ADAC hatte im Jahr 2009 16,7 Millionen Mitglieder. Die Christlichen Kirchen 47 Millionen Mitglieder (2016). In den Gewerkschaften (DGB) waren 2007 knapp 6,4 Millionen Mitglieder. Deutschlands Hundebesitzer haben insgesamt rund 9,3 Millionen Hunde, insgesamt gibt es rund 34 Millionen Haustiere. Wuff, Zirp und Miau: Auch im Vergleich zum Twitter-Vogel (1 Million) sind das doch ganz andere Zahlen.

Als der ADAC im Jahr 2014 zwischen 20.000 und 50.000 Mitglieder verlor, munkelten manche schon, er sei wohl bald bedeutungslos, habe bei den Leuten seinen Kredit verspielt und sei bald vom Erdboden verschwunden. Das ist nicht so ganz eingetreten.

Doch im Vergleich zu Facebook ist die Medienpräsenz des ADAC bis heute überschaubar. Natürlich ist es so nicht ganz vergleichbar (Medium vs. Interessenvertretung). Immerhin: Ihren „medialen“ Untersatz bewegen ADAC-Mitglieder meist öfter als dreimal im Monat...

Da können einem schon Fragen kommen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

m.schuetz

Hobby-Intellektueller, angehender Humorist, (jetzt auch Spaßblogger, Aktivist und Bürgerrechtler), twittert hier nicht

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