Am (Straßen)-Rand

Unverschämt Sachsens Wahlwerbung und was sie auslöst

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Fährt man derzeit durch Ländchen, hängen sie überall, die Wahlversprecher der Parteien aller Farben und Ansichten. Man versucht, mit zwei, drei Worten die Menschen zu ködern, ihr Kreuzchen an de jeweils vermeintlich richtigen Stelle zu setzen.

Da ist beispielsweise mein amtierender und völlig charismafreie Ministerpräsident. Zur Erinnerung: es ist jener, der dazumal den Wahlkreis an den alternativdeutschen Kandidaten verlor und zur „Belohnung“ von seiner Partei das Amt des Regierungschefs bekam, weil man wohl gezwungen gewesen wäre, ihn aufs Altenteil abzuschieben. Dafür aber ist er zu jung.

Nun glotzt uns dieser Mensch von den Plakaten der Partei mit dem „C“ im Namen mit unschuldigem Blick an und fordert “1000 Polizisten mehr“. Im mitteldeutschen Lokalfernsehen tritt er gar mit dem Satz auf: „Den ländlichen Raum stärken“. Mit Verlaub, Herr Ministerpräsident, das ist eine Beleidigung des Intellekts ihrer Mitmenschen. Wer hat denn in den letzten dreißig Jahren eben diesen ländlichen Raum bis zur Unkenntlichkeit entkernt? Wer hat mit seiner „weitsichtigen“ Politik dafür gesorgt, dass Schulen und Kindergärten, die Arztpraxis, der Bäcker, der Fleischer und der Tante-Emma-Laden auch noch aus dem letzten Dörfchen verschwanden? Hatten Sie und Ihre Parteikollegen nicht dreißig Jahre lang Zeit, Entscheidungen für die Belange der Menschen zu treffen statt gegen sie?

Wer sich nun hinstellt und Forderungen nach mehr Polizisten erhebt, für deren Stellenabbau er selbst verantwortlich zeichnet, zeugt von einer Unverfrorenheit sein, die ihresgleichen sucht.

Wir wissen ja aus Erfahrung, dass der Wählereinfluss auf die Politik eher marginal ist. Entscheidungen werden nicht an Wahlurnen, sondern in Hinterzimmern getroffen. Wer noch immer glaubt, eine funktionierende Demokratie wäre das Delegieren von Verantwortung auf eine Legislative, der glaubt auch, dass der Weihnachtsmann am Nordpol wohnt. Politische Entscheidungen sind interessengeleitet, und das aktuelle politische Interesse ist nicht jenes der breiten Bevölkerung, sondern das des Kapitals. Diesen Sachverhalt mit dem Begriff „parlamentarische Demokratie“ zu beschönigen, ändert nichts an der Tatsache. Und wir Lämmer schweigen weitgehend dazu.

Ob wir bei der kommenden Wahl diese oder jene Partei wählen, wird sich für die Menschen wenig auswirken. Diejenigen jedoch, welchen man am ehesten zutraut, wenigstens ansatzweise die Probleme, Nöte und Sorgen der „kleinen Leute“ zu verstehen, sollten mal eine Chance bekommen, und wenn es für paar Jahre ist. Das wird aber niemals die Partei sein, welche drei Jahrzehnte lang das Sagen hatte.

Nun bin ich mir ziemlich sicher, dass meine Landsleute sich wieder verwählen werden. Die C-Partei wird dann erneut den Chef stellen und alles bleibt beim Alten. Meine Mitbürger werden weiter stolz auf ihr Ländchen sein, ihrer Sprache und ihrem gehabten König huldigen, und die Welt wird in Ordnung sein.

Oder nicht? Sind nicht die Herausforderungen der Zukunft viel zu groß, als dass man sie den ewig Gestrigen überlässt? Das alles überschattende Thema wird für lange Zeit der Klimawandel bleiben. Das spüren wir schon jetzt. Dabei ist es vollkommen wurscht, ob der eine oder andere glaubt, der Mensch habe ihn nicht mitzuverantworten. Die Herausforderung, die er darstellt, ist doch die gleiche. Der langsam steigenden mittleren Temperatur ist es letztlich egal, wer sie verursacht. Wir werden aber alle mit den Auswirkungen zu kämpfen haben.

Dass das Abendland nicht untergeht, wenn mal eine linke und unverbrauchte Mannschaft die Regierungsgeschäfte übernimmt, zeigt Thüringen. Es steht noch. Und es geht ihm gut. Wir sollten mal über eine echte Alternative beim Kreuzchenmachen nachdenken. Es wird sich lohnen.

Der Schilderwald am Straßenrand wird bald der Vergangenheit angehören und damit die Wut, die er gelegentlich auszulösen vermag. Aber wem wir die Zukunft anvertrauen, liegt ein winziges Bisschen in unserer Hand. Lassen wir uns wenigstens das nicht nehmen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Matthias Stark

Autor von Lyrik, Prosa und Essay

Matthias Stark

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