Aufschauen zu den Sternen

Erinnerung Über einen Meister des Wortes

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

In den Novembertagen ist Zeit und Muße, an Vergangenes zu denken. In den grauen Stunden steigen Gedanken aus dem Nebel, längst vergessen Geglaubtes taucht wieder auf und wird lebendig. So denke ich im November gern an die Zeit zurück, als ich Bücher entdecken lernte. Auch die jenes Autors, von dem hier die Rede sein soll. Jetzt im November hätte dieser Schriftsteller Geburtstag. Seine Werke habe ich bereits in frühester Jugend kennen und schätzen gelernt. Sie haben mich stark beeinflussten und tun es bis heute. Er ist fast vergessen, obwohl er in seiner Zeit zu denen gehörte, die man in der Gegenwart als Bestsellerautor bezeichnen würde.

Es ist der Schriftsteller Bruno Hans Bürgel. Am 14. November 1875 in Berlin geboren, wuchs er in bitterer Armut als Stiefkind eines Schuhmacherehepaares in Weißensee, einem damaligen Vorort von Berlin, auf. Die ärmlichen Verhältnisse seiner Kindheit und Jugend, das Umfeld im proletarischen Berlin an der Schwelle zum 20. Jahrhunderts prägten die Weltanschauung und die Ansichten des jungen Bürgel, was später dazu führte, dass er der Sozialdemokratie nahestand. Schon früh begann Bürgel, sich für die Wissenschaft und hier insbesondere die Astronomie zu interessieren.

Ein höherer Bildungsweg blieb ihm verschlossen. So ging er zunächst in die Werkstatt seines Stiefvaters, bevor er eine Lehre als Steindrucker aufnahm, arbeitete später in einer Fabrik und erwarb sich nebenher ein umfangreiches naturwissenschaftliches Wissen. Die Faszination des gestirnten Himmels zieht sich durch fast alle seine späteren Werke. Er bewarb sich mutig um eine Stelle an der Berliner Urania-Sternwarte und wurde durch Unterstützung des damaligen Direktors dieser Einrichtung, Max Wilhelm Meyer, als Saaldiener eingestellt. Ein erster Artikel wurde in einer russischen Zeitschrift von Bruno Ha veröffentlicht. So wurde Bürgel von seinen Freunden und Bewunderern später genannt. Bereits im Jahr 1899 wird der damals Vierundzwanzigjährige freischaffender Schriftsteller. Durch Fürsprache des Direktors der Berliner Sternwarte, Wilhelm Foerster, kann Bürgel als Gasthörer an der Universität Vorlesungen besuchen.

Bereits im Jahr 1910 erschien das als Hauptwerk angesehene Buch „Aus fernen Welten“, welches eine Vielzahl an Auflagen erlebte. Diese „Populäre Himmelskunde“ ist eine allgemeine Darstellung des astronomischen Weltbildes der damaligen Zeit. Viele später bekannte Wissenschaftler, wie der ehemalige Direktor der Archenhold-Sternwarte Berlin, Prof. Dietrich Wattenberg, bekannten, durch Bürgels Bücher zur Astronomie gefunden zu haben.

Bruno H. Bürgel war eine berühmte Persönlichkeit im damaligen Deutschland. Die witzigen Plaudereien über den Alltag und die populärwissenschaftliche Darstellung schwieriger Sachverhalte machten ihn zu einem gern und viel gelesenen Schriftsteller. Seine beiden Kinderbücher mit dem kauzigen Dr. Uhlebuhle als Protagonisten trugen manches zur Bildung der jungen Generation bei. In der Zeit des Nationalsozialismus wandten sich viele seiner Leser und Anhänger mit Bitten um Hilfe und Unterstützung an Bürgel. Mindestens moralisch bot er Halt und half, wo er konnte.

Von Bruno H. Bürgel erschienen insgesamt 22 Bücher mit einer Gesamtauflage von zwei Millionen Exemplaren, in denen er sich mit einer Vielzahl an Themen auf ganz unterhaltsame und humorige Weise auseinandersetzte. Er war ein Alltagsphilosoph, der den Menschen die Welt der Wissenschaft auf verständliche Weise nahezubringen verstand. Sogar einen utopischen („Der Stern von Afrika“) und einen spiritistischen Roman („Gespenster“) verfasste Bürgel. Bleibend aber sind seine Alltagsbetrachtungen in Büchern wie „Die kleinen Freuden“ oder „Hundert Tage Sonnenschein“, die ohne Einschränkungen auch heute ihre Gültigkeit besitzen.

Nach dem Krieg setzte sich Bürgel für ein neues und friedliches Deutschland ein, wird Mitbegründer des „Kulturbundes“ im östlichen Deutschland. In all seinen Büchern werden seine humanistische Weltsicht, seine Menschenliebe und sein Wissen um die Unzulänglichkeiten auf der Erde deutlich.

Von Bruno H. Bürgel bleiben neben den Büchern, die zum Teil in neun Sprachen übersetzt wurden, über dreitausend Zeitungs- und Zeitschriftenartikel. Er hielt etwa 2000 Vorträge in 300 Städten. Das sehr produktive Leben Bruno H. Bürgels fand am 8. Juli 1948 in Potsdam sein Ende. Sein Grab befindet sich auf dem Babelsberger Goethefriedhof.

In beiden deutschen Republiken erschienen in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts noch einmal Anthologien mit ausgewählten Texten. Acht Schulen und fünf Sternwarten tragen mittlerweile Bürgels Namen, in 18 Orten gibt es Bürgel-Straßen.

Noch immer vermag uns Bruno H. Bürgel durch seine Weltsicht etwas Gültiges mit auf den Lebensweg zu geben.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Matthias Stark

Autor von Lyrik, Prosa und Essay

Matthias Stark

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden