Bei Marxens brennt noch Licht

Nachgedacht Ja, er lebt noch

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Nach dem Jahre 1989 schien Karl Marx samt seiner Philosophie auf der Müllhalde der Geschichte gelandet zu sein. Im Osten war man weitgehend der Ansicht, genug zu haben von des Karls Lehren. „Marx ist die Theorie und Murks die Praxis.“ So sah man ihn zum Ende des real existiert habenden Sozialismus. Und gemäß des oft kolportierten Satzes, dass Totgesagte länger leben feiert nun Karl Marx das, was man Comeback nennt.

Seit 150 Jahren bereits gibt es „Das Kapital“. Es beschreibt den schnöden Kapitalismus, unsere derzeitige Weltordnung. Es beschreibt die Wirkung ökonomischen Denkens in allen Lebensbereichen. Es war Karl Marx gelungen, ziemlich genau die Prinzipien unseres Zusammenlebens auf Basis der Ökonomie vorherzusagen. Die Unfreiheit durch die Arbeit, die Wirkung von Kumulation und Konsumtion, die Geld-Ware-Beziehung.

Noch 1990, nach der „Wende“, die manche nun als „Kehre“ bezeichnen, weil sie keine Vorwärts- sondern eine Rückwärtsbewegung war, schien das sogenannte Ende der Geschichte erreicht zu sein. Der moralisch wie wirtschaftlich überlegene Westen hatte gesiegt. Was danach noch kommen würde, wäre ein bisschen Kosmetik durch Reformen, ein wenig Nachbesserung hier und da, aber am System selbst wäre wohl nichts zu ändern. Erst die Brüche der letzten Jahre zeigten, wie krisenhaft dieses System wirklich ist. Wie wenig der Mensch in ihm zählt.

Es wird gut verstanden, die systemimmanenten Widersprüche unter der Decke zu halten. Und doch geht dem einen oder anderen so nach und nach auf, dass Besseres denkbar wäre. Über die Unfreiheit durch ökonomische Abhängigkeit kann eben auch das Reisen rund um den Globus nicht hinwegtäuschen.

Die aktuell auf dem Planeten Erde zu beobachtenden Fluchtbewegungen sind ein sicheres Zeichen für eine massive soziale Schieflage. Eine ausbeutungsfreie Form des Zusammenlebens ist nicht in Sicht. Viele Menschen haben sich mit dem System arrangiert. Es gebricht an Vorstellungskraft, sich eine Welt ohne Ausbeutung der Arbeitskraft vorzustellen. Noch immer ist das Gespenst Kommunismus, von dem Marx sprach, ein Schreckgespenst, ein zu bekämpfendes Ungeheuer.

Zu befürchten ist, dass sich in absehbarer Zeit die ökonomische Basis nicht ändern wird. Das Privateigentum an Produktionsmitteln ist die bevorzugte Eigentumsform und, so steht zu befürchten, wird es auf lange Sicht bleiben. Für mich ist nicht erkennbar, warum dieses Privateigentum besser sein soll als genossenschaftliches oder Gemeineigentum. Wir leben in einer Welt, in der Geldhandel ohne wirtschaftlichen Hintergrund einige superreich und viele existenzbedrohend arm gemacht hat. Gerecht ist das nicht, menschlich erst recht nicht.

Es ist anzunehmen, dass das derzeitige Wirtschaftssystem nicht durch Wahlen zu ändern sein wird. Und um Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen: der Kapitalismus ist in unserem Grundgesetz nicht festgeschrieben. Selbiges würde mit haargenau gleichem Wortlaut auch seine Gültigkeit behalten, wären die wichtigen Schlüsselressorts der Daseinsfürsorge wie Energiewirtschaft, Gesundheitswesen und Verkehr nicht gewinnorientiert in Privatbesitz sondern einfach kostendeckend in Allmendehand.

Bei bevorstehenden Wahlen könnten wir darüber nachdenken, jenen die Stimme zu geben, die mit Karl Marx und seinem Werk noch etwas anzufangen wissen. Er hat bereits vor weit über hundert Jahren die Welt beschrieben, wie sie sich uns derzeit präsentiert. Das zumindest ist ziemlich bemerkenswert!

Bei Marxens brennt Licht, heller denn je!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Matthias Stark

Autor von Lyrik, Prosa und Essay

Matthias Stark

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