Der Beweis des Glücks unterm Wildbirnenbaum

Erinnerung Zum Geburtstag der Dichterin Eva Strittmatter

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Eingebetteter MedieninhaltEva Strittmatter (Federzeichnung von Gudrun Stark)*

Vor mir liegen zwei Bücher. Beide Bücher zeigen auf dem Umschlag das gleiche Bild: „Vollmond in Taormina“ des ungarischen Malers Tivadar Kosztka Csontvary, gemalt im Jahre 1901. Beide Bücher sind von derselben Autorin, beide enthalten Kostbarkeiten der Lyrikerin Eva Strittmatter. Während das ältere, ein Reclam-Band mit dem Titel „Beweis des Glücks“ aus dem Jahr 1985 stammt und eine Auswahl der bis dahin erschienenen Gedichte Eva Strittmatters enthält, ist das neuere Buch „Wildbirnenbaum“ 24 Jahre später erschienen und enthält ebenfalls Poesie allerersten Ranges. Das ältere der beiden Bücher ist nur antiquarisch zu erwerben. Einige Gedichte sind vom Vorbesitzer mit Bleistift markiert, angekreuzt oder unterstrichen worden als Zeichen dafür, dass die poetischen Aussagen wichtig waren für den Leser.

Im Jahr des Erscheinens war Eva Strittmatter bereits eine angesehene Lyrikerin. Ihre Bücher waren begehrt, wurden teilweise als Bückware gehandelt, die Auflagen gingen in die Hunderttausende. Eva Strittmatter legte 1973 mit „Ich mach ein Lied aus Stille“ ihren ersten Gedichtband vor. Da hatte sie schon über viele Jahre Lyrik geschrieben, zunächst im Verborgenen. Bereits dieser erste veröffentlichte Lyrikband fasziniert auch nach Jahrzehnten noch. Mit einer wundervollen Klarheit in der Sprache zeigt uns Eva Strittmatter ihr Leben. Sie bringt ihre Erfahrungen in allgemein gültigen, poetischen Formen zu ihren Lesern und wir können uns sofort mit ihr identifizieren, eins mit ihr werden, weil wir das, was sie beschreibt, genauso oder ähnlich erleben. Das Reclam-Bändchen ist bereits eine kleine Anthologie, erstmals erschienen zehn Jahre nach dem Erstling. Eva Strittmatter besorgte damals die Auswahl für den Band selbst und so können wir noch heute nachvollziehen, welche ihrer Gedichte ihr wohl besonders am Herzen lagen. Ihre Themen „vom Leben, vom Tod und der Zeit dazwischen“ sind aktuell und zeitlos. Ihre konzentrierte poetische Kraft ist ungebrochen.

Die 1930 in Neuruppin geborene Eva Strittmatter lebte an der Seite ihres Mannes, des Schriftstellers Erwin Strittmatter, ein „literarisches Leben“, welches sie uns eindrucksvoll in ihren drei Bänden „Briefe aus Schulzenhof“ schilderte. Sie war erste Kritikerin und Lektorin ihres Mannes und es ist nicht vermessen zu sagen, dass mancher Text von Erwin Strittmatter anders gestaltet worden wäre, hätte Eva nicht daran mitgearbeitet, geformt und kritisiert.

Vor allem ist es die Alltagswelt, bei der wir, ihre Leser, uns verstanden wissen von ihr. Es ist das „zu Poesie gekelterte Leben“, das uns in den Bann zieht und das in so manchem ihrer Gedichte der zentrale Gegenstand ist. Da sind die alltäglichen Dinge um uns, die Anfechtungen, denen wir ausgesetzt sind, die persönlichen wie die politischen. Es ist Beachtliches und Bleibendes entstanden unter der Feder von Eva Strittmatter. Auch in ihrem letzten Gedichtband schaffte es die Autorin, „im gebändigten Wort“ von sich und ihrem Innenleben zu berichten. Dabei schweben manchmal ihre Worte, verwandeln sich in eine Sprache, die uns im tiefsten Inneren berührt.

Die studierte Germanistin und Romanistin veröffentlichte 11 Gedichtbände, mehrere Prosawerke und ist Herausgeberin von einigen Texten aus dem Nachlass ihres 1994 verstorbenen Mannes. Sie wurde mit zahlreichen Preisen geehrt, so unter anderem 1975 mit dem Heinrich-Heine-Preis und 1998 mit dem Walter-Bauer-Preis. Es folgten 2004 der Kulturpreis des Landkreises Oberhavel und 2009 der ver.di-Literaturpreis Berlin-Brandenburg. Eva Strittmatter verstarb 2011 in Berlin.

Zwischen dem Erscheinen der beiden Bücher mit dem Bild des Malers Csontvary auf dem Titel liegen 24 Jahre, eine Zeit voller Umbrüche, revolutionärer Veränderungen und einer riesigen Menge gelebten Lebens. Eva Strittmatters lyrisches Werk steht über all dem, es ist weder angepasst noch ergibt es sich irgendwelchen Trends der Zeit. Sie setzte in geradliniger Weise auch nach den gesellschaftlichen Umbrüchen ihr Werk fort. Und es lebt unabhängig von literarischen Moden durch ihre Leser weiter.

*Federzeichnung „Eva Strittmatter“ von Gudrun Stark aus Renate Brucke und Matthias Stark (Hrsg.) „Von Bohsdorf nach Schulzenhof – Auf den Spuren von Eva und Erwin Strittmatter“,
SEW-Verlag Dresden 2016, ISBN 978-3-936203-28-8

(Veröffentlichung hier mit freundlicher Genehmigung des SEW-Verlages Dresden)

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Matthias Stark

Autor von Lyrik, Prosa und Essay

Matthias Stark

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