Der Meister ist tot

Respekt und Erinnerung Der Schriftsteller Hermann Kant ist gestorben.

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Man muss Hermann Kant nicht gemocht haben, aber man muss ihm Respekt zollen. Der junge, 1926 geborene Kant kann als Prototyp gelten, wenn man sich die Zerrissenheit anschaute, der junge Menschen am Anfang der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts ausgesetzt waren. Kaum den Kinderschuhen entwachsen, wurden sie in einen Krieg geworfen, der nicht der ihrige war. Mit den schlimmen Erfahrungen wollte und konnte Hermann Kant nicht anders umgehen, als dass er konsequenter Antifaschist wurde. Seine Erfahrungen im Krieg, aber auch der unbedingte Wille, eine neue Gesellschaftsform aufzubauen, spiegelt der spätere Schriftsteller in seinen Werken wider. Er wählte die DDR als sein Land und blieb ihm treu. Das verdient Respekt.

Erlernte er zunächst den Beruf des Elektrikers, holte er später das Abitur an der Arbeiter- und Bauernfakultät nach und studierte Germanistik. Hermann Kant kann als einer der erstrangigen ostdeutschen Autoren gelten. Er stellte seine Arbeit in den Dienst der „großen Sache“, des Aufbaus eines sozialistischen Staates, frei von Ausbeutung und Unterdrückung. Dabei bemerkte schnell, dass diese Sache auch ihre Schattenseiten, Fehler und Unzulänglichkeiten hat. Und er war einer, der die Dinge in einer diffizilen literarischen Form benennen konnte. Seine Werke, ob Roman oder Kurzgeschichte, sind geprägt von einer sehr subtilen Form des Humors, gepaart mit einer feinen Ironie. Dabei wird er nie zum Verräter der Sache, in deren Dienst er sich stellte, sondern zu ihrem leidenschaftlichen, aber kritischen Verteidiger. Das ist einer der Vorzüge Kants: nicht destruktiv sondern konstruktiv zu (ver)urteilen.

Die Erzählungen „Der dritte Nagel“ und „Bronzezeit“ können als erstrangige Kritik am Sozialismus in ostdeutscher Ausprägung gelesen werden. Sie sind auch Jahrzehnte nach ihrer Entstehung noch frische und amüsante Lektüre. Wer wissen möchte, wie die DDR tickte, lese diese Geschichten.

Dabei war Hermann Kant als ZK-Mitglied auch erstrangiger Kulturfunktionär mit großer Nähe zum staatstragenden Personenkreis, was ihm viele seiner Kollegen nie verziehen. Sah er sich in der Funktion als Vorsitzender des Schriftstellerverbandes als Verteidiger und Anwalt der Autoren, für die er sich teilweise vehement einsetzte, war er für manchen Schriftsteller doch nur der bornierte Funktionär mit Staatsnähe. Es war typisch für das Leben in der ehemaligen DDR, dass man gleichzeitig „dafür“ und „dagegen“ sein konnte. Das zeigt auch die Person Hermann Kant sehr eindrücklich.

Einer besonderen Zerreisprobe war Hermann Kant bei der Biermann-Affäre ausgesetzt. Dass die Ausbürgerung des kleinen Großmauls eine derartige Zäsur der Kulturszene mit sich brachte, war schon früh ein Sargnagel im Staate DDR. Hier hätte Kant eine andere Rolle einnehmen können. Aber gelebtes Leben ist nicht widerholbar, das Getane kann nur kritisch hinterfragt werden.

Nun ist Hermann Kant von uns gegangen. Wir verdanken ihm die eine ganz besondere Form der literarischen Verarbeitung von Zeitgeschichte. Bücher wie „Die Aula“ und „Der Aufenthalt“ werden bleiben und auch nachfolgenden Generationen Geschichte jenseits offizieller Geschichtsschreibung nahebringen.

Bei vielem, was man an politischer Handlung bei Hermann Kant kritisieren könnte, ist eines ganz sicher: Das Handwerk des Schreibens hat er beherrscht wie kein zweiter. Und er war treu, vor allem sich selbst. Auch das verdient Respekt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Matthias Stark

Autor von Lyrik, Prosa und Essay

Matthias Stark

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