Die Narren sind los

Nur fürs Geld gut Grenzüberschreitungen

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Dass wir in närrischen Zeiten leben, daran glaube ich ganz fest. Zumindest dann, wenn man mit uns Possen spielt, wie das eigentlich nur unter Gauklern üblich ist.

Zu Beginn der Nachrichtensendung meiner bevorzugten Rundfunkanstalt verkündet der Sprecher mit Bedauern, dass Deutschland mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit seine Klimaziele bis 2020 verfehlen wird. Aus der Reduzierung von Treibhausgasen wird also auf absehbare Zeit nichts werden. Es folgen weitere Nachrichten und dann höre ich den begeisterten Sprecher sagen, dass in der sächsischen Landeshauptstadt ein Ski-Weltcup ausgetragen wird. Ich muss noch mal hinhören, um den tieferen Sinn der Meldung in Gänze zu erfassen.

Soweit ich mich erinnere, liegt Dresden nicht im Hochgebirge, ja es liegt in überhaupt keinem Gebirge, sondern, und meine Geographiekenntnisse scheinen mich nicht ganz zu täuschen, in einem Tal. Früher nannte man selbiges das der Ahnungslosen. Ein wenig scheint von der Ahnungslosigkeit auch heute noch übrig zu sein, aber nicht nur an der Elbe. Oder ist es nicht fehlende Ahnung, sondern bereits schon eine gehörige Portion Unverfrorenheit, die hier waltet?

Da wird mit einem Riesenaufwand Kunstschnee in eine Stadt gekarrt, damit ein Sportereignis vor der wirklich malerischen Dresdner Stadtkulisse ausgetragen werden kann. Geht’s eigentlich noch? Einerseits wird über Dieselfahrverbote spekuliert, um auf der anderen Seite ein Sportereignis stattfinden zu lassen, dass schon rein aus logistischen Gründen in einer Halbmillionenstadt nichts verloren hat. Warum treibt man Sport nicht dort, wo es die natürlichen Bedingungen gestatten?

Ach ja, es bringt Geld in klamme Kassen. So ein Ereignis rechnet sich wirtschaftlich. Klar, dass dann Umweltaspekte drittrangig sind. Obwohl wir inzwischen ein Gefühl dafür entwickelt haben, dass mit unserem Lebensstil etwas nicht zu stimmen scheint, wir durch die Art, wie wir Dinge im Überfluss produzieren und konsumieren, unsere Umwelt im Übermaß belasten, leben wir doch im Großen und Ganzen so weiter, als gäbe es keine Klimaänderung, keine Naturzerstörung, keine Ressourcenverschwendung und kein Artensterben.

Mir ist schon bewusst, dass es eines gehörigen Bewusstseinswandels bedürfte, würde man auf das liebgewordene, aber bei genauer Betrachtung mehr oder weniger unsinnige Tun verzichten. Leider ist eine große Mehrheit mehr an Brot und Spielen interessiert und kann über Tellerränder nicht hinausschauen. Es steht zu vermuten, dass die Mehrzahl der Menschen erst begreifen wird, wie es um die Zerstörung der Natur steht, wenn es deutlich zu spät ist. Das Artensterben heimischer Insekten und der damit verbundene Rückgang einiger Vogelarten sollten uns alle aufhorchen lassen. Tut es aber nicht.

Ob der Beitrag des Menschen zum Klimawandel nun groß, klein oder gar nicht vorhanden ist, wie einige Ignoranten behaupten, spielt dabei eigentlich gar keine wesentliche Rolle. Uns alle sollte es jedoch beunruhigen, wenn wir in Zeiten leben, in denen dramatische Wetterereignisse zunehmen, die Biodiversität aber abnimmt. Wie lange werden wir uns unter diesen Umständen unseren Lebensstil noch leisten können?

Schon heute benötigen wir Menschen deutlich mehr als eine Erde zur Befriedigung unserer Bedürfnisse. Könnten wir da nicht ein wenig Verzicht üben? Ich fürchte, wir können nicht, weil wir nicht wollen. Auch weil die Veränderungen, denen die Natur ausgesetzt ist, schleichend und kleinteilig zu wirken beginnen. Wir haben keine Fähigkeit dafür entwickelt, zu erkennen, wann wir die Grenze zur Unumkehrbarkeit überschreiten werden.

Und ich fürchte, dass diese Grenze schon geraume Zeit hinter uns liegt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Matthias Stark

Autor von Lyrik, Prosa und Essay

Matthias Stark

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