Die Nazikeule

Betrachtung Über eine besondere Waffe und ihre Wirkung

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Da wurde sie also mal wieder aus dem Arsenal der Wortkrieger hervorgeholt, die altbewährte und immer einsatzbereite Nazikeule, der Hitlervergleich oder auch wahlweise die Gleichstellung mit den Strukturen aus dem zwölf Jahre währenden „Tausendjährigen Reich“. Wenn einem Verbalkämpfer gar nichts mehr einfällt, die Argumente auszugehen drohen und es mit der Wahrheit auch nicht funktionieren will: ein Vergleich mit dem Dritten Reich hilft immer, um Aufmerksamkeit zu erregen.

Dabei ist das Kalkül ganz einfach. Ein mit einem Nazivergleich Geschmähter kann eigentlich nur verlieren, egal, ob es sich um einen Staat oder eine Person handelt. Weißt er die Vorwürfe zurück, kann er als uneinsichtig und geschichtsvergessen gebrandmarkt und auf eine Stufe mit dem Bärtchenträger aus Großdeutschland gestellt werden. Andererseits kann niemand, der noch bei Verstand ist, die Vorwürfe nicht zurückweisen. Ein klassisches Dilemma also.

Die einfachste Reaktion und auch jene, die derzeit beobachtet werden kann, ist die, den Spieß einfach umzudrehen. Den Schmäher mit gleicher Keule schlagen sozusagen. Das ist eine jener Reflexreaktionen, zu denen Politiker sofort und jederzeit fähig sind. Und sie wurde vom ganzen politischen Spektrum auch sofort praktiziert. Nicht die hiesigen, die anderen sind es, die den Adolfen nahestehen.

Warum aber, so fragt sich der geneigte Beobachter augenreibend, darf denn der ein oder andere ausländische Politiker hier nicht auf einer Veranstaltung zu seinen Landsleuten sprechen? Weil uns das, was er zu sagen hat, nicht passt? Weil wir nicht seiner Meinung sind? Weil wir glauben zu wissen, wie sich die politischen Strukturen in diesem ausländischen Ausland zu entwickeln haben? Weil wir klüger sind? Warum versteckt sich die deutsche Politik hinter zu kleinen Parkplätzen und hinter dem Versammlungsgesetz, um zu verhindern, dass ein ausländischer Wahlkampf inländisch wird? Man darf sich schon fragen, warum die Kirche nicht im Dorf, respektive die Moschee nicht im Orient gelassen wird. Die ausländischen Mitmenschen, bzw. deren Eltern, sind nicht als Wirtschaftsflüchtlinge hierhergekommen. Sie wurden als Gastarbeiter vor vielen Jahrzehnten nach Deutschland eingeladen. Das darf nicht vergessen werden. Wer immer von Freiheit redet, sollte sie gerade jenen gewähren, die sie ihrerseits einzuschränken versuchen. Das hat etwas mit menschlicher und moralischer Größe zu tun.

Wenn nun der Landesvater aus dem Außenland mit seinen vielleicht eigenwilligen Ansichten zu jenen Mitmenschen sprechen möchte, die seine Landsleute sind, dann sollten wir das akzeptieren. Das nennt man Meinungsfreiheit, liebe deutsche Politikerinnen und Politiker. Und wird die unterdrückt, egal mit welchen Mitteln, provoziert das einfach nur dämliche Gegenreaktionen, von denen das Schwingen der oben genannten Keule eine bevorzugte zu sein scheint.

Ob es uns gefällt oder nicht, wenn eine Mehrheit der Menschen in diesem Land, dessen Landesfürst gerade den Nazivergleich bemühte, sich in einer Volksabstimmung für eine andere Regierungsform entscheidet, dann sollten, ja müssen wir das einfach akzeptieren. So funktioniert Demokratie, eine Mehrheit entscheidet in einer Abstimmung Grundsätzliches.

Könnte es sein, dass unsere deutschen Politiker das vergessen haben oder, was noch schlimmer ist, gar nicht kennen? Wann durfte denn das hiesige Volks zum letzten Mal über eine Grundsatzfrage entscheiden? Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, jemals nach der Regierungsform, die ich mir vorstelle, gefragt worden zu sein. Im Dritten Reich wurde übrigens auch nicht bei der Bevölkerung nachgefragt.

In jenem entfernten Ausland, in welchem gerade die verbale Keule geschwungen wurde, aber schon. Das sollte uns nachdenklich machen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Matthias Stark

Autor von Lyrik, Prosa und Essay

Matthias Stark

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