Ein Herz für die Lausitz

Naturfreu(n)de Über einen, der auszog und sein Glück doch hier fand

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Schweden. In meiner Vorstellung ist das ein Land der Seen, der Wälder und der Ruhe. Ein Land, wie gemacht dafür, nach einem langen und arbeitsreichen Leben seinen Ruhestand dort zu verbringen. Und genau so wollte es ein mir bekannter Naturfreund tun. Ich weiß nicht, ob ihm gefallen würde, was ich hier schreibe. Nicht, weil es unwahr wäre. Es könnte ihm vielleicht nicht gefallen, weil er nicht in die Öffentlichkeit will, weil er bescheiden ist, dies aber nicht aus Eitelkeit, sondern aus Überzeugung. Sein Herz schlug schon immer für die Natur. Bereits als Kind hatte er sich mit allerlei Tieren umgeben, war in Wald und Flur unterwegs und hatte vieles entdeckt, durch aufmerksames Beobachten und durch den freundlichen Umgang mit Tieren. Geduldig verbrachte er seine Zeit im Wald und erzählte später im Kollegenkreis von seinen Erlebnissen. Aber da der Mensch im Grunde seiner Natur ein Skeptiker ist, glaubten die ihm nicht, als er von ganz nahen Begegnungen mit Füchsen, Rehen und Hirschen berichtete. „Zeig uns ein Foto, wenn wir’s glauben sollen.“ So kam er zur Fotografie. Mittlerweile ist eine stattliche Anzahl hervorragender, ja teilweise spektakulärer Aufnahmen entstanden. Und dies nicht, weil er auf der Jagd nach dem schönsten und besten Foto wäre, nein, er will einfach seine intensiven Begegnungen mit der Natur im Bild festhalten, für andere sichtbar und nacherlebbar machen.

Als sich für den Freund die Möglichkeit der Altersteilzeit und damit des vorzeitigen Ruhestandes bot, gab es für ihn kein Halten. Er brach alle Brücken hinter sich ab und zog in das Land seiner Träume, in die Einsamkeit Schwedens. Dort lebte er unter einfachsten Verhältnissen mitten im Wald. Es dauerte nicht lange und er hatte einen Fuchs zum Freund, Marder fraßen ihm aus der Hand und er stand auf Du und Du mit zahlreichen Gänsen, Enten und anderen Gesellen aus der Vogelwelt. Nahe Begegnungen mit Wölfen gehören ebenso zu seinen Erlebnissen wie die „Freundschaft“ zu Dachsen, Eichelhähern und Elchen. Er lebte in dieser Zeit so, wie er als Mensch auch ist: bescheiden, aber glücklich. Er erwarb einen ausgedienten Wohnwagen und stellte ihn dort auf, wo sich nach landläufiger Meinung Fuchs und Hase „Gute Nacht“ sagen. Er schloss Freundschaften mit den Einheimischen, was, wenn man ihn kennt, kein Problem gewesen sein dürfte. Er hat jene vorurteilslose Art, die man selten findet, aber jedem wünscht. Wer mit ihm nicht ins Gespräch kommt, leidet an einer besonders schweren Form von Kontaktarmut.

Und dennoch, nach einiger Zeit bemerkte der ausgewanderte Naturfreund, dass in seiner Wahlheimat irgendetwas nicht stimmte. Für ihn fand dort, wo er war, ein Ausverkauf der Natur statt. Kommerzialisierung soll es ja nun bekanntermaßen überall geben. Er ging, obwohl scheinbar im Paradies lebend und sich seinen Traum bereits erfüllt habend, wieder auf die Suche nach einer neuen Herausforderung. Mein Freund wohnte zwar weit ab von der Gesellschaft, aber nicht hinterm Mond. Er suchte im Internet nach einer Gegend, an die er in sein Herz hängen konnte, die für ihn „gemacht“ zu sein schien und in der er seine Naturbeobachtungen weiterhin durchführen, Kontakte zur heimischen Tierwelt unterhalten könnte und wo sein persönliches kleines Glück wohnen würde. Und was soll ich sagen, er fand genau dieses Stück Natur hier bei uns in der Lausitz.

Für denjenigen, der nur mit grobem Blick in der Welt umhergeht, hat die Gegend zwischen dem Gebirgskamm an der tschechischen Grenze und den Braunkohletagebauen nur wenig zu bieten. Die alte Kulturlandschaft mit ihren „tausend“ Teichen, mit ihren stillen Wäldern, ihren Mooren und Bächen, ihren heimlichen Winkeln und nicht zuletzt ihren herzlichen Menschen bietet aber demjenigen, der die Ruhe und Einsamkeit zu schätzen weiß, einen bunten Blumenstrauß an Möglichkeiten. Während viele Einheimische Jahr für Jahr die Erfüllung ihrer Träume in weiter Ferne suchen, ihre Urlaubstage in fernen Ländern verbringen, schlug mein Freund seine Zelte nun im Lausitzer Land auf, in Nähe eines Teichgebietes. Hier nun schloss er sogleich wieder Freundschaft zur heimischen Tierwelt. Als ich ihn kennenlernte, war er gerade mal ein halbes Jahr da, traf sich aber schon an jedem Abend mit einem Fuchs, der ihm aus der Hand fraß.

Ein Wunder? Ja und nein. Es ist ein Wunder, dass es trotz der tausendfach schlechten Erfahrungen, die diese Tiere mit ihrem Todfeind, dem Menschen, im Laufe der Evolution machen mussten, immer mal wieder zu solchen Kontakten kommt. Es ist kein Wunder, wenn man einen Schritt zurücktritt und das Bild im Ganzen betrachtet. Zwei unterschiedliche Geschöpfe unserer Erde begegnen sich für kurze Zeit mit gegenseitigem Respekt. Eigentlich etwas völlig normales!

Für Interessierte: mit diesem Link gehts zu den Fotos des Lausitzer Naturfreundes.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Matthias Stark

Autor von Lyrik, Prosa und Essay

Matthias Stark

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