Gute Wünsche

Zum Jahresanfang Über das, was uns allen fehlt

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Das Lebensrad dreht sich, weiter und weiter. Gerade ist es wieder einmal an einem Nullpunkt angekommen und ein neues Jahr beginnt. Und wie immer, wünschen wir uns gegenseitig Dinge, von denen wir gern hätten, dass sie in Erfüllung gehen. Aber was wünscht man sich in so aufregenden Zeiten voller Gewalt, Hass und Rohheit?

An erster Stelle Gesundheit natürlich, denn ohne die ist bekanntlich alles nichts. Auch Glück, aber Glück allein macht nicht glücklich. Glück ist der Bruder des Zufalls, und auf Zufälle zu hoffen ist ein Lotteriespiel. Es bedarf sicher noch so manch anderer Sachen. Frieden natürlich, der stets aufs Neue bedroht ist. Ohne Frieden wird alles andere gegenstandslos. Aber welche Dinge sind es noch, die uns fehlen? Was wäre dringend nötig, woran mangelt es uns? Ich habe auf diese Frage für mich drei Antworten gefunden.

Uns fehlt es zunächst ganz entschieden an Zufriedenheit. Wir Westeuropäer leben im Durchschnitt in einer Welt des Überflusses, nicht in einer des Mangels. Und wenn es auch an manchem mangelt, an Materiellem ganz sicher nicht. Dazu genügt ein Blick in die Kinderzimmer und deren Fülle an überflüssigem Kram. Auch die Überforderung manches Kindes am Weihnachtsabend legt Zeugnis darüber ab, mit welch armseligen Mitteln wir Glücklichsein definieren. Wir könnten ein wenig mehr zufrieden sein in unserem materiellen Überfluss. Nicht überall auf der Welt wird die Gier so schnell befriedigt wie bei uns. Wer hat, will mehr haben, sofort und unverzüglich. Wenn uns etwas fehlt, dann fehlt es auf ganz hohem Niveau. Das sollten wir uns bewusst machen inmitten unseres Wohlstandes. Wir haben von allem zu viel und bekommen doch nie genug.

Des Weiteren könnte uns mehr Gelassenheit gut zu Gesicht stehen. Nicht jeder Aufreger ist es wert, sich ihm zu widmen, nicht jede Nachricht sollte uns zur Weißglut bringen und manches ist es einfach nicht wert, dass man Worte darüber verliert. Die Gelassenheit kann auch schon darin bestehen, Radio, Fernsehen oder Internet mal beiseite zu lassen, das Smartphone auszuschalten und zu einem guten Buch, möglichst einem Klassiker, zu greifen. So manches, was uns erregt hat, relativiert sich so von ganz alleine. Und dem uns mittlerweile beständig begegnendem Hass, der wutschnaubend und triefend so manchem Abendlandretter im Gesicht steht, sollte mit einer großen und gehörigen Portion an Gelassenheit begegnet werden. In einer Welt voller Probleme ist der Hass das letzte, was zu vernünftiger Lösung beitragen kann. Mit Gelassenheit bei gleichzeitiger Nutzung von Herz und Hirn wird manches leichter zu tragen und zu ändern sein.

Und schließlich könnten wir uns mehr Demut wünschen. Demut ist mittlerweile fast ein altertümliches Wort und mancher, so scheint es, weiß nichts mehr damit anzufangen. Wir haben die Demut vor der Natur verloren, vor den Tieren und Pflanzen, vor unseren Mitgeschöpfen also und letztlich auch vor anderen Menschen. Wir glauben fest daran, unseren Planeten beherrschen zu können, wir beuten ihn aus und machen uns wenig Gedanken darüber, dass unser Überfluss den Mangel von morgen erzeugen wird. Wir nehmen den menschengemachten Teil des Klimawandels, das Artensterben und die Verschwendung von Ressourcen achselzuckend hin, als könnten wir das demnächst wieder rückgängig machen. Wir erzeugen künstlichen Schnee im Winter, kühlen Eisbahnen im Sommer, benutzen schnell verschleißende und immer wieder zu erneuernde technische Geräte und wähnen uns dabei im Recht. Am Nordpol war es kürzlich etwa zwanzig Grad zu warm. Das störte uns nicht, weil wir der Natur nicht mit Demut begegnen. Täglich sterben bis zu 150 Tier- und Pflanzenarten aus, aber es ist uns egal. Wir haben uns von den natürlichen Gegebenheiten zu weit entfernt und glauben, unsere Stellung über oder außerhalb der Natur einnehmen zu können. Ein fataler Irrtum, der uns in Zukunft in immer stärkerem Maße einholen wird.

Wenn wir uns also in diesen Tagen gegenseitig etwas wünschen, dann sollten neben Gesundheit, Frieden und Glück die drei Dinge Zufriedenheit, Gelassenheit und Demut dazu gehören. Zum Wohle aller Menschen dieser, unserer einen Welt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Matthias Stark

Autor von Lyrik, Prosa und Essay

Matthias Stark

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