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Denglisch und Neusprech Indisches Springkraut in der Alltagsspache

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Sprache ist Identität und Heimat. Das wird zumindest oft und gern so gesehen. Wäre es wahr, dann wären manche unserer Mitbürger ein wenig heimatlos. Zumindest wenn man sie an dem misst, was sie sprachlich absondern.

Kürzlich hörte ich im Fernsehen die Moderatorin sagen, dass man die Fotos „instagrammen“ könne. Ich stutze nur kurz, ist es doch mittlerweile salonfähig geworden, unsere Sprache sowohl in gesprochener wie in verschriftlichter Form zu verhunzen. Und zwar gründlich. Über die „gecancelten“ Flüge ist schon hinreichend berichtet worden, die modernen Frisöre betreiben einen „Cut Point“ (wirklich!) und über das inzwischen vollkommen im Alltag angekommene „es macht Sinn“ (mit dem englischen „make sense“ weitläufig verwandt) wird gedankenlos hinweggegangen. Da ist es geradezu sinnvoll, einmal über die Einwanderung fremder Wörter oder als solche zu vermutende oder sich gebende und die Veränderung unserer Sprache nachzudenken.

Seit Jahren werden unsere Alltagsdinge plötzlich mit anderen Namen versehen. Das Fahrrad wurde zum „Bike“, die Eintrittskarte zum „Ticket“, die Bahn betreibt nun „Service-Points“ und im Fernsehen laufen die „Blockbuster“ rauf und runter. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob denn wirklich alle, insbesondere die zu älteren Jahrgängen tendierenden Ureinwohner Deutschlands, immer genau wissen, was da gemeint ist. Die genannten Beispiele sind ja noch harmloser Natur. Schlimmer geht’s es aber immer.

Jeder Laden ist ein „Store“, alles, was in eine Tasche passt ist „Pocket“ und jede Mode, die man mitzumachen sich gezwungen sieht, heißt jetzt „Fashion“. Unsere Kinder sind „Kids“, die sich aber nicht mehr auf Weihnachten freuen dürfen, sondern auf „X-mas“. Jedes Ereignis ist ein „Event“ und jeder Höhepunkt wird zum „Highlight“ heraufgestuft.

„Sale“ steht im Schaufenster geschrieben und Oma weiß nichts anzufangen damit. Was auch sonst soll ein Laden tun, wenn nicht verkaufen. Dass es sich um den lange abgeschafften Schlussverkauf handelt, wird nur dem in deutsche Einkaufssitten Eingeweihten gewahr. Und wofür ist das gut? Das kann niemand erklären, es sei denn, die Globalisierung muss als Grund herhalten. Nur ist in manchen Gegenden, in denen so sprachverunziert angekündigt und geworben wird, die Zahl der Ausländer eher überschaubar.

Anglizismen sind das Indische Springkraut in unserer Sprache. Diese Pflanze gehört nicht in heimische Auen, es ist aber kaum denkbar, dass man sie je wieder loswerden könnte. In der Wirtschaft beispielsweise scheint man sich ohne „Denglisch“ nicht verständlich machen zu können.

Wie wir auch wissen, gibt es im englischen Sprachraum das „Public Viewing“ gar nicht. Es ist, zumindest sprachlich, eine rein deutsche Erfindung. Aber es macht was her. Und das ist es wohl auch, was der Grund für unsere Sprachpanscherei ist. Es soll weltläufig klingen, den Sprechenden als gebildet aussehen lassen. Aber es ist reine Einbildung, zu glauben, man könne Bildung durch die Benutzung von Lehnwörtern ausgleichen. Früher oder später kommt jeder hinter den Schwindel.

Und ist das Ganze neu? Mitnichten ist es das. Allenfalls ist seit Jahrzehnten auf das Englische ausgerichtet, was früher eher ins französische tendierte und vielleicht noch in Ostdeutschland ins Russische neigte. Man lese beispielsweise nur einmal die Briefe von Theodor Fontane an seine Frau. Da wird mit französischen Wörtern nur so geschossen. Gerade bei Fontane wird permanent etwas als „comme il faut“ (vorbildlich) bezeichnet. Es gab also schon immer eine Tendenz zum Auswärtigen, zum Nichthiesigen, weil offenbar unser Wortschatz als zu wenig bildungsbürgerlich angesehen wurde und wird. Aber während sich das Französische wenigstens noch gebildet anhört, ist das Anglizistische nur eines: es klingt wie gewollt und nicht gekonnt!

Wer sich heutzutage wirklich sprachlich im Alltag herausheben möchte, kann ganz einfach eines tun: ordentliches Deutsch sprechen und schreiben!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Matthias Stark

Autor von Lyrik, Prosa und Essay

Matthias Stark

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