Meinungsvielfalt

Kontrovers Über die Freiheit des Wortes

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Die Gedanken sind frei. Aber sind es auch die Worte, die geschriebenen oder gesprochenen? Selbstredend sind sie es. Die Freiheit des Wortes ist die Grundlage einer funktionierenden Demokratie. Und in einer solchen leben wir ja derzeit, wie man immer wieder hört. Zumindest sollte die Freiheit des Wortes, die freie Meinungsäußerung in einer pluralistischen Gesellschaft überhaupt keiner Diskussion bedürfen. Tut sie aber, leider.

Gerade in Vorbereitung der Buchmesse wird verschiedentlich zur Mobilmachung gegen Verlage aufgerufen, die nicht in den offiziellen Meinungskorridor zu passen scheinen, wird die vielbeschworene Zivilgesellschaft bemüht, um zu Aktionen gegen andere Meinungen und deren Verbreitung aufzurufen. Wir leben nun aber in einer Gesellschaft, in der es erlaubt ist, noch den größten Blödsinn gedruckt zu verbreiten. Von esoterischem „Wissen“ bis hin zu den abstrusesten Verschwörungstheorien sind die Buchregale und die Auslagen der Zeitschriftenhändler voller merkwürdiger Drucksachen. Gerade deshalb sollte den genannten Verlagen mit einer gewissen Gelassenheit begegnet werden.

Für mich gehört die Freiheit des Wortes als Teil der Menschenrechte zu den großen Errungenschaften des halbwegs zivilisierten Weltteils. Eben auch, weil ich mich gut an eine Zeit erinnern kann, in der man Worte abwägen musste und die Schere im Kopf zum Zensor wurde. Deshalb ist mir die Meinungsfreiheit wichtig. Sie findet ihre Grenze ganz klar dort, wo andere Menschen herabgewürdigt, beleidigt oder angefeindet werden. Es gibt in Deutschland eine Berufsgruppe, deren Geschäftsmodell teilweise oder in Gänze auf letzterem aufbaut. Ein beträchtlicher Teil der sogenannten „Comedians“ kann offenbar nur Gags produzieren, wenn sie auf Kosten anderer oder Andersdenkender gehen.

Ich bin der festen Überzeugung, dass die meisten, die glauben, sich gegen gewisse Verlage stark machen zu müssen, noch nicht mal probeweise versucht haben, deren Gedrucktes zu lesen und sich inhaltlich damit auseinanderzusetzen. Es gehört ein Blick weit über den Tellerrand der eigenen Überzeugung dazu, sich mit diametral anderen Meinungen zu beschäftigen. Und auch ein wenig Mut, viel eigene Überzeugung sowie eine Brise Skepsis. Man muss vom eigenen Standpunkt eben mal zehn Schritte zurücktreten können, um das Gesamtbild zu überblicken. Den meisten Zeitgenossen geht diese Fähigkeit leider in Gänze ab, auch und gerade den führenden Leitartiklern.

Das Ergebnis ist, dass in Internetforen und Leserzuschriften ein Ton der Überheblichkeit herrscht, den die Mainstreammedien dadurch unterstützen, indem sie in vorauseilendem Gehorsam immer gleich zu wissen glauben, was „richtig“ und was „falsch“ ist. Leider ist unsere komplexe Welt nicht so einfach eingerichtet. Die kürzlich im Bundestag geführte Diskussion, die deutsche Sprache grundgesetzlich zu verankern, war ein beredtes Beispiel, wie es um die Debattenkultur in unserem Land bestellt ist. Die durchaus berechtigte, zumindest denkbare, Forderung wurde, weil von der „gegnerischen“ Partei vorgeschlagen, lächerlich gemacht. Das Parlament wurde zum „Comedienstadl“, von Sachlichkeit kaum eine Spur. Stattdessen wurde mit nordischem Dialekt geantwortet, wo eigentlich von Fremdsprache die Rede war. Selbst Minister schrecken, wie wir sehen konnten, nicht davor zurück, Teile des eigenen Volkes als „Pack“ zu bezeichnen. Das erscheint mir mindestens grenzwertig zu sein. Genau diese Arroganz treibt die Menschen zu den alternativen Parteien, gleich welcher politischen Ausrichtung.

Die Freiheit des Wortes und die sachliche Auseinandersetzung mit Andersdenkenden sind zwei Seiten derselben Münze. Wem hier nur Häme und Sarkasmus als Argumente zu Verfügung stehen, der tut dem, was wir derzeit noch als Demokratie bezeichnen zu können glauben, keinen guten Dienst. Nehmt bitte die gegensätzliche Meinung ernst! Man hat schon erlebt, dass sicher geglaubte Staatsgefüge zusammenbrachen, auch weil die „Machthaber“ abweichende Ansichten nicht zuließen.

Mit der Freiheit des Wortes beginnt und endet nach meiner Erfahrung die Freiheit des Menschen. Und mit der kann es mal ziemlich schnell vorbei sein.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Matthias Stark

Autor von Lyrik, Prosa und Essay

Matthias Stark

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