Menschlichkeit in schweren Zeiten

Lesung Zur Erinnerung an einen fast Vergessenen

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Eingebetteter MedieninhaltEr scheint fast schon vergessen zu sein und nur wenige erinnern sich noch an ihn: den Schriftsteller Peter Jokostra. Dabei hat er uns in seinem Werk auch heute noch viel zu sagen. Insbesondere seine humanistische Haltung, sein Eintreten gegen Krieg und Judenverfolgung, für Völkerverständigung und gegen jegliche dogmatische Weltsicht sowie gegen die Umweltzerstörung machen seine Geschichten und Romane sehr aktuell.

Jokostra wurde 1912 als Heinrich Ernst Knolle auf der Durchreise in Dresden geboren. Als Sohn des Stadtapothekers wuchs er in Spremberg auf. Er studierte unter anderem Literatur und Kunstgeschichte in Frankfurt/M., München und Berlin. Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten, mit deren Politik er sich nie identifizieren konnte, ging er als Gutseleve nach Masuren. Wenige Jahre darauf erwarb er im mecklenburgischen Liepen einen eigenen Hof. Beide Lebensabschnitte verarbeitete er später in seinen Romanen „Heimweh nach Masuren“ und „Damals in Mecklenburg“. Der Wehrmacht entzog er sich zum Kriegsende durch Desertion. Darüber reflektiert er in seinem Roman „Das große Gelächter“. Nach dem Zweiten Weltkrieg tritt er in die KPD ein und wird, gegen seinen Willen und eingesetzt durch die sowjetischen Besatzer, Schulrat in Spremberg.

In diese Zeit fällt auch seine Freundschaft mit dem gleichaltrigen und später berühmt gewordenen Schriftsteller Erwin Strittmatter. Auch Knolle schreibt, zunächst Lyrik, später Erzählungen, Romane und Reiseberichte. Er nennt sich fortan als Schriftsteller Peter Jokostra. Die Freundschaft zu Strittmatter zerbricht an den unterschiedlichen politischen Einstellungen zur frühen DDR und verschiedenen Haltungen in künstlerischen Fragen. Jokostras Gedichte muten surrealistisch an und passen nicht in die offizielle Kulturpolitik, welche Strittmatter damals offensiv vertrat. Seine Lyrik wurde als dekadent eingestuft und sein 1958 erschienener Gedichtband „An der besonnten Mauer“ wird verrissen. Jokostra flieht über die damals noch offene Grenze in den Westen, die Freundschaft zu Strittmatter zerbricht endgültig. Im Westen versucht Jokostra, das Erscheinen von Büchern ostdeutscher Autoren zu verhindern, so u.a. auch von Erwin Strittmatter und Anna Seghers. Strittmatter hingegen benutzt Peter Jokostra als Vorlage für seine Figur des versponnenen Dichters Weißblatt in der Romantrilogie „Der Wundertäter“. Aus der ehemaligen Freundschaft wurde Feindschaft.

Im Westen tritt Jokostra als Literaturkritiker, Herausgeber und Autor in Erscheinung. Er unterhält zahlreiche freundschaftliche Verbindungen zu anderen Schriftstellern und korrespondiert u.a. mit Paul Celan, Johannes Bobrowski und Rose Ausländer. Jokostra starb hochbetagt als 94-jähriger im Jahr 2007 in Berlin.

Die zerbrochene Freundschaft zu Strittmatter ist längst noch nicht im Detail aufgearbeitet und böte Stoff, die politischen Wirren und Gegensätze der damaligen Zeit anhand zweier Künstlerbiografien zu hinterfragen. Hier liegt noch ein reicher Schatz, den Historiker heben könnten. Erste Ansätze dazu bieten die Veröffentlichungen der letzten Jahre, so u.a. von Klaus Krause und Benjamin Voß.

Ein kleiner Kreis von Literaturfreunden hat angeregt, in Spremberg am ehemaligen Wohnhaus Jokostras eine Gedenktafel anzubringen. Dies wurde von der Stadt Spremberg positiv beschieden und soll nun letztlich aus Anlass des zehnten Todestages im Januar 2017 erfolgen.

Aus diesem Anlass findet zur Unterstützung der Finanzierung der Gedenktafel am 5. November 2016, 18 Uhr in der Kreisbibliothek Spremberg eine Benefizlesung unter der Überschrift „Menschlichkeit in schweren Zeiten“ statt. Aus den Romanen und Erzählungen von Peter Jokostra werden Klaus Krause, Benjamin Voß und Matthias Stark lesen. Interessierte sind herzlich willkommen. Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Matthias Stark

Autor von Lyrik, Prosa und Essay

Matthias Stark

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