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Sprachlos Bildungslücken schließen

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„Also lautet der Beschluss, dass der Mensch was lernen muss.“ Schon Wilhelm Busch konnte es kurz und prägnant auf den Punkt bringen. Bildung hilft – nicht immer, aber oft. Doch mit den Bildungslücken hat es gelegentlich so seine Tücken.

Volkshochschulen sind eine der Möglichkeiten, Defizite im Wissen und Können auszugleichen. Wobei das „Hoch“ zwischen Volk und Schule gewiss ein wenig übertrieben ist. Trotzdem bieten diese Einrichtungen ihren Absolventen so einiges an, was die Lücken auszufüllen versucht, welche sich im Laufe eines Lebens zwangsläufig unter der Schädeldecke auftun.

In Dresden hat die Volkshochschule nun offenbar zum wiederholten Male einen Kurs im Angebot, der sich „Kleiderordnung im Islam“ nennt. Dort können die Teilnehmer(innen) unter anderem auch testen, wie sich das Tragen einer Burka anfühlt. In einer Presseinformation teilt das Institut mit, dieses „Bildungsangebot“ sei „für Ehrenamtliche in der Flüchtlingsarbeit konzipiert, die in Kontakt mit Flüchtlingen aus der arabischen Welt stehen, um ihnen auch das nötige Hintergrundwissen beim Kontakt vermitteln zu können.“

Da bekommt der geneigte Bildungshungrige große Augen. Staunen und Wundern gehen Hand in Hand. Ich könnte verstehen, wenn in einer Mitarbeiterschulung für jene, die direkt mit den Flüchtlingen zu tun haben, dieses Thema eine Rolle spielt. Nicht verstehen kann ich aber, dass sich ein solches „Bildungsangebot“ an die Einheimischen wendet, damit die lernen, was es heißt, „islamkorrekt“ gekleidet zu sein. „Was soll das?“, fragt sich der verunsicherte und mit den erwähnten Bildungslücken behaftete künftige Volkshochschulabsolvent. Will man uns damit „fit für die Zukunft machen“? Immerhin wäre das ja einer der propagierten Gründe für lebenslanges Lernen. Erwartet man ernstlich von uns, über die korrekte Kleiderordnung in islamisch geprägten Gesellschaften Bescheid zu wissen?

Anstatt den Menschen, die aus den unterschiedlichsten Gründen zu uns kommen und über die ich mich nicht anmaße zu urteilen, hiesige Werte, Kleiderordnungen und Gepflogenheiten nahezubringen, wird der umgekehrte Weg eingeschlagen. Wir sind jene, die lernen müssen. Das sollte uns zumindest nachdenklich stimmen dürfen.

In der Verlautbarung der Volkshochschule, zu der sich die Einrichtung „durch eine verzerrte und an Populismus grenzende Berichterstattung“ und „künstlich ausgelöste Kontroverse“ genötigt sah, heißt es: „Die Veranstaltung lädt vielmehr dazu ein, sich selbst damit zu beschäftigen und die Hintergründe kennenzulernen und sich ein eigenes Urteil zu bilden.“ Die Keule des Populismus ist leicht geschwungen, wenn vom Mainstream abweichende Meinungen oder gar Kritik geäußert werden.

Danke für die Einladung, möchte ich den Verantwortlichen zurufen, aber leider kann ich ihr nicht folgen. Ich bin sehr froh darüber, dass die Zeiten, in denen man mir sagte, was ich anzuziehen hätte, vorbei sind. Es gab sie nämlich, ich erinnere nur an die Pionier- und FDJ-Blusen, die zu tragen man mir eine Zeit lang dringend anempfahl. Ich kann mir nicht vorstellen, dass allzu viele Frauen darauf erpicht sind, die merkwürdigen Gepflogenheiten der islamischen Verhüllungstechniken kennenzulernen oder sich gar nach ihnen zu richten.

Ich halte es nicht für sehr weise, sich religiös motivierten Kleiderordnungen anzubiedern. Es könnte der Anfang vom Ende der persönlichen Freiheit sein, über die wir alle derzeit noch verfügen. Diese Freiheit, ziemlich vieles zu dürfen, schließt auch die Möglichkeit ein, sinnloses zu unterlassen. Man muss also nicht jedes Bildungsangebot annehmen, und das ist gut so.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Matthias Stark

Autor von Lyrik, Prosa und Essay

Matthias Stark

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