Pferde fressen keinen Gurkensalat

Aufgelegt Eine Telefongeschichte

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Das Telefon ist aus unserem Leben unmöglich wegzudenken. Obwohl es ja oft gar nicht mehr zum Austausch von Sprachnachrichten benutzt wird. Aber als Kommunikationsmittel in der Hosentasche ist es derzeit unersetzbar. In meiner Kinderzeit war Telefonieren ein Vorgang, den man in einem Glaskasten am Straßenrand durchführte. Die Telefonzelle war das Mittel der Wahl, private Telefonanschlüsse gab es wenige. Angerufen wurde man am Arbeitsplatz und es handelte sich in der Regel um wirklich Wichtiges, was schnell und effizient übermittelt werden wollte. „Fasse Dich kurz“ war die Devise und das stand auch in so mancher öffentlichen Fernsprechzelle.

Nach dem Betreten des Telefongehäuses und Abnehmen des Hörers steckte der potentielle Fernsprechteilnehmer zwei Zehn-Pfennig-Stücke in den Geldschlitz und wenn er Glück hatte, purzelten die auch nicht gleich wieder unten heraus. Dann konnte man die gewünschte Nummer mit Hilfe sogenannten Nummernschalters wählen. Dazu wurde der Zeigefinger in das Loch mit der entsprechenden Ziffer gesteckt, der Drehschalter bis zum Anschlag aufgezogen und dann losgelassen. Das führte zur kurzeitigen Stromkreisunterbrechung entsprechend der gewählten Ziffer. Ein mittlerweile unvorstellbar gewordener Vorgang, der nur noch im Museum nachvollzogen werden kann.

Da ich nach meiner Kindheit den Beruf des Fernmeldetechnikers erlernt habe, bin ich noch immer ein wenig angetan von der klassischen Technik, die vollkommen ohne Rechner und ohne Digitalisierung auskam. Die dahinter befindliche Technik war in Sälen untergebracht, hier ratterten Hunderte von elektromechanisch gesteuerten Wählern, um die Verbindungen herzustellen.

Ihrem Ursprung nach geht die Geschichte des Telefons auf eine Erfindung von Johann Philipp Reis zurück, der am 7. Januar 1834 das Licht der Welt erblickte. Als Lehrer, unter anderem für Physik und Mathematik, baute er ein anschauliches Modell einer menschlichen Ohrmuschel. Dabei kam ihm die Idee, Schallwellen mittels elektrischen Stroms zu übertragen, was er zu seiner Lebensaufgabe machte.

Im Oktober 1861 führte Reis erstmals seine Erfindung vor Mitgliedern des physikalischen Vereins in Frankfurt vor. Er bezeichnete seinen Apparat zur Sprachübermittlung als „Telephon“, mittlerweile ein unsterblicher Begriff. Dabei wurde der legendäre Satz „Das Pferd frisst keinen Gurkensalat“ gesprochen. Dieser scheinbare Unsinn hatte seinen Grund. Reis wollte zeigen, dass es sich nicht um vorher vereinbarte oder allgemein bekannte Aussagen handelt, sondern um wirkliche Sprachnachrichten. Beim Empfänger kam wohl damals nicht ganz genau an, was Pferde nicht fressen, das Prinzip aber schien zu funktionieren. Allerdings bescheinigte man Reis in typisch deutscher Naivität, dass es wohl kaum eine praktische Anwendung für diese Erfindung gäbe. Schließlich benutze man die Telegrafie, die sich damals schon etabliert hatte.

Ein großer Irrtum, wie wir inzwischen wissen. Einen wirtschaftlichen Nutzen konnte Philip Reis nicht aus seiner Erfindung ziehen. Das blieb andern vorbehalten, so beispielsweise Alexander Graham Bell, der ein Patent auf das Telefon anmeldete. Und der Bestattungsunternehmer Almon Brown Strowger erfand den Hebdrehwähler, mit dem das automatische Vermitteln von Gesprächen möglich wurde. Strowger hegte den Verdacht, dass geschäftliche Verbindungen von den Telefonistinnen zur Konkurrenz durchgestellt wurden, was ihn veranlasste, die Handvermittlung von Gesprächen umgehen zu wollen.

Heute nun ist das Telefon aus dem Leben nicht mehr wegzudenken. Ob es jedoch eine kluge Idee ist, das separate und redundante Telefonnetz einzusparen und die gesamte Telefonie ins Internet zu verlagern, wird die Zukunft zeigen. Störanfälliger ist das Telefonieren auf jeden Fall dadurch zunächst geworden und Redundanz ist kaum noch vorhanden. In Krisenzeiten könnte sich das rächen.

Aber Irrtümer gehören, wie Philipp Reis und seine Erfindung zeigen, zur Geschichte des Telefons dazu. Pferde fressen übrigens noch immer keinen Gurkensalat.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Matthias Stark

Autor von Lyrik, Prosa und Essay

Matthias Stark

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