Problem: Wolf

Natürlich Eine Betrachtung

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Eingebetteter Medieninhalt

Wolfsnachweis in der Sächsischen Schweiz aus dem Jahr 2017

Wann immer das Gespräch auf das wieder eingewanderte Raubtier kommt, bilden sich spontan zwei Gruppen, die Wolfsgegner und die Befürworter. Der Wolf polarisiert, wie so manch anderes aktuelle Thema auch. Mehr oder weniger sachlich werden dann Argumente ausgetauscht, ohne in der Sache einen gemeinsamen Standpunkt zu finden.

Wobei es gefühlt mehr Gegner als Befürworter zu geben scheint, zumindest in meinem Umfeld. Egal, mit wem ich darüber spreche, mir schlägt mindestens Skepsis entgegen. Da hilft auch das von mir vorgebrachte Argument nicht, dass dieses Tier in unsere Landschaft gehört, es im Gegensatz zu Waschbär und Marderhund in Mitteleuropa Teil unserer Fauna ist. Da sitzen berechtigte und unberechtigte Ängste neben einem allgemeinen Misstrauen in den Mitmenschen und führen zur Ablehnung. So mancher hält die Wiederansiedlung des Grauen sogar für behördlich gesteuert und damit menschengemacht.

Am „schönsten“ finde ich den oft gehörten Satz „Wozu brauchen wir die Wölfe?“ um dann zu ergänzen: „Ich brauche sie nicht.“ Mit diesem „Argument“ ausgestattet, frage ich mich, wozu ich Stechmücken, Zecken oder Hornissen brauche. Gerade letztere machen mir persönlich Angst, weil ich auf deren Stiche höchst allergisch zu reagieren pflege. Das Wort „brauchen“ ist in diesem Zusammenhang vollkommen deplatziert. Kein Mensch „braucht“ den Wolf, genauso wenig wie die Mücken. Und doch sind sie Teil unserer Natur.

Was passiert, wenn wir in unserer Selbstherrlichkeit diese Natur unseren Verhältnissen anzubequemen versuchen, sehen wir gerade aktuell beim Insektensterben, welches einen massiven Rückgang der Vogelpopulation zur Folge hat. Kein Mensch käme auf die Idee, zu fragen, wofür wir Singvögel „brauchen“. Das sieht beim Wolf jedoch anders aus.

Nach allem, was wir wissen, ist die Angst vor dem Wolf als Raubtier, welches „zähnefletschend kleine Kinder frisst“, unbegründet. Trotzdem werden diese Ängste geschürt, sehr zu unrecht. Der Wolf ist uns Menschen ähnlicher, als wir es wahrhaben wollen. Im Familienverband, dem Rudel, lebend, nehmen sich Wölfe aus der Natur, was sie zum Leben brauchen, wie wir. Wölfe sind Jagdkonkurrenten und deshalb unter den Jägern oft unbeliebt. Die Anwesenheit der Wölfe in den Wäldern ist die Ursache dafür, dass Reh und Rotwild vorsichtiger und damit schwerer jagdbar werden. Nun denn, Weidmannsheil.

Was die Gefährlichkeit betrifft, so sind Wildschweine die wohl gefährlichste Spezies unserer Wälder. Einer führenden Bache, also einer mit Jungtieren, zu begegnen, sollte den Waldspaziergänger zu äußerster Vorsicht bewegen. Da ist Rückzug angesagt, ohne Wenn und Aber. Keiner fragt jedoch, wozu wir Wildschweine „brauchen“.

Wir Menschen haben die Natur in Weise umgestaltet, die uns alle nachdenklich stimmen sollte. Wenn wir im Sommerhalbjahr durch Felder und Wiesen fahren, ist uns kaum bewusst, dass dies alles grüne Wüsten sind, in denen nur lebt, wem wir zu leben gestatten. Wir glauben, uns die Natur nach Gutdünken umgestalten zu können, um schlussendlich zu merken, dass sich diese Veränderungsversuche gelegentlich gegen uns selbst richten.

Letztlich geht es gar nicht um den Wolf, es geht um den sorgsamen Umgang mit unserer Umwelt. Den haben wir verlernt, global und gründlich. Stattdessen rotten wir aus, was uns nicht passt, töten sorgfältig alles, von dem wir glauben, es nicht zu „brauchen“. Wir haben uns die Erde auf eine Weise untertan gemacht, die nicht gut für uns ist.

Die einzigen, für die der Wolf ein wirkliches Problem darstellt, sind die Nutztierhalter, welche ihren Tieren eine artgerechte Haltung auf Koppeln und Weiden angedeihen lassen. Wenn die alles richtig machen, Elektrozäune in entsprechender Höhe errichten und der Wolf dann trotzdem Tiere reißt, dann stellt das ein Problem dar, welches von der Gesellschaft ernst genommen und geregelt werden muss.

Den Wolf zum Abschuss freizugeben, kann aber auch dann nicht die Lösung sein, so wie Töten und Ausrotten nie eine humane Lösung ist. Wir sollten uns als Teil der Natur begreifen lernen, ehe es ganz zu spät ist.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Matthias Stark

Autor von Lyrik, Prosa und Essay

Matthias Stark

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden