Schöne neue Welt

Technologie Das Internet der Dinge ist ganz nah

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Wenn von der Zukunft die Rede ist, wird als solche oft die technische Entwicklung gepriesen. Glaubt man dem, was zu hören ist, dann wird diese Zukunft wundervoll, ja geradezu grandios. Die Technik wird uns in die Lage versetzen, vollkommen sorgenfrei zu leben und uns verwöhnen zu lassen. Immer mehr schnöde Arbeit werden uns die wundervollen Maschinchen abnehmen, die uns für absehbare Zeiten versprochen sind. Viel hört man da vom „Internet der Dinge“, von der vernetzten Wohnung, dem „Smart Home“ und von so wunderbaren Aussichten, wie dem Kühlschrank, der automatisch die gerade aufgegessene Pizza nachbestellt. Wie schön wird das werden!

Kürzlich war aber die Rede davon, dass Internetfreaks, in dunklen Kellern hausend, sich mit den nahezu ungesicherten Komponenten dieser Zukunftswelt verbinden, sie ausspionieren und per Software unbrauchbar machen. Damit wollen die Nerds auf die unzureichenden Sicherheitsmaßnahmen der Hersteller und die Blauäugigkeit der Benutzer aufmerksam machen. Das wird ihnen offenbar immer öfter gelingen. Denn der unbedarfte Technologiefreund ist sich gar nicht im Klaren darüber, was es bedeutet, immer mehr Heimgeräte mit dem Internet zu verbinden und das ohne entsprechenden Schutz mit sicheren Passwörtern und anderen Maßnahmen.

Ein besonders zu empfehlendes Dingelchen der neuen, schönen Welt ist Fräulein Alexa von Amazon. Dieses smarte Gerät wird per Sprache gesteuert, kann Antworten liefern, Musik abspielen und lernt auch noch selbst dazu. Das Ding kann also mehr, als mancher von seiner Ehefrau erwartet. Und es schickt jedes in der Wohnung gesprochene Wort ins Netz. Da reibt sich der ostdeutsche Kleinbürger, der die Staatssicherheit noch selbst kennengelernt hat, verwundert die Augen. Mussten damals die unauffälligen Herren in Wohnungen einbrechen, um diese zu verwanzen, tut heute der Bewohner selbst alles dafür, seine Privatsphäre fast vollständig aufzugeben. Das ist wundervoll, insbesondere für die Neugierigen dieser Welt. Das müssen nicht unbedingt Regierungen sein, gerade Internetkonzerne sollen ja sehr von Neu- und Wissbegier geplagt werden.

Als Vorteil dieser „Vernetzung von allem“ wird oft von der berühmten Heizung gesprochen, die sich per Smartphone steuern lässt oder gar von selbst anfängt zu arbeiten, wenn sich ihr Besitzer seinem Heim nähert. Auch das ist wundervoll. Blöd nur, wenn der gar nicht nach Hause sondern daran vorbei fährt, weil er noch was zu erledigen hat. Beleidigt wird sich die Heizung wieder abregen müssen. Das wirft die Frage auf, ob dieser Schnickschnack vielleicht auch nachtragend sein kann? Vielleicht verweigern diese Geräte dann ihren Dienst, wenn sie mehr als drei Mal umsonst angeworfen wurden. Wird mein Kühlschrank beleidigt sein, wenn ich die von ihm nachbestellte Pizza nicht anrühre? Wird Alexa schmollend schweigen, wenn ich drei Tage nicht mit ihr spreche? Man sagt ja nicht umsonst, dass ein Computer „in Silizium gegossene Heimtücke“ ist. Mit wie viel mehr Heimtücke werden wir da zu kämpfen haben, wenn immer mehr, immer kleinere Computer uns umgeben? Man weiß es nicht.

Ich jedenfalls freue mich auf diese schönen neuen Dinge. Wir werden vor Herausforderungen stehen, die wir uns bisher gar nicht vorstellen konnten. Das vernetzte Klo wird der letzte Schrei sein. Aufstehen von der Schüssel bewirkt Schließen des Klodeckels, Öffnen des Fensters und automatisches Hochziehen der Hose. Zum Schluss erfolgt ein Posting via Facebook oder Twitter über den erfolgreichen Abschluss des Geschäfts - wundervoll. Es ist genau das, woran es dem Menschen über Jahrhunderte gebrach.

Was für eine schöne, neue Technikwelt. Unser Vertrauen in diese Technologie wird grenzenlos sein. Irgendwann werden wir uns gar nicht mehr vorstellen können, jemals selbst Hand angelegt zu haben an irgendetwas. Wir Menschen hatten offenbar schon immer ein besonderes Gespür dafür, was uns wirklich fehlt!

Der Irrtum ist nur, dass wir glauben, bessere Technologie würde unsere Welt menschlicher machen. Ich glaube, das Gegenteil wird der Fall sein. Darüber sollten wir mal nachdenken!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Matthias Stark

Autor von Lyrik, Prosa und Essay

Matthias Stark

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