Solange Menschen dichten …

Unvergessen Zum 100. Geburtstag von Gottfried Unterdörfer

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„Die Natur unterhält mich immer. Sie langweilt mich nie. Menschen können mich bis zur Erschöpfung langweilen. Wem mag es im Begegnen mit mir so ergehen?“

schreibt der Gottfried Unterdörfer in einem Tagebucheintrag vom 27. April 1992.

Nein, gelangweilt hat der Schriftsteller die Leser nie. Im Gegenteil, waren seine lebendigen Schilderungen der Natur und die berührenden Gedichte für viele Menschen Quell der Freude und Ermutigung. Unterdörfer, der im Hauptberuf mit Leib und Seele Förster war, hätte am 17. März seinen 100. Geburtstag gefeiert. Geboren wurde er in Zschornau, einem heutigen Ortsteil von Kamenz.

Seiner Heimat, der Lausitz, hielt er stets die Treue. Seit 1950 als Revierförster in Uhyst (Spree) tätig, führte er ein bodenständiges Leben. Er war tief verwurzelt bei den Menschen der Region, geachtet und anerkannt als Ratgeber, Naturbeobachter, Historiker, Kunst- und Literaturfreund. In seinen Musestunden schrieb er Kurzgeschichten, Gedichte und zuletzt auch Tagebuch, hinzu kommen fachliche Texte zu Natur- und Umweltthemen. Unterdörfer war ein genauer Beobachter des Zeitgeschehens. Er reflektierte akribisch die Eingriffe des Menschen in die Natur und Landschaft durch den Braunkohlebergbau in der Lausitz und war somit auch Chronist der Zerstörung von Lebensräumen. Sein christlicher Glaube war ihm Halt und Stütze, er begleitete ihn durch sein ganzes Leben.

Immer wieder werden ihm Kriegserlebnisse zum Sujet seines Schreibens. Tief prägte ihn die Zeit des Zweiten Weltkrieges, in der er als Infanterieoffizier an der Ostfront eingesetzt war. Diese Erlebnisse waren Grundlage für seine pazifistische Grundhaltung, zu der er auch in der DDR-Zeit stand. Was ihn auszeichnete, war eine Haltung, die aus heutiger Sicht als vorbildlich und geradlinig zu gelten hat. So wurde er, der bis zur politischen Wende zehn Bücher im Union-Verlag veröffentlichte, nie Mitglied des Schriftstellerverbandes.

Aber auch zur „neuen Zeit“ nach 1989 hatte Gottfried Unterdörfer seine eigene Meinung. Im Tagebuch von 1992 vermerkt er am 10. April:

„Unausgesprochen dahinter die Gier nach Reichtum. Welches sinnverwirrende Verbluten zuvor – seitdem – bis heute. Überall: die Feindbilder in den Völkern verändern sich, und es ändert sich nichts.“

Er blieb ein kritischer Geist, weil er die Menschen genau kannte und sich keinen Illusionen hingab.

Gottfried Unterdörfer starb am 9. September 1992. Beigesetzt wurde er auf eigenen Wunsch im brandenburgischen Thyrow. In Uhyst erinnert eine Ausstellung an den Dichterförster. Dem Wanderer und Naturfreund begegnen gelegentlich Zitate des Dichters auf einigen Gedenksteinen in Uhyst und Umgebung.

Nach Unterdörfers Tod erschienen bisher drei weitere Bücher mit teilweise nachgelassenen Texten. Der Sohn des Uhyster Förster, Burkhard Unterdörfer, pflegt das Erbe seines Vater mit Liebe und Hingabe. Ihm ist bereits die Herausgeberschaft des Bandes „Blätter unter Licht und Schatten“ zu verdanken, in dem Unterdörfer die Ereignisse eines Försterjahres Revue passieren lässt. Jetzt ist es Burkhard Unterdörfer ein weiteres Mal gelungen, Texte zu einem Buch zusammenzustellen. Im „Via-Regia-Verlag“ erscheint zum 100. Geburtstag der Band „Mädchen vor dem Fenster“ mit 19 Erzählungen.

„So lange Menschen singen und dichten, verherrlichen sie die Natur.“

schrieb Gottfried Unterdörfer in sein Tagebuch. Er hat dies ein Försterleben lang meisterlich für uns getan, zur Mahnung und zur Erbauung.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Matthias Stark

Autor von Lyrik, Prosa und Essay

Matthias Stark

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