Sprachpanscher

Denglisch Über das Verhunzdeutschen unserer Sprache

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Vom Aphoristiker Georg Christoph Lichtenberg stammt der offenbar schon damals notwendige Begriff „verhunzdeutschen“. Der gute Lichtenberg ist seit 1799 tot, der von ihm geprägte Begriff lebt weiter und ist heute aktueller denn je.

Es wird „verhunzdeutscht“, auf Teufel komm raus. Dabei ist es nicht so sehr das gesprochene Wort der Mitmenschen, es ist jenes, das von professionellen Sprecherinnen und Sprechern in Funk und Fernsehen abgesondert wird. Von Menschen also, die von Berufs wegen mit Sprache umgehen und von denen wir alle erwarten könnten, dass sie dies nach allen Regeln der (Sprach-)Kunst tun. Weit gefehlt.

Im deutschen Rundfunk wird seit einiger Zeit peinlichst darauf geachtet, dass die sogenannte „gendergerechte Sprache“ benutzt wird. Also werden aus Forschern Forschende, aus Studenten Studierende und aus Flüchtlingen Flüchtende. Das macht natürlich auch aus den Sprechern beim Radio Sprechende und aus Hörern Hörende. Man kann das albern finden, aber die Sprachpolizisten sind auf dem Vormarsch. Es scheint, als ob die Sprache wichtiger wäre als die gesellschaftliche Realität. Ob man aus Pflegern Pflegende macht, ist ihnen vermutlich mehr egal, als eine angemessene Bezahlung. Das aber ist nicht zu verlangen in einer Gesellschaft, die den Mammon über alles stellt. Mit der „Gendersprache“ hängt sich die spätkapitalistische Gesellschaft ein schönes, weißes Mäntelchen um.

Ein deutscher Fernsehfilm nahm kürzlich die „Genderei“ treffend auf die Schippe. Auf die Mahnung, man sage nicht mehr Flüchtling, sondern Flüchtende, konterte der Gesprächspartner: „Aber Schmetterling darf ich noch sagen, oder heißt das jetzt Geschmetterter?“

Während also auf die Gendergerechtigkeit genauestens Wert gelegt wird, scheint anderes weniger ins Gewicht zu fallen. Im deutschen Qualitätsfernsehen der öffentlich-rechtlichen war in einer Hauptnachrichtensendung von „gecancelten Flügen“ die Rede. Statt Eintrittskarten gibt es nur noch Tickets im Angebot. Kürzlich sprach ein Sportreporter von „gemeinsamem Zusammensein“ und eine Aussage im Deutschlandfunk war nicht nur „o.k“., sie war sogar „okayer“. Sinn ergibt sich nicht mehr, sondern wird „gemacht“ und etwas nicht nur „mal“ genommen, sondern „einmal“. Letzteres ist mittlerweile so verbreitet, dass die falsche Verwendung kaum noch auffällt. „Komme mal her“ ist eben nicht das Gleiche wie „Komme einmal her“.

Was geschieht dadurch mit uns?

Die deutsche Sprache ist beliebig geworden. Wenn professionelle Sprecherinnen und Sprecher die Sprache schludrig benutzen, hat das Auswirkung auf die Zuhörer, Pardon: die Zuhörenden. Es fällt dann offenbar gar nicht mehr auf, wenn Sprache falsch angewandt wird. Natürlich soll und muss sich Sprache wandeln dürfen, sich anpassen an Neues, alte Wörter geraten in Vergessenheit. Dass dies aber zum Verhunzen der Sprache führen muss, ist m.E. nicht zwingend. In den Zeiten der Corona-Pandemie fanden auch ein paar sehr schöne englische Begriffe ihren Weg in die deutschen Ohren. „Lockdown“ klingt ja auch viel angenehmer als Ausgangssperre, was es ja eigentlich bedeutet. Nur von Einschränkungen zu sprechen, war offenbar zu banal. Und „Homeschooling“ statt Heimunterricht ist einfach nur albern. Das Benutzen von Anglizismen soll Bildung vortäuschen, das gelingt nicht immer. Mancher Gesprächspartner in den Medien nutzt gern zuerst den englischen Begriff, um ihn gleich danach auf deutsch zu erklären. Das halte ich für grobe Respektlosigkeit, weil es eigentlich signalisiert: „Für Dich Dämlack nun noch mal auf deutsch!“

Und leider ist der Duden als Wächter über die deutsche Sprache nun auch schon lange ausgefallen. Das ist bedauerlich. Der Duden beobachtet nur die Wandlung und nimmt sie auf, ohne vorzuschreiben, was richtig ist. So sollten wir mit unserer Sprache nicht umgehen.

Mittlerweile gibt es Menschen, die es gut fänden, würden wir gleich alle englisch sprechen. Dass die Sprache ein Teil unserer Kultur ist, ein beträchtlicher sogar, wird dabei vergessen. Ich glaube auch nicht, dass die Mehrzahl der Mitmenschen, selbst wenn sie leidlich gut des Englischen mächtig sind, sich so differenziert in dieser Sprache auszudrücken vermögen wie in ihrer Muttersprache Deutsch

Wir sollten mit unserer Sprache, der Sprache von Luther, Goethe, Kleist, Hölderlin und Brecht, sorgsam umgehen. Sie ist uns anheimgegeben, sie zu nutzen und zu verbessern. In ihr wurden große Werke der Literatur verfasst. Wir sollten diese Sprache ehren und sie täglich sorgsam nutzen. Das kann jeder tun, jeder an seinem Platz. Wir sind nicht angewiesen auf Begriffe und Ausdrücke, welche vielfach nichtssagend oder einfach nur doof sind.

Wir „verhunzdeutschen“, wenn wir „chillen“ oder „canceln“, aber niemand zwingt uns dazu.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Matthias Stark

Autor von Lyrik, Prosa und Essay

Matthias Stark

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