Stille Minuten

Lächerlich Wenn Technologie irre macht

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Wir verbringen viel Zeit vor Displays. Diese Dinger umgeben, ja umzingeln uns geradezu. Nicht nur auf unser Smartphone, den ständigen Begleiter für alle Lebenslagen, starren viele von uns unentwegt. Bahn und Bus sind ausgestattet damit, um uns mit mehr oder weniger wichtigen Informationen zu versorgen. Jedes halbwegs moderne Gerät kommuniziert optisch mit uns über ein Display. Geräte ohne kommen uns schon irgendwie aus der Zeit gefallen vor. Und ein technisches Helferlein ohne Akku und Software, welches nicht nach einem Update schreit, ist fast steinzeitlich.

Wir lesen Bücher und Zeitschriften auf Displays, wir wählen Telefonnummern auf Displays, schreiben Nachrichten auf Displays, kurz gesagt, es funktioniert nicht mehr ohne. Mittlerweile werden die Menschen geboren, starren auf Displays und sterben wieder. Gefühlt haben uns die Dinger im Griff. Auf unseren Straßen ist zu sehen, wie Passanten von ihrem Display gefangen genommen werden. Oft haben sie zusätzlich einen Hörer im Ohr oder verbergen ihre Lauschapparate unter überdimensionierten Kopfhörern, von denen man nicht genau weiß, ob der Kopf den Hörer oder der Hörer den Kopf trägt. Manchmal habe ich den Eindruck, die Leute trügen aus Kältegründen Ohrenschützer, aber sie schützen sich nur vor den lästigen Umweltgeräuschen wie Wind, Straßenlärm, Vogelsang und Stimmen von Mitmenschen. In nicht allzu ferner Zukunft werden wir vermutlich alle einen Helm tragen, der uns in eine virtuelle Realität versinken lässt. Gelegentlich wird, von Zeit zu Zeit, die Außenwelt eingeblendet, um den Kontakt zur Wirklichkeit nicht vollkommen zu verlieren. Aber das lässt sich sicher abschalten. Wer will sich schon mit der Realität abgeben?

Schleichend hat sich die Technik die Menschenwelt erobert. Wir können nicht mehr ohne. Wenn irgendwann einmal das Netz aufgrund eines Stromausfalls oder das Navi wegen eines Satellitencrashs nicht verfügbar ist, wird es Menschen geben, die ziel- und planlos umher laufen. Die Irren irren, sozusagen. Ihre Termine und Adressen sind online gespeichert, ihre Landkarte ist ihr Navigationsgerät, ihr Orientierungssinn ist verkümmert und ohne Google und Wikipedia haben sie keine andere Wahl, als sich auf ihr marginales Grundwissen zu verlassen. Das sind unschöne Aussichten für die „Krone der Schöpfung“. Ich habe schon Leute gesehen, die im Geschwindschritt durch den Wald latschten und dabei auf ihr Handy starrten, um den richtigen Weg zu finden und sich zu allem Überfluss von Musik berieseln zu lassen. Da ist die Natur nur störendes Beiwerk auf ihrer Wanderung.

Lange Zeit hat Technologie das Leben der Menschen vereinfacht. Mittlerweile werden manche von uns von eben dieser Technologie überfordert. Geräte mit eintausend Funktionen, von denen der Durchschnittsbürger vielleicht zehn benötigt, können schon eine Herausforderung sein. Bedienungsanleitungen sind selbständig aus dem Internet zu laden, die sind ohnehin nur was für Festnetztelefonierer, wenn sie überhaupt verfügbar sind. Wer ein Handbuch nötig hat, ist mindestens von Gestern. Die Hersteller versprechen ja intuitive Bedienung. Dafür zuständig sind die langhaarigen Softwareentwickler in dunklen Kellern zwischen Coladosen und Pizzakartons.

Es gab eine Zeit, da wurde die „Beschreibung“ in Papierform den Geräten beigelegt. Für ganz junge Leute: Papier ist das, woraus Bücher und Zeitungen bestehen. Das darauf Gedruckte ist offline lesbar und bedarf keiner Batterie. Ich weiß, ihr hattet das selten in Händen. Probiert es mal aus. Es funktioniert noch immer und manchmal vom Gedruckten sogar noch was zu lernen.

Kürzlich war ich auf einer Toilette in einer Autobahnraststätte. Das allseits bekannte Pinkelbecken, zu dem es mich dringlich hinzog, war sauber und ordentlich. Ich traute jedoch meinen Augen nicht. Das Ding hatte ein Display in der Größe eines kleinen Minifernsehers. Als ich gerade beim „Geschäftlichen“ war, erschien auf dem Display das Gesicht von George Clooney. Der weltberühmte Schauspieler sah mir zu. Ich war zuerst erschrocken, dann verblüfft und letztlich belustigt. Clooney, ein virtueller Spanner. Was das Ganze soll, erschloss sich mir nicht. Vielleicht hätte ich auf dem Display etwas auswählen müssen. Aber ich hatte wirklich gerade keine Hand frei.

Wir verbringen echt zu viel Zeit vor Displays.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Matthias Stark

Autor von Lyrik, Prosa und Essay

Matthias Stark

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