Unterste Schublade

Hässlich Denunzieren, Anprangern und dann...?

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Soweit sind wir also gekommen. Leute, die sich für „Künstler“ halten und die in einer Gruppe mit dem Namen „Zentrum für politische Schönheit“ zusammenwirken, haben erreicht, dass sich die öffentliche Meinung entschieden gegen ihre „Kunstaktionen“ richtet. Mal abgesehen von der Frage, was denn bitte „politische Schönheit“ ist, wird bei dieser Gruppe eines deutlich: hier ist wenig Hirn aber viel Hass im Spiel.

In der Tradition des Dritten Reiches wurde dazu aufgerufen, gegen geringe Geldbeträge Menschen zu denunzieren, welche an den umstrittenen Demonstrationen in Chemnitz teilgenommen haben, von denen also angenommen wird, sie stehen eher politisch „rechts“. Gegen diese Menschen wurde dann vorgeblich „ermittelt“, sie wurden via Foto im Internet angeprangert und sollten ihrem Arbeitgeber mit dem erklärten Ziel ihrer Kündigung gemeldet werden. Nun stellt sich heraus, dass die Aktion dazu diente, an Daten mutmaßlicher Rechter zu gelangen, welche die Suchfunktion der Webseite benutzten. Mittels dieses als „Honigtopf“ (Honeypot) bezeichneten Werkzeugs sollten Namen aus der Naziszene abgeschöpft werden.

Geht’s eigentlich noch? Wo leben wir denn, dass sich eine selbst ernannte Gruppierung für befugt hält, „Ermittlungen“ durchzuführen, Personendaten zu sammeln und auszuwerten? Rechnen die „politischen Schönheiten“ wirklich damit, in der Bevölkerung auf breite Zustimmung zu dieser Aktion zu stoßen? Mir fallen spontan drei gewichtige Gründe ein, dass dies nicht so ist.

Erstens: Sie verletzen massiv Persönlichkeitsrechte.

Zweitens: Selbstjustiz ist und bleibt in unserer halbwegs zivilisierten Gesellschaft strafbar.

Drittens schadet diese Aktion dem Ansehen linker Ideen massiv.

Vorgeblich das Gute zu beabsichtigen berechtigt eben nicht dazu, mit Maßnahmen aus dem Arsenal der Gestapo zu arbeiten. Wer den Kampf gegen Rechtsextremismus beabsichtigt, sollte nie dessen Methoden anwenden. Das wird nur zum Bumerang. Linksextremismus ist nicht besser, und das, was wir hier zur Kenntnis zu nehmen gezwungen sind, ist leider welcher. Weite Teile der Bevölkerung werden sagen: „Seht her, so sind die Linken.“

Es ist abzusehen, dass sich die Akteure der Aktion „Soko Chemnitz“ hinter der Kunstfreiheit zu verstecken suchen. Von Interesse wird sein, wie die Justiz das bewerten wird. Es ist aus meiner Sicht wenig Künstlerisches an der Aktion erkennbar, um es vorsichtig zu formulieren.

Wer Hass mit Hass zu bekämpfen will und Hirnlosem mit Hirnlosigkeit begegnet, wird von sich schwerlich glauben dürfen, moralisch höher zu stehen. Im Gegenteil werden hier primitive Verhaltensweisen sichtbar, die wir gelegentlich schon überwunden glaubten.

Politik jeder Richtung kann auf diese „Schönheiten“ verzichten, wenn sie sich das Wohl und das friedliche Miteinander zum Ziel setzt. Genauso lässt sich auf Denunziantentum und öffentliche Pranger verzichten. Das alles braucht niemand. Was wir brauchen, ist verbale Abrüstung, die Überwindung sozialer Gegensätze und mehr kulturvolles Miteinander. Letzteres könnten besonders Künstler in besonderer Weise fördern. Die Frage ist, ob Anprangern und Datensammeln die richtigen Mittel sind.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Matthias Stark

Autor von Lyrik, Prosa und Essay

Matthias Stark

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