Vernünftig handeln

Weisheit Was wir von Laotse lernen könnten

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Unsere Gesellschaft trennt ein Riss. Ein Riss, der immer breiter wird. Mittlerweile hat er Familien erreicht und entzweit Freundeskreise. Der Riss ist möglicherweise schon seit langer Zeit vorhanden, wurde aber vom Alltag überdeckt. Nun ist er offenbar und verschwindet weder durch Reden miteinander, noch durch gegenseitiges Argumentieren. Und schon gar nicht wird er durch Beschimpfungen, Schmähungen, durch Schubladendenken oder mit Gewalt beseitigt.

Der Riss wurde sichtbar, als die Flüchtlingskrise ihren Höhepunkt erreichte, zahllose Migranten unkontrolliert ins Land kamen und von vielen Menschen als Bedrohung empfunden wurden. Auslöser für den Riss waren die Flüchtlinge nicht, wohl aber wurde er durch sie deutlich sichtbar.

Dieser Riss trennt Menschen, die sich in Bewahrer und Anpasser einteilen lassen. Letztere fügen sich den Gegebenheiten der politischen Welt und ihrem Wandel, haben kein Problem mit Veränderungen, selbst dann nicht, wenn diese tief greifend oder unumkehrbar sind. Die Bewahrer sind wechselnden Verhältnissen gegenüber skeptisch, leben eher konventionell und sind bemüht, einen Status quo zu sichern. Möglich ist, beiden Haltungen in gewissen Grenzen Verständnis entgegenzubringen.

In dieser Situation wäre es gut, wenn alle Seiten zunächst verbal abzurüsten versuchten. Manchmal hilft es, ein paar Schritte zurückzutreten, um das Bild im Ganzen zu betrachten. Vielleicht ist es nicht das Schlechteste, sich bei einem Klassiker Rat zu holen. Ein solcher ist der alte Laotse, der uns in seinem „Tao de King“ so manchen Hinweis für ein friedvolles Miteinander gibt.

Den politischen Akteuren aller Seiten sei ins Stammbuch geschrieben, dass der Aktionismus, der immer und unverzüglich an den Tag gelegt wird, gelegentlich fehl am Platz ist. Demo und Gegendemo, Rockkonzert und Demonstrationstourismus zu organisieren, ist offensichtlich nicht hilfreich. Der Riss vertieft sich weiter. Laotse dagegen empfiehlt: „Das Begehren zu handeln kann nur durch das Einfache, das Namenlose und Ursprüngliche gestillt werden.“ (Kap. 37) Jenes Ursprüngliche wäre wohl manchmal, und ganz besonders bei unnatürlichen Todesfällen, innezuhalten, zu trauern und nachzudenken. „Wirken ohne Tun, wenigen gelingt dies“, so Laotse. (Kap. 43)

Wenn uns der alte Weise empfiehlt „Erreiche dein Ziel ohne Stolz, ohne Prahlen, ohne Hochmut, aus Notwendigkeit, aber hüte dich vor der Gewalt.“ (Kap. 30), dann ist das als klarer Appell an die Akteure aller politischen Gruppen gerichtet, auf gewaltsame Auseinandersetzungen zu verzichten, immer und zu jeder Zeit.

Und manchmal wäre es hilfreich, wenn die Medien ebenfalls nicht gleich versuchten, zu werten, zu urteilen und Menschen in linke und rechte Schubladen zu sortieren. Das hilft niemandem und heizt nur die Stimmung weiter auf.

Bei all dem, was auf Demonstrationen gesagt und in den Medien verlautbart wurde, sei uns immer bewusst, was der weise Chinese bereits vor zweieinhalbtausend Jahren wusste: „Wahre Worte sind nicht schön, schöne Worte sind nicht wahr. Der Gute streitet nicht, der Streitende ist nicht gut.“ (Kap. 81)

Wir sind gefordert, die tiefe Kluft zwischen den politischen Anschauungen unserer Tage zu überwinden. Einmal innehalten und vor dem Handeln (nach-)denken. Wir sitzen alle im selben Boot und das fährt in eine bedrohte Zukunft.

Die Zitate aus dem „Tao de King“ wurden der Übersetzung von Bodo Kirchner aus dem Jahr 2000 entnommen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Matthias Stark

Autor von Lyrik, Prosa und Essay

Matthias Stark

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