Was für ein Jahr

Auf ein neues Gedanken zum Ende hin

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Gefühlt verging das Jahr wie im Flug. Und doch war es randvoll mit Ereignissen und Begebenheiten, die Eindruck hinterließen. Solchen, die mal abstoßend, mal anziehend zeigen, wie weit wir gekommen sind. Oder aber, wie wenig wir vorangekommen sind.

Das Jahr war zu trocken und zu warm, wenngleich wir es manchmal nicht warm genug haben. Doch selbst den größten Klimawandelleugner beschleicht ein dumpfes Gefühl der Unsicherheit, wenn er die fortschreitende Entwicklung betrachtet. Wetter ist nicht Klima, natürlich nicht, und doch scheint es heißer denn je zuzugehen.

In unseren Meeren tummelt sich der Plastikmüll, bald gibt es mehr Kunststoffe als Fische darin. Die Rüstungsausgaben blieben auf Rekordniveau, Kriege um Besitz, Religion und ethnischer Zugehörigkeit wurden geführt wie eh und je. Unsere Felder sind überdüngt, das Artensterben ist keine Fiktion mehr, aber den meisten Mitmenschen ist das alles wurscht. Ein überseeischer Präsident leidet an massiver Hirnlosigkeit und kein Arzt ist in Sicht, der ihm hilft. Er spitzbübelt sich weiter durch seine Laufbahn und der geneigte Zuschauer schaut gelegentlich pikiert zur Seite.

Die Briten wissen nicht, was sie möchten, Europa wird von einer Welle nationalistischer Strömungen durchgespült und wir sind ausnahmsweise mal wieder sicher auf dem Mars gelandet um ihn anzubohren. Frau M. heißt jetzt AKK, der Frühling versuchte, in christdemokratische Reihen zurückzukehren, was ihm nicht so recht gelang. Liegt möglicherweise auch am Klima in der wohl einzig verbliebenen Volkspartei. Zu den Widersprüchen gehört, dass es den Deutschen laut Statistik so gut wie selten zuvor geht und trotzdem eine tiefe Verunsicherung und Wut unter den Leuten herrscht.

Was fehlt uns eigentlich? Vielleicht die große Idee für eine zukunftsfähige Politik jenseits des Parteiengezänks. Im Bundestag wird über vieles diskutiert, über die wirklichen Probleme der Bürger selten. Obwohl es eine Bewegung gibt, die sich „Aufstehen“ nennt, blieben die meisten sitzen. Eventuell haben viele schon die Hoffnung verloren, dass es je wieder besser und nicht nur stets anders wird.

Das große Heilsversprechen der nahen Zukunft heißt offenbar Digitalisierung, bald gibt es eine App für jedes Problem. Es ist bekanntlich die Hoffnung, welche zuletzt stirbt. Denn erst, wenn jeder Gegenstand seine eigene IP-Adresse haben wird, werden wir merken, dass wir noch immer vor den gleichen Problemen stehen. Menschlichen respektive gesellschaftlichen Herausforderungen technisch zu begegnen, wird uns nicht allzuweit bringen. In naher Zukunft gibt es selbstfahrende Autos, wann aber wird der selbstdenkende Mensch sich durchsetzen?

Die Entwicklungen scheinen indes etwas Bedrohliches zu haben und ein Gefühl der Machtlosigkeit beschleicht den einen oder anderen zuweilen. Vielleicht braucht es wirklich mal eine Alternative, eine, die radikal mit Bisherigem bricht und etwas Niedagewesenes entstehen ließe. Eine Zukunft vielleicht, die jedem und jeder eine Chance gibt, die vollkommen ohne Kriege auskommt, die unsere Erde nicht weiter zerstört und die in Einklang mit allem Lebendigem ist.

Das ist utopisch, unrealistisch und spinnert? Natürlich, denn wäre es das nicht, wäre es ja alltäglich. Und von Alltäglichem haben wir ja schon genug. Zum Jahresausklang wird man wohl mal träumen dürfen. Selten, ganz selten, gehen Träume manchmal in Erfüllung.

Auf ein friedliches neues Jahr.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Matthias Stark

Autor von Lyrik, Prosa und Essay

Matthias Stark

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