Was tun?

Diskurs Wenn Antworten schwierig sind

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Ein Freund rief mich an. Aus Cottbus, ausgerechnet. Der Stadt, welche gerade Schlagzeilen macht, berechtigte und unberechtigte. In der Lausitzer Metropole treffen Welten aufeinander. Da sind die Flüchtlinge aus Kriegsgebieten, da sind Ausländer zum Studium hier und es gibt jene, die vor bitterer Armut fliehen und hoffen, im „reichen Westen“ ein besseres Leben führen zu können. Und es gibt die Einheimischen mit ihren durchaus berechtigten Sorgen und Ängsten. Reichlich Konfliktpotential also, aus dem sich eine Gemengelage ergibt, die politisch zum Sprengstoff werden könnte.

Mein Freund engagiert sich, geht zu Demos, sein Herz schlägt links. Und doch weiß er nicht, was werden soll, wie man die Situation in den Griff bekommen kann. Er sieht in der politischen Elite, die derzeit glaubt, das Sagen zu haben, kaum einen Ausweg. Und, ganz ehrlich, ich auch nicht. Der Eindruck, dass die Politik nur mit sich selbst beschäftigt ist, anstatt Probleme zu lösen, verstärkt sich jeden Tag aufs Neue. Und offensichtlich geht durch die meisten Parteien der gleiche Riss wie durch die Gesellschaft insgesamt.

„Was tun?“, könnte man in Anlehnung an Lenin rufen. Ja, was? Ein breites Bündnis vernünftiger Menschen, über alle Parteigrenzen hinweg, wäre nötig, um die sich verschärfenden Gegensätze zunächst einmal klar zu benennen. Stattdessen zerfleischen sich Parteipolitiker in ewig gleichem Gezänk um Posten, Pöstchen und Führungsansprüche. In nahezu allen politischen Parteien ist der „innerbetriebliche“ Kampf scheinbar größer, als es gut für dieses Land ist.

Offenbar hat die bisherige Einteilung des politischen Spektrums in Rechts und Links ihre Gültigkeit zumindest in Teilen verloren. Stattdessen müsste eine neue, junge und frische Bewegung ins Leben treten, die überparteilich und ohne ideologischen Engblick ein Bündnis gegen jeglichen Extremismus schmiedet. Gerade jener blind machende Extremismus schadet uns, sowohl der rechte wie der linke. Dazu gehört zunächst aber erst mal, die Sorgen und Ängste ernst zu nehmen, die viele Leute bewegen. Man könnte aktuell den Eindruck gewinnen, dass es wieder mal in Deutschland eine veröffentlichte „richtige“ Meinung sowie die vielen „falschen“ gibt. Das sollten wir alle nicht zulassen, weil es in die Irre führt.

Die Menschen sind nicht gleich, haben unterschiedliche Weltsichten und Vorstellungen. Und berechtigte Sorgen. Sie sind einem stetigen politischen Wandel ausgesetzt, der so manchen überfordert. Fest geglaubte Gewissheiten zerfallen. Da ist die Angst vor „dem Fremden“ verständlich. Und sie ist teilweise berechtigt.

Wenn eine Ideologie wie der Islam, der weit, weit mehr ist als eine „normale“ Religion, sich anschickt, das öffentliche Leben des Gastgeberlandes in einer Weise zu beeinflussen, die von einer Mehrheit nicht akzeptiert wird, dann ist das ein Problem, über das wenigstens unaufgeregt gesprochen werden muss. Der politische Islam mit seinen Vorschriften und Regeln steht geradezu diametral zu allen Errungenschaften der Aufklärung. Dass das den Menschen Sorgen macht, ist mehr als legitim. Karl Marx schrieb im Jahr 1854 in seinem Text „Die Kriegserklärung - Zur Geschichte der orientalischen Frage“: „Der Koran ist für dieses Reich und seine Herrscher Quelle des Glaubens und des Rechts zugleich.“ Wie die Praxis, die ja bekanntlich das Kriterium der Wahrheit ist, zeigt, ist in islamisch geprägten Gesellschaften von einer Trennung zwischen Staat und Religion, vorsichtig ausgedrückt, wenig zu bemerken. Es ist kaum vorstellbar, dass die Väter des Grundgesetzes den politischen Islam im Blick hatten, als sie die Religionsfreiheit in den Artikel 4 schrieben.

Ein Bündnis, quer durch alle politischen Lager, dass sich unvoreingenommen den Problemen der modernen Zeit zu stellen bereit wäre, sollte als einen wichtigen Punkt auf der Agenda die wirklich strikte Trennung von Staat und Religion auf die Tagesordnung setzen. Nicht nur darf der Staat den Religionen nicht hineinreden, auch den Religionen sollte es nicht mehr möglich gemacht werden, in öffentlichen, staatlichen Angelegenheiten zu intervenieren. Das ist nun mal leider, allen politischen Sonntagsreden zum Trotz, derzeit noch der Fall.

Ganz oben auf der Tagesordnung aber sollte stehen: Zuhören. Zuhören und die Ängste der Bevölkerung ernst nehmen, miteinander reden. Nicht sofort den Werkzeugkasten aufmachen und die Nazikeule schwingen. Jemanden als „Nazi“ zu bezeichnen ist einfach, seine Sorgen und Ängste ernst nehmen, schon schwieriger. Trotzdem lohnt der Versuch!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Matthias Stark

Autor von Lyrik, Prosa und Essay

Matthias Stark

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden