Wenn die Worte fehlen

Finsternis Über das Töten in modernen Zeiten

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Sprachlosigkeit – das ist das richtige Wort. Sprachlosigkeit ist es, die mich befällt im Angesicht der Grausamkeiten, die in unserer Welt geschehen. Da werden mit Giftgas Menschen getötet, darunter Kinder. Da wird zum wiederholten Mal ein Lastwagen als Waffe gegen vollkommen Unschuldige benutzt, die das Pech hatten, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Tagtäglich wird auf unserer Erde in Größenordnungen vollkommen sinnlos getötet und gestorben. Und das alles im Namen von Göttern, Religionen, Weltbildern und Dogmen, deren scheinbare Offenbarungen zu solch sinnlosem Töten anstiften. Es ist ein grausames Spiel, dass nun schon tausende von Jahren andauert und dessen Ende nicht erkennbar ist.

Leider wird noch immer von vielen geglaubt, dass es eine Art „gerechtes“ Töten gibt. Wenn die Amerikaner mit Drohnen ihre „Feinde“ aus dem Weg räumen, verteidigen sie damit angeblich die Werte der westlichen Welt, welche auch immer das sein mögen. Wenn der „Islamische Staat“ Anders- oder Ungläubigen die Köpfe abschlägt, tun deren Anhänger das in der festen Überzeugung, damit ihrem Gott und ihrer Religion zu dienen. Die Zeiten sind finster, in denen dies alles geschehen kann. Und die Hersteller und Lieferanten der für diese Grausamkeiten benutzten Waffen reiben sich die Hände, ihr Kontostand wächst täglich.

Die Weltgemeinschaft humanistisch denkender Menschen ist offenbar nicht in der Lage, all die Gräuel zu stoppen, den Mördern das Handwerk zu legen und endlich Frieden zu schaffen. Keiner NATO, keiner UNO und keinem sonstigen Bündnis war es bisher möglich, auch nur ansatzweise den weltweiten Sumpf an Gewaltpotential trockenzulegen, das uns alle bedroht. Ist die Zahl der friedenswilligen Menschen etwa zu gering? Daran mag ich nicht glauben. Sind sie zu machtlos? Daran glaube ich schon eher.

Vor wenigen Tagen titelte die große deutsche und vierbuchstabige Boulevardzeitung, dass der amtierende US-Präsident die syrischen Kinder gerächt hätte, die im Giftgas umkamen. Welch eine inhumane Weltsicht verbirgt sich hinter dieser Floskel von Rache und Vergeltung? Konnte jemals in der blutigen Menschheitsgeschichte etwas dadurch „wieder gut gemacht“ werden, indem es „vergolten“ wurde? Wem nutzen die Bomben, abgeworfen auf einen Luftwaffenflugplatz? Wohl niemandem. Welches Leid wird dadurch geringer, indem neues Leid, neuer Hass und neue Feindschaft erzeugt und geschürt werden? Wohl keines. Kein Opfer wird wieder lebendig. Rache ist eine billige Form primitiven Menschentums, ganz den „heiligen“ Schriften entlehnt, in denen „Auge um Auge“ gekämpft wird, in denen es hoch hergeht mit Gewalt und Feindestötung, ja sogar mit Völkermord und dem Vernichten der „Gottlosen“. Nicht auf Rache, nicht auf Vergeltung sollte das Augenmerk der Mächtigen dieser Erde gerichtet sein, nie und niemals wieder. Gewalt gebiert immer nur neue Gewalt, das ist die einzig positive Erfahrung aus all den sinnlosen Kriegen, Gefechten und Kämpfen vergangener Jahrhunderte.

Was aber kann man tun? Die Frage ist schwer zu beantworten, zu groß ist die Ohnmacht im Angesicht der unmenschlichen Grausamkeiten. Vielleicht wäre die Ächtung und das Verbot weltweiten Waffenhandels ein erster Weg. Vielleicht sollten sich die Trumps, Putins, Kims und Assads dieser Welt an einen Tisch setzen und sich über ihre Weltsichten austauschen und vielleicht sogar einigen. Doch allenthalben fehlt es noch immer an Verstand und vor allem am ernsthaften Willen, miteinander zu sprechen und die Argumente der Gegenseite anzuhören.

Die Fanatiker aller Religionen müssen sich fragen lassen, ob ihr jeweiliger „Gott“, der doch für Barmherzigkeit und Menschenliebe steht, ihr Tun gutheißen würde. Sie sollten erkennen, dass ihr Glaube durch Mord und Totschlag keinerlei Legitimation erhält, ja dadurch eigentlich jegliche Berechtigung verliert.

Gerade deshalb sei dem gottesfürchtigen, amtierenden amerikanischen Präsidenten, auch wenn die Vorstellung davon schwer fällt, ins Stammbuch geschrieben:

Vor Betätigen des Zünders Gehirn einschalten!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Matthias Stark

Autor von Lyrik, Prosa und Essay

Matthias Stark

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden