Wie man uns gern hätte

"Qualitätsmedien" Über die legale Verblödung

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Jene, die unsere politischen Eliten bilden, hätten uns alle vermutlich gern anders. Es wäre zu schön für die Oberen landauf und landab, wenn sie einem Volk vorstünden, das seinen eigenen Verstand nicht zu gebrauchen wüsste. Das würde manches vereinfachen. Wenn eine Mehrheit der Menschen unkritisch und duldsam ihrer Arbeit nachgehen würde, so sie welche hat, ein- oder zweimal im Jahr „all inclusive“-Urlaub und alle vier Jahre ein Kreuzchen an die genehme Stelle machen würde, wäre alles bestens. Um dieses willige Wahlvolk zu formen, bieten allabendlich die diversesten Sender ihren medialen Schwachsinn an. Eine der Fernsehanstalten, die mit immer gleichen Protagonisten die immer gleichen Sendungen produziert, ist jene, in deren Sendebereich ich meinen Lebensmittelpunkt habe. Das dritte Programm dieses öffentlich-rechtlichen Senders wiederholt seine Inhalte solange und bis zum Erbrechen, bis auch noch der letzte Depp den Unfug begriffen hat. Der Begriff „Anstalt“ trifft auf diese Einrichtung sehr gut zu. Und obwohl man über Geschmack ja nicht streiten soll und mein Fernsehfunkempfangsgerät über eine Abschalttaste verfügt, muss die Feststellung erlaubt sein, dass Unterhaltungskunst nicht nur aus ewig lächelnder Schlagersängerei besteht. Nimmt man die Anzahl der Schlagersendungen als Maßstab für die Beliebtheit dieser Musikrichtung, so scheint mein Heimatbundesland der Sitz des deutschen Schlagers schlechthin zu sein. Um wie viele Male größer ist unsere kulturelle Landschaft, als sie im Fernsehen wiedergespiegelt wird?

Kürzlich wurde mir in einem Gespräch bedeutet, ich solle mich nicht darüber aufregen sondern das Programm einfach nicht anschauen, wenn es mir nicht gefällt. Das ist ein sehr guter Vorschlag. Leider darf ich den Sender aber, weil öffentlich-rechtlich, mit bezahlen für den faden Inhalt, den er produziert und das gibt mir schon irgendwie das Recht zur Kritik. Im privaten Fernsehen und mehr noch im Rundfunk, leider auch teilweise in dem von uns allen mitfinanzierten, zählt weder künstlerische Qualität noch inhaltliche Bedeutsamkeit, wichtig sind Skandale, Boulevard und damit allein die Einschaltquote. Und die ist umso höher, je flacher das Programm ist. Hier erreicht manche Sendung von ARD und ZDF bereits ein Niveau, welches von Zwerghamstern mühelos überblickt werden kann. Beispiel gefällig: Politik-Talkshows, die nicht das Mindeste zur Klärung oder Änderung beitragen, in denen nicht Argumente ausgetauscht sondern Standpunkte verfestigt werden und die letztlich immer nur eines zum Ziel haben: den anderen zu treffen ohne selbst getroffen zu werden. Ich habe noch nie erlebt, dass ein Gast in diesen Gesprächsrunden zugibt, dass ihn ein Argument seines Gegenübers überzeugt hätte. Das ist keine konstruktive Diskussion sondern destruktives Geschwätz.

Noch ein Beispiel: die Sendung „Brisant“ in der ARD. Was hier als „brisant“ gilt, entstammt den schlimmsten Niederungen des menschlichen Voyeurismus. Was muss man eigentlich studiert haben, um in dieser Sendung als „Society-Experte“ auftreten zu dürfen? Und das im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, von uns allen bezahlt! Abschalten und darüber kopfschüttelnd schweigen ist alles, was hier möglich ist.

Unsere öffentlich-rechtlichen Sender haben ja angeblich einen Auftrag. Der ist derzeit aber nur schwer zu erkennen. Man muss die Rosinen schon suchen, wenn man ein Mindestmaß an Niveau von der Rundfunk- und Fernsehunterhaltung erwartet. Und nun werden auch noch zwei Spartensender abgeschaltet, in denen oft solche Rosinen versteckt waren. „Einsplus“ und „ZDFKultur“ gibt es nicht mehr. Dafür ein neues Projekt, „funk“ genannt, das über das Internet Jugendliche ansprechen soll. Das ist grundsätzlich begrüßenswert. Ob sich die Jugend von ARD und ZDF allerdings ansprechen lassen will, sei dahingestellt. Dass das neue Projekt aber anstelle bisheriger Qualitätsprogramme durchgeführt wird, zeigt ein wenig die Hilflosigkeit, denen sich auch die Macher unseres Fernsehens gegenüber sehen. Es würde mich nicht wundern, wenn „funk“ nach einigen Monaten mangels Publikum wieder eingestellt würde, die abgeschalteten Sender aber nicht wieder zu neuem Leben erwachten. Das wäre dann genau der Fortschritt, den wir nicht brauchen können!

Vermutlich sind die Fachleute unter den Fernsehmachern blind für die Tatsache, dass mit Qualität selten Quote zu machen ist und wir sie trotzdem bitter nötig haben. Sonst werden wir uns alle bald dort wiederfinden, wo uns die Mehrheit der politischen Eliten gern hätte: als unkritisch vor sich hin glotzende Masse im Fernsehsessel, fröhliche Schlager mitsingend.

Diese grauenhafte Vorstellung sollte uns allen Angst machen!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Matthias Stark

Autor von Lyrik, Prosa und Essay

Matthias Stark

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